Richard Maria Werner

 

 

Zur Physiologie der Lyrik.

 

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Literatur: Werner
Literatur: Deutsche Dichtung

 

Wir kennen die merkwürdigen Flüsse von Krain, welche nach einem kurzen Taglauf plötzlich spurlos im Erdboden verschwinden, um weit entfernt ebenso plötzlich wieder aufzutauchen. Der wissenschaftliche Erforscher des Erdinnern, der Geologe, sagt uns, wie das zugeht, er berichtet von Rissen im zerklüfteten Terrain, von unterirdischen Schachten und Gängen, von geheimnisvollen Höhlen und Grotten. Wir müssen ihm glauben, aber wie wenig befriedigt uns die Erklärung! Und wenn es uns gar, wie in Adelsberg, gelingt, dem verschwindenden Flusse zu folgen und einen Blick in seine Märchenwelt zu thun, dann staunen wir die Pracht an; gering erscheint, was die Sonne bestrahlt, gegen dies verborgene Leben, gegen dies Walten und Weben zauberähnlicher Kräfte.

Diesen Flüssen gleicht das Dichterwerk. Eine Strecke vermögen wir dem Laufe zu folgen, dann verschwindet es im Inneren des Dichters, um plötzlich vollendet vor unserem erstaunten Auge wieder zu erscheinen. Wir sehen, welchen Stoff der Dichter wählt, wie er ihn findet, oder zusammenträgt, dann erhalten wir das abgeschlossene Werk, das sich in der Phantasie des Dichters geheimnisvoll gestaltet hat. Und doch reizt es uns, zu erfahren, was in der Zwischenzeit vorging, wie der Dichter mit dem Stoffe rang. Leider sind wir meist auf Vermutungen angewiesen, nur selten reicht unser Blick bis hinab in die Tiefe.

Es sind zwei Möglichkeiten, die uns gestatten, das Kunstwerk im Werden zu belauschen. Bei gewaltigen Stoffen, wie etwa bei großen Dramen oder bei epischen Gebilden, wird der Dichter gleichsam vor unseren Augen zu schaffen beginnen. Wir sehen ihn vielleicht mit einem Napoleon beschäftigt, er "ringt" mit diesem "ungeheueren" Stoff, ohne mit ihm fertig zu werden. Da springt ihm eine merkwürdige historische Ähnlichkeit ins Auge: König Ottokar von Böhmen; ist der nicht ein Napoleon alter Zeit? Der Dichter sinnt weiter, immer deutlicher werden ihm die Berührungspunkte zwischen beiden Stoffen, immer mehr schiebt sich der leichter zu objektivierende fernere an die Stelle des näher liegenden; ohne daß er es vielleicht selbst weiß, beschäftigt sich seine Phantasie bereits nicht mehr mit einem Napoleon, sondern mit einem Ottokar. Eines "Gewaltigen Glück und Ende" hatte er in Napoleon gesehen, sieht er nun in Ottokar, und bald heißt es dann: "König Ottokars Glück und Ende". Zufällig sind uns nun die "Vorarbeiten" Grillparzers zu diesem Drama erhalten, wir können daran beobachten, wie die einzelnen Stücke ganz allmählich aneinander gerückt werden, wie sich aus dem Bunterlei der historischen Thatsachen die poetische Wahrheit erhebt, dann freilich verschwindet der Stoff im Dichter und das Drama steht geschaffen vor uns. Hier können wir Schlüsse ziehen aus dem Beginn der Arbeit auf ihren weiteren Verlauf, wenn sie vielleicht auch nicht das Richtige treffen. Alfred Klaar hat dies in einer interessanten Schrift (Leipzig 1885) versucht.

Die andere Möglichkeit gewährt uns Rückschlüsse, wenn wir zum Beispiel mehrere Versuche des Dichters vor uns haben, den Stoff zu bewältigen. Von Goethes Götz kennen wir außer dem Stoff, der "Lebensbeschreibung des Herrn Götzens von Berlichingen" zwei verschiedene Bearbeitungen, "die Geschichte Gottfriedens" und den "Götz", aus genauer Vergleichung der beiden Fassungen ergiebt sich eine Reihe von Beobachtungen, welche methodisch weiter zurückführen können und uns Goethes Art zu arbeiten kennen lehren. Sehr merkwürdig in dieser Hinsicht sind Studien, welche Schönbach an Nathaniel Hawthorne begonnen hat (Englische Studien 1884); wir vermögen bei dem amerikanischen Novellisten einem dichterischen Motive vom ersten Aufblitzen durch eine Reihe von Gestaltungsversuchen hindurch bis zu vollendeten Weisen zu folgen, bekommen [207] also einen höchst erwünschten Einblick in die Werkstatt des Dichters.

Am schwierigsten sind die Beobachtungen des lyrischen Schaffens, weil wir nur in Ausnahmsfällen den sinnlichen Anlaß, das ist hier der Stoff, entdecken können, und weil sehr häufig das geschaute oder erlebte Motiv erst später in einer anderen Situation vom Dichter ausgeführt wird. Wir können ganz fehl gehen, wenn wir einen Konnex zwischen dem lyrischen Gedicht und der momentanen Lage des Dichters annehmen und darauf unsere Forschung gründen. Es ist ja möglich, daß er den Stoff lange mit sich herumtrug; Goethe gesteht ausdrücklich, er habe gewisse große Motive vierzig bis fünfzig Jahre lebendig in seinem Innern erhalten, so nennt er einige Balladenstoffe ausdrücklich. Auch vermögen wir bei ihm einigemale den sinnlichen Eindruck anzugeben, welchen er später zu einem Gedicht umgestaltete. Besonders interessant ist in dieser Beziehung der "Schatzgräber". Goethe sieht in einer deutschen Übersetzung Petrarcas eine Abbildung, "auf welcher ein Knabe einem aus einem Buche lesenden Manne, der links von einer Säule steht, eine Strahlen ergießende Schale bringt, während in der Mitte in Zauberkreisen Beschwörer stehen, von denen einer das Schwert gezogen, rechts von ihnen der Satan in schrecklicher Gestalt erscheint und höher hinauf Goldstücke aus der Erde genommen werden", so beschreibt Dünzer das Bild. In seinem Tagebuch notiert nun Goethe: "Artige Idee, daß ein Kind einem Schatzgräber eine leuchtende Schale bringt". Diese Notiz zeigt uns, daß Goethe bereits zu produzieren begann, denn er hat schon die "Idealisierung" des Stoffes in Angriff genommen: aus dem Mannigfaltigen des Bildes wird das Einfache des Gedichtes, die Beschwörer sind verschwunden und haben Einem Beschwörer Platz gemacht; die erscheinenden Goldstücke haben diesem Beschwörer den Charakter des Schatzgräbers beigelegt, und so ist das Rohmaterial des Bildes schon leicht bearbeitet. Der Dichter sucht sich die Situation deutlich zu machen, er versetzt sich in die Lage der abgebildeten Personen, und so entsteht allmählich – wie? können wir freilich nur ahnen – das Gedicht. So viel sehen wir, daß Goethe im ersten Teil desselben lebendig die geschaute Situation herbeizuführen sucht, er läßt einen Mann vor unseren Augen zum Schatzgräber werden, motiviert sein Thun und läßt endlich den Knaben mit der leuchtenden Schale erscheinen. Den Schluß macht der Versuch, die Situation poetisch zu erklären und symbolisch zu deuten. Wer weiß, ob diese Schale nicht auch die Schale des Faust veranlaßt hat?

Sehr reich ist auch in dieser Hinsicht die Ausbeute aus Hebbels Tagebüchern; hier können wir mitunter vom ersten sinnlichen Eindrucke bis zur schließlichen Gestaltung dem Wendeprozeß folgen. Ich greife nur weniges heraus

So notiert Hebbel am 5. Januar 1843 "bei fallendem Schnee" einen poetischen Gedanken. "Nur so lange wir nicht sind, was wir sein sollen, sind wir etwas Besonderes, wie die Schneeflocke nur darum Schneeflocke, weil sie noch nicht ganz Wasser ist". Hier haben wir die Anschauung: den Schneefall; der Dichter sieht, wie die Schneeflocke zu Wasser wird, was sie eigentlich auch ist; erst dadurch, daß sie zergeht, tritt ihr inneres Wesen zu Tage, sie ist also nur dadurch ein besonderes, weil sie nicht ganz ist, was sie sein soll. Gerade so sind wir Menschen. Das Geschaute wird zum Vergleich, der sich sogleich als poetisch fruchtbar ergiebt. Hebbel skizziert ihn sogleich in Versen, aber schon hat sich das Ursprüngliche wieder anders gewendet:

Wir Menschen sind gefrorne Gott-Gedanken,
Die inn're Glut, von Gott uns eingehaucht,
Kämpft mit dem Frost, der uns als Leib umgiebt,
Sie schmelzt ihn oder wird von ihm erstickt
In beiden Fällen stirbt der Mensch!

Was ist nun hier vorgegangen? Vor allem wurde der Vergleich fallen gelassen und zum Bild gemacht, das ist das poetischere, nur die Prosa verlangt für das Verglichene streng logische Verbindung. Also nicht wir Menschen sind wie die Schneeflocke, sondern: wir Menschen sind Schneeflocken. Aus welchem Stoffe sind wir aber zu Schneeflocken geworden, was entspricht in diesem Bilde dem Wasser, welchem die Schneeflocke entstammt? Das sind die Gedanken Gottes. Also: "Wir Menschen sind gefrorne Gott-Gedanken". Der Dichter denkt das Bild weiter, ganz nach Bauernfelds treffendem Epigramm über ihn:

Die Muse hat ihn reich beschenkt,
Sein Geist ist eigen eingerichtet,
Er ist ein Dichter, wenn er denkt,
Ein Grübler, wenn er dichtet.

Wir können seinen Gedankenwindungen genau folgen. Eine Schneeflocke ist das Resultat eines Kampfes zwischen Kälte und Wärme. Siegt die Kälte, dann wird aus dem Wasser die Schneeflocke, das Besondere; siegt dann wieder die Wärme, so schwindet das Besondere, die Schneeflocke wird wieder zu Wasser. Der Vergleich paßt ja immer noch auf den Menschen; auch der kann nur ein gefrorner Gott-Gedanke sein, wenn Wärme und Kälte im Kampfe liegen; die Wärme kann nur die innere Glut sein, das Göttliche im Menschen, dann muß die Kälte das Irdische sein: unser Körper. So entstehen, natürlich nicht infolge des von mir dargelegten streng logischen Gedankengangs, sondern infolge der angeregten Phantasiethätigkeit, die oben citierten Verse, deren Schluß schon in der Prosa vorgeahnt ist. Der Mensch hört auf ein Besonderes zu sein, wenn er seine Existenz verliert, psychisch oder physisch: "In beiden Fällen stirbt der Mensch!" Hier ist die Idealisierung, wie wir mit Schiller die Umgestaltung des Stoffes zum Kunstwerk nennen, noch nicht bis zu Ende geführt; es blieb noch zu viel Gedankliches, also Prosaisches.

Nun dichtet Hebbel am 17. Dezember 1843 in Paris seine Terzinen: "Das abgeschiedene Kind an seine Mutter. Zu Weihnacht." Zum erstenmal versucht er sich hier in dieser Form, welche er "sehr lieb gewinnt" (II 49). Er strebt Elise zu trösten über den Verlust des Söhnchens Max, der ihm selbst so furchtbar nahe gegangen war; er hatte sich in den tief ergreifenden Klagen am 24. Oftober 1843 ausgetobt (II 9 ff), dann in dem Brief an Elise nach Fassung gerungen (II 13 ff) und "opferte jetzt seinen Schmerz" in gedankenschweren Terzinen, welche das Kind am Weihnachtsabend im Sinne des Vaters zu seiner Mutter spricht. Darin verarbeitet Hebbel die Klagenmotive des Tagebuches und des Briefes und läßt dann das Kind unter anderem sagen:

[208] Wenn alles Leben ist gefrorne Liebe,
   Vereister Gottes-Hauch in tausend Flocken
Erstickt, und Zacken, drin er starren bliebe,
   Wenn nicht, obgleich die Wechselkräfte stocken,
Im Tiefsten ihn ein dunkler Drang erregte,
   Ihn fort und immer weiter fort zu locken
Bis er den Kreis, in dem er sich bewegte,
   Den weitern Ring stets um den engern tauschend,
Zurück bis auf der Ringe letzten legte
   Und nun, hinaus ins Unbegrenzte lauschend,
Dem Odemzug, durch den sich Gott die Wesen
   Einst wieder mischt, in Ahnung sich berauschend,
Entgegen harrt, mit Guten und mit Bösen,
   Die sich auf Erden darin unterschieden,
Daß jene, groß und klar, sich, als erlesen
   Von Gott erkennend, ihm sich schon darnieden
Entgegen drängten aus der toten Zacke,
   Wenn diese, dumpf und klein, zu ew'gem Frieden
Sich gern verschlossen hätten in die Schlacke,
   Damit er, den sie nur mit Schauder ahnten,
Sie nicht, vorüber wandelnd, plötzlich packe!

Hier ist also das Schneeflockenmotiv nur mehr wie zufällig angeschlagen und die ganze Kraft auf die Ausführung des daraus erwachsenen Gedankens gewendet. Und im Schlusse dieses Gedichtes lugt unser Motiv noch einmal anders gedreht aus den Versen hervor: das Geheimnis der Menschenbestimmung werde sich offenbaren, wenn wir werden, was wir einst schon waren,

Den Tropfen gleich, die, in sich abgeschlossen,
Doch in der Welle rollen, in der klaren,
So rund für sich, als ganz mit ihr verflossen.

Hier ist das Bild ganz aufgelöst, man könnte sogar sagen: aufgehoben.

Ein anderes Beispiel findet sich aus dem Jahre 1856; am 10. November blättert Hebbel in der vierzigsten Auflage der Geibelschen Gedichte und findet diesen Erfolg 'bei solcher Trivialität unglaublich'; wie muß das deutsche Publikum sich dabei haben: 'Mich erinnert's an die Kranken, die Kalk und Raupen essen. Für die Nahrhaftigkeit des Kalks und der Raupen beweist es nichts, aber viel für den traurigen Zustand des Patienten.' Daraus ist das Epigramm 'Auf einen viel gedruckten Lyrikus' geworden.

Wunderlich ist es, gewiß! Auch wird's die Geschichte verzeichnen,
Daß man so oft dich gedruckt, aber bescheide dich doch!
Kalk bleibt Kalk, er wird nicht darum von dem Gesunden
Mitgerechnet zum Mehl, weil ihn der Kranke verschlingt.

Wieder hat er das Motiv vereinfacht, den Vergleich zum Bild gemacht und im ersten Distichon jene Situation herbeigeführt, in welcher er den Einfall hatte; dabei wurde der Monolog zu einem Dialog mit verschwiegener Antwort, wie ich das nennen möchte.

Zu seinem in Neapel am 28. September 1845 gedichteten Sonett 'Rechtfertigung' hat Hebbel den Anlaß wohl aus einem Gespräche geholt, denn am 13. Juli notiert er folgenden Dialog (II. 152): "Das Gold ist verächtlicher als selbst der Kot, den wenn diesen die Sonne bescheint und ein Samenkorn fällt hinein, so brütet er es aus, und ein Baum, eine Pflanze oder eine Blume entsteht, aber im Gold regt sich nie eine Spur des Lebens, kein Element kann es befruchten!" ""Das Gold hat seine Schuld ans Weltall schon bezahlt, es ist Erde, die schon alles gewesen ist!"" Im Gedicht wird ein Dialog zwischen dem Gold und den 'andern Erden' daraus, welcher so ziemlich die Motive der Tagebucheinzeichnung verwendet; aus der Antwort des Goldes sei der letzte Satz citiert:

Von mir sind keine Früchte mehr zu lesen,
Weil ich schon frei im eignen Dasein glänze,
Drum blüht und duftet fort, mich zu erreichen.

Zwei Tage nach der Vollendung dieses Gedichtes fixiert Hebbel im Tagebuch einen weiterbildenden Einfall (II. 156): 'Wenn das Gold einmal blüht, wie jetzt die Erde, wird es die Frucht der Unsterblichkeit liefern.' Man sieht, hier liegt im ersten Gedicht schon der Keim zu einem neuen, das aber Hebbel meines Wissens nicht ausgeführt hat.

Sehr interessant ist ein anderer Stoff, welcher zuerst als 'Idee zu einer Tragödie' während der ersten Tage des Jahres 1845 auftaucht (II. 117). Ein wunderschönes Mädchen richtet durch seine Schönheit so viel Unglück an, daß es sich wieder ins Kloster zurückzieht, aus dem es ins Leben getreten war. Kurz darauf notiert Hebbel den Stoff (II. 118) umgekehrt als Erfahrung 'Aus Hannover': Die Schönheit hat die traurigsten Folgen für das Mädchen selbst, nicht für andre, und treibt sie schließlich in den Tod. Hebbel hat diese Tragödie nicht geschrieben, aber in den beiden Gedichten 'Das Mädchen im Kampf mit sich selbst' zeigt er uns ein Mädchen, welches seine Schönheit entdeckt und dadurch veranlaßt wird, 'die verwandten Normen auch in ihre Seele zu drücken'

Und so wird ihr inn'res Leben
All die Harmonie erwidern,
Die sie mit geheimen Beben
Angeschaut in Leib und Gliedern.'

Und schon früher hatte er das Mädchen nachts vorm Spiegel vorgeführt und ähnliche Erfahrungen machen lassen. Hier wurde also ein zufällig gefundener Tragödienstoff zu einem lyrischen Gedicht umgestaltet.

Wenn ich zusammenfassen darf, so möchte ich folgende Punkte als wesentlich für die Entstehung lyrischer Gedichte bezeichnen. Zuerst kommt der lyrische Keim in Betracht, das ist ein erlebtes, erschautes, erdachtes oder erlerntes lyrisches Motiv. Derselbe wird nun wachsen. Vor allem dürfte er vereinfacht werden; dasjenige wird abgestoßen, was nicht notwendig ist, die Mannigfaltigkeit wird zusammengezogen, damit die 'Idee' recht deutlich wird; das nennen wir Idealisierung. Häufig werden verschiedene lyrische Keime zu einem lyrischen Individuum verwachsen. Bei dem eigentlichen Geburtsprozeß des lyrischen Gedichtes werden wir häufig sehen, daß ein Teil des Gedichtes die Situation darlegen muß, in welcher das lyrische Motiv gefunden wird; es kann dann unwillkürlich eine Weiterbildung dadurch erfolgen, daß dem Motiv im Kontraste das entgegengesetzte beigesellt, daß aus dem Geschauten auf dem Weg über den Vergleich ein Bild gemacht wird. Es können ein oder mehrere Teile vergrößert und die andern zurückgedrängt werden, wodurch sich das Motiv verschiebt, vielleicht sogar umgestaltet. Und dann wird jedenfalls noch die Form Einfluß nehmen. Wir wissen jetzt, daß Hamerling sein 'Schwanenlied der Romantik' zuerst in Kanzonenform, dann in Hexametern dichtete, bis er das Nibelungenmaß als die richtigste Form entdeckte; die Form aber bleibt nicht ohne Einfluß. Wird ein Einfall zu einem Epigramm, so dürfte jedenfalls mehr von ursprünglichem Gedankengehalte daran heften, als etwa bei einem Liedchen. Es wird also der lyrische Keim auf die [209] mannigfaltigste Weise aus- und umgestaltet, ehe das lyrische Gedicht entsteht.

Der Forscher darf diesem Übergang zu folgen suchen, ohne daß ihn der Vorwurf trifft, er habe den Schmetterling Schönheit zwar gefangen, aber das Hauptstück: das Leben, den Geist abgestreift, der alles schön macht. Goethe welcher dies einmal zürnend von Mendelssohn gesagt hatte, war später selbst bemüht, die Schönheit theoretisch einzufangen.

 

 

 

 

Erstdruck und Druckvorlage

Deutsche Dichtung.
Bd. 3, 1888, Heft 7, 1. Januar, S. 206-209.


Deutsche Dichtung   online
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Die Textwiedergabe erfolgt nach dem ersten Druck (Editionsrichtlinien).

 

 

Zeitschriften-Repertorien

 

 

Werkverzeichnis


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Lyriktheorie » R. Brandmeyer