Text
Editionsbericht
Werkverzeichnis
Literatur: Andreas-Salomé
Literatur: PAN
Wenn man ein Werk aus dem Gebiet unmittelbarster, unabgeleitetster Kunstform, zum Beispiel ein Gedicht einfacher Lyrik, auf die Bestandteile seiner seelischen Entstehung hin liest, so glaubt man zunächst nur mit zwei Faktoren rechnen zu müssen: nämlich mit dem, in der Kunst diesem Gedicht zu Grunde liegenden, Gefühlsstoff und mit der dichterischen Technik, die ihm zum lyrischen Ausdruck verhalf. Und der steigende Unterschied zwischen der primitivern und der kulturell mehr und mehr entwickelten Kunst scheint demnach darin zu liegen, dass anfangs die emotionellen Bestandteile sich naiver ausströmen, stofflich naiv genossen werden, während später die Kunstform den Kunstinhalt immer strenger besiegt, bis endlich die künstlerisch-technische Prägung ganz in den Vordergrund tritt, und der stoffliche Gefühlsanlass das Interesse garnicht mehr durch sich selbst absorbiert. Am einleuchtendsten, und deshalb am häufigsten bemerkt, ist dieser Vorgang gegenüber den Erzeugnissen der bildenden Künste, indem wir ohne weiteres einzuräumen pflegen, dass etwa ein gemaltes Fruchtstillleben uns nicht durch den Anblick seiner Aepfel und Trauben zum Appetit, ein gemalter Akt uns nicht zur Unruhe der Sinne reizen soll, sondern in beiden Fällen die Ausführung in Linien und Farben uns rein ästhetischen Genuss zu vermitteln hat.
Sieht man aber genauer zu, so verhält es sich auch schon auf diesem abgeleitetern Gebiete bildender Kunst, geschweige denn auf dem der Lyrik, mit dem Ueberwiegen des technischen Interesses über das emotionelle wesentlich anders, als man so annimmt. Denn seinen Stoff entnimmt der Maler des Fruchtstilllebens oder des Aktes wohl der äussern Welt äusserer Sensationen, aber wenn diese aus seinem Bilde nicht stofflich herauswirken, sondern mit Hilfe seines technischen Könnens vielmehr gleichsam umgebracht werden, – so liegt das nur daran, dass es durchaus nicht diese Sensationen sind, die ihn zur Wahl seines Stoffes getrieben haben, sondern eben ganz andre Gefühle leisester und intimster Natur, – Gefühle, die er nicht anders schildern kann als kraft der vagen Farben- und Linienphantasien, mit denen sie sich verbinden, oder unter deren Hülle allein sie auftauchen. Diese Heimlichkeiten in der Seele des Künstlers sind deshalb so unaussprechbar, weil sie ein ganz embryonales Dasein führen, ehe die Kunst sie ans Licht des Tages hinanführt, – weil sie Gefühle repräsentieren, entweder im Stadium des dunkeln ersten unklaren Aufkeimens, oder aber ins Dunkel zurückgesunkene Gefühlselemente, die schattenhaft und reminiscenzenhaft in die Gegenwart hineinwirken, oder endlich weil sie aufsteigen aus der breiten wellenhaften Masse unbestimmter Allgemeingefühle, die sich nicht recht individuell fassen lassen, aber doch durch das Individuum erregend hindurchfluten. Den Künstler vom Nichtkünstler unterscheidet nun ganz fundamental der Umstand, dass seine Sensations-Embryos sozusagen nicht zu Ende [178] wachsen und nicht über sich zur Klarheit kommen und nicht sich zu Handlungen auslösen mögen unter den praktischen Reizen des persönlichen Alltagslebens, sondern Verbindungen mit der Phantasie eingehn, um eine neue und eigne Welt aus den feinsten persönlichsten Initiativen zu gestalten. Wenn dann der Beschauer vor solch ein Bild tritt und es künstlerisch geniesst, so entspringt diese Wirkung also weder dem Stoff noch der dem Laien vielleicht garnicht verständlichen Technik, sondern vor allem diesem emotionellen Untergrund, mit dem der Künstler daran gearbeitet hat, – den Gefühlsmächten und deren Qualität, die durch künstlerische Mittel dem Beschauer irgend etwas beredt und sichtbar gemacht haben, was sonst in seiner Seele stumm und verhüllt für ihn bliebe. Er vermag nun gewissermassen seine eignen Seelenheimlichkeiten auf dem vor ihm schon angetretenen, geebneten Wege dem Künstler nachzusenden und dadurch zu einer abgeschwächten Freude dessen zu gelangen, was einzig und allein die Seligkeiten des Schaffenden ausmacht: nämlich sich seines Innenlebens als eines Sprungbretts bewusst zu werden, von dem aus wir das ganze praktische Leben, mit allen seinen direkten und groben Appellen an uns, überfliegen, um erst in unsrer selbstgeformten, selbstgewählten, nur uns gehörigen Heimat wieder Fuss zu fassen. Je weicher und feiner der Beschauer veranlagt ist, desto analoger wird sein Genuss dem des Künstlers gefärbt sein, bis ihn nur noch ein Geringes, vielleicht nur ein wenig technisches Können, vom Epigonen unterscheidet, der selbständig nachschaffend die Wege der Kunst geht. Aber andrerseits wird gerade deshalb, weil es sich im Kunstschaffen um eine höchste und individuellste Aeusserung des Menschen handelt, für verschiedene menschliche Persönlichkeiten beim Anblick eines Kunstwerks auch eine ganz verschiedene seelische Nüance anklingen und keine vollkommene Uebereinstimmung im innerlichsten seelischen Geschmack zwischen Vielen möglich sein. Denn was zu ihnen mit seiner Schönheit spricht, ist ja eben kein berechenbares technisches Glanzstück, sondern ein lebendes Gebilde, das in jedem Einzelnen auch wieder sein einzelnes besonderes Leben leise in seine Kreise zieht und ihm schmeichelnd seine besondersten Töne entlockt.
Nicht ganz so selbstverständlich leicht wird das Verhältnis von Technik und Gefühlsuntergrund in der Lyrik klar, da die Lyrik ihre Stoffe selber schon dem Gefühl und nicht erst der äussern Welt entnimmt, also doch scheinbar mit dem stofflichen Interesse bereits auch das Gefühlsinteresse durch ihre technisch-künstlerische Wortprägung zurückdrängen muss, will sie die gleiche rein ästhetische Höhe erreichen, wie in der eben geschilderten Wirkung bildender Kunst geschieht. Aber in Wirklichkeit ist auch im Lyriker der Vorgang ganz derselbe, denn diejenigen Gefühle von den Dingen, denen er seine Stoffe entnimmt, und die in seinem Gedicht ebensowenig stofflich-realistisch reizen dürfen, wie etwa die gemalten Aepfel in einem Stillleben, sind völlig zu unterscheiden von den feinen Sensationen, die beim Dichten des Stoffes sich aus seiner Seele lösen und nur verglichen werden können den farbig getönten oder linienhaft geschwungenen Sensationen des bildenden Künstlers. Der Gefühlsvorwurf selbst, sei er welcher er wolle, stellt auch für den Lyriker nur einen Anlass, eine dankbare Gelegenheitsursache, dar, um auf dem breiten, klaren Hintergrund gegebener Gefühle, etwa einer landschaftlichen oder erotischen Träumerei, die intimsten, zartesten Farben, die seltsamen und geheimnisvollen Zeichen seelischer Ergriffenheiten aufleuchten zu lassen, die an sich vielleicht weder mit Landschaft noch mit Erotik viel zu schaffen haben, weil sie noch ganz dunkel unbestimmt in ihm schwingen und vibrieren. Vom Grade seines technischen Könnens muss es dann im wesentlichen abhängen, diese Vibrationen und Schwingungen seiner Seele künstlerisch wirksam zu machen und sie damit aus dem Keimhaften ihres ursprünglichen Zustandes in ebenso lichtes, vollendetes Leben zu rücken, wie wenn im nichtkünstlerischen Menschen ein Gefühl in einer ihm absolut adäquaten Handlung rund herausspringt, oder sich zu einer saubern Kette folgerichtiger Gedankenverknüpfungen restlos auseinandergliedert. Aber die Technik, die dem Künstler dazu verhilft, ist dennoch in keiner Weise identisch mit dem reinen Kunstwert, dem reinen ästhetischen Wert seines Werkes, denn die Grundform desselben, an der die Technik arbeitet, wird unmittelbar mit dem tiefsten und innerlichsten Gefühlsinhalt miterzeugt und ist nicht etwas ganz für sich. Auch die technisch glänzendste Aussenform kann nur packend am Packenden, bedeutsam am Bedeutsamen wirken und hat keinen andern Zweck, als den der Vermittelung – zwar nicht stofflicher, wohl aber seelischer Kunstinhalte, deren Wert sich daher letzten Endes, an irgend einem letzten Punkt ihrer Entstehung, nach dem menschlichen Wert bemisst. Ist auch der eigentliche schöpferische Prozess im Künstler etwas nur ihm Zugehöriges, so berührt er sich doch an diesem seelischen Entstehungsherd mit dem Ausgangspunkt höchster menschlicher Leistungen überhaupt. Freilich nicht im Sinn irgend welches hergebrachten sittlichen Wertmasses, das mit Recht auf das Energischeste zurückgewiesen wird und es vielleicht auf dem Gewissen hat, dass man die künstlerische Persönlichkeit von der menschlichen oft mit Bewusstsein trennen will, ohne zu überlegen, wie rasch man ihr damit die Wurzeln abgräbt. Auch im sogenannten sittlichen Gebiet, gefasst als das Gebiet der praktischen Lebensbethätigungen im Gegensatz zu den künstlerischen, entstehen schöpferisch hervorragende Menschen, d.h. solche Menschen, deren Thun durch die darin realisierten intimsten persönlichen Initiativen vorbildlich und wegweisend wirkt; sie erwachsen aus ganz demselben schöpferischen Wesensgrunde, aber nach ganz der entgegengesetzten Wesensrichtung wie das künstlerische Genie. Hierauf ist die Richtigkeit der Bemerkung zurückzuführen, dass der Künstler in seinem Handeln nach einem besondern Mass gemessen werden muss, denn in der That giebt er dasselbe Kraftquantum, worüber er, bei anderer Veranlagung, innerhalb der praktischen Lebensbethätigungen verfügen würde, mit möglichst restloser Hingebung an künstlerische Lebenszwecke aus und besitzt gerade darin den ihm eigentümlichen Adel. Wir leisten naturgemäss Alle am meisten da, wo wir unserm Produktivpunkt am nächsten kommen, und thun es um so menschlich vornehmer, je entschiedener wir an jedem andern Punkt, gleichviel für wie autoritativ er gilt, unsere letzte Hingebung und Andacht verweigern, – denn es giebt für uns nur diese Eine schmale Pforte, um über uns selbst hinauszugehen und um einzugehen in das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit. So kann recht wohl ein Lyriker in vollendeten Kunstwerken Stimmungen zum Ausdruck bringen, die in Handlungen zu bethätigen er sich im praktischen Leben als unfähig erweist, aber, sofern es wahrhafte [179] Kunstwerke sind, die ein Dichter schuf, und nicht nur virtuose technische Blender, dann ist er trotzdem der Mensch dieser Stimmungen in jenem heimlichsten Gefühlscentrum, wo sie eben erst zu ahnungsvollem Dasein erwachen und noch im Dunkel nach einem Weg tasten, – und dann ist er trotzdem tiefverwandt einem sittlichen Genie ebensolcher Stimmungen, dem es gegeben ist, sie in Handlungen zu entladen. Das einzelne Thun als solches zu beurteilen ist eine fast notwendig banale Urteilsweise des Tages mit seinen tausend einzelnen Anforderungen, die alle, von den verschiedensten einzelnen Standpunkten aus, einstimmig gleichmässige Berücksichtigung verlangen. Aber den schöpferischen Menschen vom Alltagsmenschen, oder richtiger und besser: den schöpferischen Moment von den vielen, vielen Alltagsstunden, unterscheidet am durchgreifendsten gerade der Umstand, dass es da absolut nichts Vereinzeltes mehr giebt, sondern nur eine tiefste, totale Einheitlichkeit der Aeusserungsformen überhaupt noch übrig ist. Man könnte sagen, sie entspringen allesamt ebenso einheitlich dem zentralsten Punkt der Persönlichkeit, wie etwa dem Künstler in der allerersten Konzeption seines Werkes dessen später vielfältig erstrahlende Welt sich so geheimnisvoll ununterscheidbar in Eins zusammendrängt, in irgend eine Grundsensation voll wortloser Fülle. So ist es auch im seelisch schöpferischen Prozess selbst: es liesse sich allenfalls so schildern, als würden darin die im Menschen aufkeimenden Gefühle gleichsam wieder zurückgenommen in die zentrale Wärme eines individuellsten Zusammenhangs, noch bevor diese mannigfachen Gefühle sich einzeln klären können, und bevor sie in selbstsüchtig gieriger Benommenheit auf die von aussen gegebenen einzelnen Lebensreize reagieren können – so wird mit ihnen und an ihnen ein Neues, Lebendiges erzeugt, das all ihr Blut in sich aufgesogen hat und jetzt nur noch eines äussern Anlasses, eines von draussen entnommenen Stoffes, sozusagen eines Stückes Marmor oder einer aufgespannten Leinwand, bedarf, um sich im Leben als ein selbständiges Lebensgebilde auszusprechen.
Weil so die mannigfachen menschlichen Schöpferäusserungen wie Strahlen der nämlichen Sonnenwärme im innersten seelischen Erleben erscheinen, daher ist es natürlich für ein Werk der Kunst keineswegs gleichgültig, wieviel von diesem Inhalt in ihm anklingt und verarbeitet worden ist, der von der feinsten Nüance bis zum erschütterndsten Ton die ganze Welt geheimster menschlicher Sensationen umspannt. Nur um diesen Inhalt zum künstlerischen Erklingen zu bringen, indem man ihn technisch bewältigt, – nur dazu soll die stoffliche Wirkung, das stoffliche Interesse, kurz alles, was auf einzelne Reizzwecke ausgeht, zurückgedrängt, verflüchtigt werden. Alle Dinge sind ja nur durch unser Verhalten zu ihnen diejenige Welt, die wir an ihnen besitzen, und in dem menschlich gesteigertsten, dem schöpferischen Verhalten gegen sie, empfangen sie erst recht nicht länger ihre Bedeutsamkeit aus sich selbst, als letzte Zwecke, die mittels der Seelenwerkzeuge realisiert werden, sondern sind nur noch bedeutsam, sofern sie Mittel sind zum Zweck, eine andre, selbständige Welt bauen zu helfen, die auf der Spitze des Menschentums, gleich einer zweiten Weltschöpfung, ein höheres Analogon des Lebens über dem Leben wiederholt. Ist es nun Mission des praktischschöpferischen Menschen, sein Thun in solchem höhern Leben aus sich herauszustellen, so ist es Aufgabe der Kunst, mit Farben, Linien, Worten, diese Welt sichtbar und beredt zu machen. Die Kunst redet nur deshalb in einer andern Sprache als der Alltag, sie kombiniert, setzt, verwandelt nur deshalb die Worte des Alltags in einer ihr eigentümlichen besondern Weise, weil sie von andern Dingen redet als er, von seinen Dingen aber nur symbolisch und also auch in seinen Worten nur symbolisch, – gerade wie eine menschenerlösende Handlung auch in ihrem innersten Thun etwas anderes darstellt, als was sich, rein stofflich betrachtet, in einem gegebenen Moment, an ihr begiebt und was einem blossen Transparent vergleichbar ist, durch das eine Verkündigung menschenerlösender Seelenmächte hindurchleuchtet. In solchem Symbolischwerden der Dinge, in solchem schöpferischen Verhalten zu ihnen nennen wir sie "schön", und wirken sie auf uns "ästhetisch"; die Schönheit an den Dingen ist nichts, was wir ihnen hinzufügen, und nichts, was wir aus ihnen herausdestillieren, sondern sie beruht auf dem Umstand, dass wir uns ihrer als einer Zeichensprache bedienen, um uns einander unsere Geheimnisse zuzuraunen. Man kann darüber in allen möglichen Augenblicken des Lebens während vorüberfliegender glücklicher Stimmungen, die an das Schöpferische streifen, ohne wirklich darin zu nisten, Beobachtungen machen und bemerken, wie, je nach der besondern Art solcher Stimmung, blitzgleiche Lichter der Schönheit die Dinge umspielen und sie hier und da auch wirklich flammend zur Schönheit entzünden, wie aber dann, nachdem die Stimmung erloschen ist, ohne den Prozess zu vollenden, diese eben noch so hochbedeutsamen Dinge als tote Schlacke, aschenbedeckt daliegen, eine tiefe Traurigkeit, einen fast lebenssatten Ekel im Gemüte zurücklassend, der wohl durch praktische Anregungen und Erregungen betäubt und vergessen, aber nie durch das gleiche beglückende Gefühl ausgelöst werden kann, ehe die Dinge uns nicht wieder "schön", heimats-schön, d.h. ehe sie nicht wieder zu einem Lichtblitz, Farbenton und Klang unsrer geheimsten Seelenschwingungen geworden sind.
Die schöpferischen Vorgänge in der Seele des Menschen, sofern dieser zu ihnen überhaupt befähigt war, sind wohl stets dieselben gewesen, innerlich unabhängig in ihrem psychischen Verlauf von den Kultureinflüssen, unter denen die Kunstentwicklung ihren Fortgang nahm. In Bezug auf die schaffenden Künstler selbst ist es deshalb irrig anzunehmen, dass in frühern, etwas schwächer kultivierten Zeiten die stofflich bedingten Emotionen sich irgend einer Kunstform einfach bedienten, um sich gewissermassen auszuschreien und dadurch natürlich auch nur ebenso praktisch emotionell zu wirken, während erst spätere Kunstepochen, – besonders spät in der von Gefühlserregungen am stärksten getragenen Lyrik, – das eigentlich künstlerische Interesse, den rein ästhetischen Genuss schätzen lehrten. Im schöpferischen Akt selber ist das Verhältnis von Stoff und Form und Gefühlsgehalt ohne weiteres gegeben und wandelt sich ebenso wenig unter den Einsichten der Kulturverfeinerungen, wie ein lebendes Wesen die Gesetze seines Organismus um deswillen modeln könnte, – hingegen ist es durchaus nicht das nämliche, was die logische Spiegelung dieser psychischen Grundthatsachen im Verstande des Künstlers betrifft, von dem sie aufgefasst werden gemäss der Zeit und gemäss den Kunstrichtungen, in denen er lebt; mit ihnen, mit der kulturellen Gesamtströmung teilt er also auch den langsamen, von Irrtümern stets aufs Neue unterbrochenen Entwicklungsgang [180] der Lehren über das Wesen des Künstlerischen. Und noch mehr gilt das vom geniessenden Beschauer der Kunstwerke, vom Publikum in jedem Sinn, dass sie erst allmählich richtig einsehen lernen, um was es sich bei dem künstlerischen Ereignis handelt, und wie sie sich dazu zu verhalten haben, denn alle diese müssen ja erst durch lange und wiederholte Erfahrungen ein wenig hinter den heimlichen Genuss des Schaffenden kommen, um ihm dann zu ihrer eigenen Beseligung erfolgreicher nachzutasten. Beherrscht sie anfangs der geschaute oder vernommene Stoff als Alleinzweck, so unterwirft später ihr gereiftes Verständnis ihn als blosses Mittel dem Kunstzweck, und endlich zum Schluss dieser kulturellen Entwicklung, kommt es meist dahin, dass am Kunstzweck wiederum nur noch die technischen Mittel interessieren, die anlässlich seiner zur Anwendung kamen; dann scheint das Publikum durch seine über das Laienhafte ganz hinausgelangte Kunstschulung dem Künstler am nächsten zu stehen, und ist doch genau so weit von dem entfernt, was ihn bewegt, wie im ersten Anfang. Denn war es im Anfang noch nicht genügend zu individuellem vollem Seelenleben erwacht, um irgend etwas im Kunstwerk wahrzunehmen, ausser einer aufreizenden Nachahmung eines beliebigen Stoffes, so ist jetzt seine seelische Spannkraft und Regsamkeit schon zu erschlafft, zu müde, um nachschaffen zu können, was der Künstler aus seiner Fülle schuf, und hält sich darum an die Einzelzüge der gegebenen Aussenform.
Zwischen diesen beiden Polen pendelt nicht nur das Kunstverständnis der Menschen hin und her, sondern auch die verschiedenen Kunstrichtungen selbst thun es, die ja nichts andres sind als ein Niederschlag des Denkens und Fühlens der Menschen einer Zeitepoche und den Künstlern als solchen nur soweit entstammen, als auch diese ausserhalb ihres Schaffens auf das Geistesniveau der übrigen Menschen mitgehören. Wie eine logisch richtig gelenkte und beeinflusste Aufmerksamkeit für das Kunstverständnis wichtig sein kann, so reflektiert andererseits jede, ob selbst noch so abstrakt gewonnene oder ausgedrückte, Auffassung der Kunst zugleich etwas vom psychischen Gepräge einer Zeit, etwas von den innern Kämpfen, Siegen und Niederlagen ihrer Menschen.
Heutzutage ist es ganz besonders interessant, sich unter den herumfliegenden Schlagwörtern der verschiedenen Kunstrichtungen umzuthun, weil sie sich zum grössten Teil doch nicht mehr an eine abstrakte Schuldoktrin halten und also viel weniger vermummt wie die selig verstorbenen ästhetisch-metaphysischen Systeme von ehemals, uns ihr menschliches Antlitz verraten. Hier und da treffen sie auch mit ihren stark gefärbten, zusammenfassenden Bezeichnungen sehr glücklich eine ganze Gruppe von psychischen Zeiterscheinungen, die sich künstlerisch aussprechen wollen, wie zum Beispiel mit dem viel missbrauchten und missverstandenen Begriff der Dekadenz-Kunst. Alles mögliche ist wohl fälschlich so benannt worden oder hat sich selbst aus irgend welchen Gründen so benannt, in Wirklichkeit jedoch lässt sich etwas sehr Bestimmtes und Thatsächliches durch dieses Wort klärend beleuchten, nämlich ein am Ende langer Kulturverfeinerung eingetretener seelischer Erschöpfungszustand, der den hohen und positiven Wert besitzt, sich mit ganz köstlichem technischen Raffinement künstlerisch zum Ausdruck zu bringen. Was auf der Grenze der Erschöpfung steht, wird naturgemäss sich gern abseits von allen starken Berührungen mit dem Leben halten, und wird am liebsten jene leisesten und feinsten Nüancen an sich belauschen, die schon durch das allerschwächste Vorüberstreifen des Lebens genügend zum Erzittern gebracht werden, um einem Kunstwerk zur Basis zu dienen. Dagegen ist garnichts einzuwenden und gewiss kann auf diese Weise das künstlerisch Höchste entstehn, gewiss kann in der dazu nötigen Treibhausstille eines solchen Abseits manche Offenbarung erblühen, die sich sonst nie an's Licht gewagt hat. Dafür giebt es besonders französische Proben der Lyrik mustergiltiger Art, – wo sie in Deutschland überhand nehmen, sieht man ihnen bedenklich leicht das Experiment mit dem eigenen Hirn und Herzen an und was dabei herauskommt ist keine seltene Treibhausblüte, keine künstlich gezogene, sondern eine künstlich hergestellte, ohne organisches Leben. Für den wahren Dekadenten ist die dekadente Art der Kunstäusserung, falls er ein entsprechend grosser Künstler ist, eine ebenso natürliche, wie für einen geborenen Schiffer der Kampf mit Meer und Wellen, und sogar wenn er archaisierend ganz in dem Gefühlsmilieu vergangener Zeiten sich ergeht und seinen eigenen Gefühlen dessen Kostüm überzieht, so schafft er sich damit nur die ihm notwendig gewordene weite Distanz von den Dingen, um nicht bei ihrer künstlerischen Berührung von ihnen verletzt und dadurch auch aus der schöpferischen Verfassung gerissen zu werden. Keine Frage, dass Dekadenz-Perioden, wo sie nicht vielleicht nur Uebergänge, heimliche Seelenrekonvalescenzen sind, allmählich mit dem seelischen Schlaf und Tode enden müssen, aber solange sie überhaupt Talente ihr eigen nennen, können sie bis hinein in die ersten dämmernden Träume des Entschlummerns, der Kunst ihre zartesten Lieder singen.
Ist gegenüber der französischen Lyrik die deutsche auf diesem Boden steril und gekünstelt, so erwächst ihr dafür seit der Beseitigung des Realismus und Naturalismus ein neuer Frühling, der leicht mit der Dekadenz-Poesie verwechselt wird, weil seine noch zarten Hälmchen und jungen Blüten ebenso sturmscheu sind, wie das fallende Septemberlaub. Sich vor den Lebensstürmen abseits zu bergen, und die leisen, feinen Regungen der Seele auf Kosten der lautern und stärkeren zu verherrlichen, kann nämlich gerade so gut einem jung aufkeimenden Leben, das seiner Kraft erst entgegenschwillt, zu eigen sein, wie dem alternden, kraftmüde nach innen gekehrten. In heutiger Zeit wenden sich Viele, und nicht die Schlechtesten, vom ganzen äussern Lebensgetriebe ab und verschmähen es sogar als blossen Anlass, um sich daran persönlich zu bethätigen und auszuleben, weil sie sich durch die gesamten Kulturverhältnisse, in denen wir leben, im Besten ihres individuellsten Wesens bedrängt und beraubt fühlen, – wie also sollten insbesondere Künstlernaturen es anders fühlen? Es ist ein Suchen und Langen nach Einsamkeit in den vorgeschrittensten Menschen, in Allen, die etwas in sich tragen, was nicht auf dem Markt geboren werden kann, in Allen, die in sich Hoffnung und Zukunft tragen und heimlich fürchten, dass ihnen diese entheiligt werden könnten. Sie wissen wohl, dass aus dem vollen Kontakt mit der ganzen Breite und Tiefe des wirklichen Lebens die grossen Werke entspringen, die mit ehernen Siegerschritten und klingendem Spiel über die Erde gehen, Jahrhundert um Jahrhundert, aber bis dahin – das wissen sie auch – müssen noch viele andere, stillere Werke ihnen voranschreiten in [181] weissen Gewändern, schüchterne Knospen im Haar, und davon zeugen, dass es schon Menschenseelen giebt, die festlich angethan sind und willig und bereit zu einer neuen Schönheit ihres Lebens. So ist dieses scheinbare Abseits vom Leben oft nur ein intimerer, feinerer Kontakt mit ihm an seinen individuellen Quellen im Einzelnen, aber kein von ihm Hinwegflüchten in dekadente Träume oder Lande der Vergangenheit; es ist ein Versuch, den ganzen zartesten Nüancen-Reichtum sich zu eigen zu machen, der sich leise entfaltet, wenn man die Störungen unedler, brutaler Verhältnisse des Tages nur zeitweilig davon fern hält, damit die Kraft erwachse und erstarke, welche mehr und mehr unsere gesamte ernüchternde und entstellte Wirklichkeit mit ihrem machtvollen Frühling überblühen will. In der modernen Lyrik zeigen sich solche Spuren am deutlichsten, und mit ihnen die glückliche Verschiedenheit – eine Verschiedenheit aus innerlichsten Gründen – von der Dekadenz-Poesie und deren liebevoller Versenkung in eine wohl künstlerisch noch immer fruchtbare, aber im Sinn des Lebens selbst doch todbringende Krankhaftigkeit der Seele. Besonders in der deutschen Lyrik ist vielfach der Trieb, sogar noch in der leisesten Intimität geheimster Seelenregungen doch gerade zurückzugehen auf das ursprünglich Lebensvolle, auf das unangetastet Gesunde, unberührt Anfängliche, – und der Vorwurf der Formlosigkeit, den man einem grossen Teil dieser Lyrik macht, hängt hiermit zusammen. Es herrscht in ihr eine übertrieben weitgehende Furcht vor den bisherigen lyrischen Formen, weil diese so häufig, so bis zur äussersten Banalität, missbraucht worden sind, dass es im Lyriker das Gefühl erwecken kann, als schliche sich schon mit der Anwendung ähnlicher Formen an sich etwas Banales, Abgegriffenes, Verbrauchtes in den ganzen Komplex seiner Gefühle ein und beraube sie des Kostbarsten, nämlich ihrer eigentlichen individuellen Unmittelbarkeit. Das ist wohl zu begreifen, aber doch ist es bedauerlich, wenn infolge zu wenig gefesteter Gefässe ein lyrischer Inhalt um seine Wirkung kommt und sich haltlos daneben ergiesst, – oder wenn wunderbar klingende Seelenklänge, die berauschen und hinreissen müssten, gezwungen sind, von ihrer Schönheit nur undeutlich zu stammeln und zu lallen. Aber alles dies sind natürlich nur Erscheinungen einer vorübereilenden Uebergangszeit, denn was im Lyriker raunt und redet, das schafft sich immer wieder entweder neue allgemein gültige Aussenzeichen, oder es läutert durch seine innere Kraft und Reinheit die bisher geltenden Formen so, dass diese von jedem neuen Wert, den sie empfangen, auch neues Gepräge tragen.
Immerhin kann es von grosser, indirekter Wichtigkeit sein, wenn gleichzeitig, auf Grund einer anders gestimmten Kunst- und Seelenrichtung, ein deutscher Lyriker von technischer Genialität Einfluss gewinnt, wie etwa jetzt Stefan George. Ich muss ihn mit Namen nennen, da das, was er vertritt, sich so ganz mit seiner einzelnen Persönlichkeit deckt, dass man seine Nachahmer schon ganz anders wohin zählen muss, als ihn. Denn sobald man, selbst mit viel Talent, ihm nachahmen sieht, springt das Ueberwiegen der Technik über den Inhalt als Mangel in die Augen, während bei Stefan George jeder Inhalt, den er zu Grunde legt, nicht nur in wunderbar intimen Zusammenhang mit seiner technischen Aeusserungsform gebracht worden ist, sondern auch zum Aeussern und Innern des ganzen Menschen, zu seiner Haltung, seiner Stimme, seinem Antlitz, seinem Lächeln, in so fein abgetönter Harmonie steht, als machte eben diese Persönlichkeit nebst der von ihr geschaffenen Lyrik erst vereinigt das eigentliche, wahre Kunstwerk aus. Gewiss ist das ein wenig paradox ausgedrückt, aber dem Kern nach verhält es sich so, und das erklärt manches von der schrankenlosen Bewunderung einerseits und der überzeugten Bemängelung der dichterischen Qualitäten Stefan Georges andererseits, die sich meist an die Erwähnung seines nicht viel, aber stets mit einem besondern Nachdruck genannten Namens zu schliessen pflegen. Für mich hat ein Gedicht noch niemals eine solche siegreiche und überwältigende Umwandlung erlebt, wie Stefan Georges Gedichte in seinem mündlichen Vortrag; es war, als wenn sorgfältig getrocknete und schön geordnete Blumenleichen aus einem Herbarium unversehens in einen blühenden Garten des Lebens zurücksprängen und jedes kleinste ihrer Blättchen goldgrün schimmernd in der Sommersonne dehnten. Dieses Bild ist bewusst falsch, insofern in der Lyrik Georges die reinen und strengen technischen Formen das Leben seines Kunstinhaltes keineswegs töten und austrocknen, vielmehr sich diesem gerade in allen seinen Nüancen so meisterhaft anschmiegen, wie es nur dem ganz grossen Techiker gelingt. Aber der Eindruck, den dieses falsche Bild vermittelt, ist dennoch im wesentlichen richtig, weil der Georgische Kunstinhalt in seiner Lyrik meistenteils so wenig den menschlichen Seelentiefen entnommen ist, einer so wenig komplizierten, packenden, innerlich ergriffenen Gemütsfülle zu entsteigen scheint, dass auch seine Wirkung nur eine ganz schwache Mitbeteiligung der tiefer liegenden Gefühlsschichten im Hörer zur Voraussetzung hat, und dieses schwache Anklingen an ein oberflächenhaftes Interesse konzentriert unwillkürlich unsere Aufmerksamkeit bewusster auf die technischen Ausdrucksmittel der Georgischen Poesie. Obgleich also in ihr selber Inhalt und Form mustergültig in einander aufgehen, kann es sehr leicht vorwiegend, ja weit überwiegend, das Formhafte sein, das unsere Bewunderung für diese Poesie fortwährend in Anspruch nimmt und fesselt, denn es enthüllt uns ihre originelle Note. Das wird nun ausgeglichen, wenn zum zurücktretenden Kunstinhalt die Persönlichkeit des Vortragenden tritt, die ihn dadurch, ohne dass sie es will, betont, indem sie ihn mit unwidersprechlichem Leben erfüllt, von dem wir nun nicht willkürlich auf die Form abgleiten können. Und dennoch bleibt die Wirkung eine rein künstlerische, nicht unkünstlerisch durch persönliche Mittel ergänzte, weil diese Persönlichkeit an sich gleichsam noch einmal ihr Kunstwerk wiederholt, noch einmal in ihrer ganzen menschlichen Aussenform gleichsam stilisiert symbolisch anmutet, als sei sie ihrerseits aus ihren eigenen Gedichten herausgesprungen und deren Geschöpf nicht minder wie deren Schöpfer.
Es wäre ja freilich ein wunderliches und lächerliches Paradoxon, damit sagen zu wollen, dass Georges Lyrik, deren Schönheit gerade ausschliesslich auf restlosem Aufgehen und Erledigtwerden der Gefühlsnüancen in der ihnen adäquatesten, in der künstlerisch beredtesten, Ausdrucksweise beruht, noch einer ausserhalb liegenden Hilfe, der Mithilfe einer Person, zur vollen Wirkung ähnlich benötige, wie etwa ein Bühnenstück des Schauspielers, der dasselbe vorführt. Nein, wie ich selbst zugegeben habe, liegt es am Hörer, wenigstens an ihm allein in vielen Fällen, wenn er nur so den ganzen [182] Genuss auskosten kann, aber es wäre anders, sobald die hohe Formenschönheit sich an einer tiefen und reichern Inhaltsfülle erproben wollte und auch diese, naturgemäss schwereren Aufgaben, ebenso meisterlich lösen. Sie werden nur höchst selten meisterlich gelöst in der heutigen Lyrik, soweit sie sich der Georgischen Kunstrichtung entgegengesetzt entwickelt: nämlich in die immer modernere Bewältigung alles dessen hinein, was das Seelenleben irgend in seinen Tiefen bewegt, – doch immerhin werden diese schwereren Aufgaben in Angriff genommen und manches starke, herrliche Talent ringt hingebend mit ihnen, das abseits von ihnen auch leichter und sicherer zur Formenschönheit gelangen könnte. Gegen George selbst enthält das, was aus seiner persönlichsten Eigenart quillt und vielleicht nur so die heimlichsten Seelenzüge seines abgeklärten Innern offenbart, keinen Vorwurf, er ist eben innerhalb dieser besondern Individualität eine indiskutable Welt für sich; aber für die Lyrik von heute bedeutet er kein Vorbild, sondern nur ein Korrektiv gegenüber Ausschreitungen und Uebertreibungen zur Formlosigkeit, eine Erziehung zu feinern rein technischen Gewöhnungen und Unterscheidungen, wie die deutsche Sprache sie noch so unendlich viel weniger kennt, als beispielsweise die ältere und verfeinerte französische Kultur. George ist ein Kulturträger im formellen Sinn, gerade wie die französischen Dekadenten es bis zu gewissem Grade auch schon für uns geworden sind; seine Poesie wird auch oft zur Dekadenz-Poesie gezählt, doch mit Unrecht, denn sein Zurückgreifen auf altertümelnde Stoffe und seine lyrische Lebensfremdheit scheinen bei ihm vielweniger innern Gründen, innern Nöten des Erschöpfungszustandes zu entspringen wie bei den wirklichen Dekadenten, sondern vielleicht nur dem bessern Zusammenklingen seiner alten strengen Formen mit solchen Inhalten, die nicht zu nah, zu stark, zu modern wirken. Sonst wäre er uns nicht die Fülle seltsamer und unheimlicher Seelenregungen der Krankhaftigkeit schuldig geblieben, und würden wir auch bei seinen Schülern auf solche stossen; bei diesen finden wir aber immer nur erstens, zweitens und drittens die besondere Art der Georgischen Technik, und mir kommt es als ungemein charakteristisch vor, dass dasselbe technische Raffinement, welches in Frankreich die absterbende Gefühlskultur des Kranken, Perversen, Uebersensitiven begleitet, sich in Deutschland in einer Art von Kantschem Rigorismus mit Zurückdrängung der vorhandenen Innerlichkeit ausspricht, – im Gebot gleichsam: "habe als Dichter Form, und wenn deine Neigungen dafür zu leidenschaftlich sind, so reisse sie lieber aus und thue sie als Künstler von dir." Den Deutschen kann es passieren, dass der Kantsche kategorische Imperativ ihnen sogar aufs ästhetische Vermögen schlägt, und mit einer Variation des bekannten Schillerschen Verschens könnte man die missverstehenden Nachahmer Georges folgendermassen bezeichnen:
"Gern dichte ich Verse, doch thu' ich es leider mit Neigung,
Und so reut es mich oft, dass ich nicht künstlerisch bin."
Worauf es letzten Endes ankommt, Grund und Quelle jeglicher Kunst mit der ganzen Mannigfaltigkeit ihrer Formen, das sind nicht technische Fragen, sondern ewig und allein die Geheimtiefen der Menschenseele, die mit kunstschöpferischer Notwendigkeit, lebengestaltend und lebenumfassend, ans Licht wollen. In der Reife seiner Kultur fällt dem Volke, fällt dem Menschen erst die vollendete Fähigkeit zu, auch noch das Innerlichste künstlerisch zu veräusserlichen und auszudrücken: entscheidend aber bleibt der Gehalt dieser Innerlichkeit selbst. Denn auch das Künstlersein ist nur eine Form des Menschseins, – auch noch der intimste und heimlichste Kunstinhalt ist selber schon nur eine der Grundformen, in denen etwas Tieferliegendes, Ausschlaggebendes sich äussert, – und alle Kunst ist schliesslich doch nur eines der verborgenen Weglein, die aus dem Heiligtum des Menschlichen emporführen zu dessen Hallelujah und Lobgesang.
Erstdruck und Druckvorlage
Pan.
Jg. 4 (1898/99), Heft 3, November 1898, S. 177-182.
Gezeichnet: LOU ANDREAS-SALOME.
Die Textwiedergabe erfolgt nach dem ersten Druck
(Editionsrichtlinien).
Pan online
URL: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/pan
URL: https://bluemountain.princeton.edu/bluemtn/cgi-bin/bluemtn
URL: https://catalog.hathitrust.org/Record/100122278
Zeitschriften-Repertorien
Kommentierte Ausgaben
Werkverzeichnis
Verzeichnis
Michaud, Stéphane: Lou Andreas-Salomé.
L'alliée de la vie.
Paris: Édition du Seuil 2000.
S. 347-361: Sources manuscrites.
S. 363-371: Oeuvres de Lou, par ordre chronologique.
Andreas-Salomé, Lou: Hedda Gabler und ihre Stellung
zu den Familiendramen Henrik Ibsen's.
In: Die Moderne.
Halb-Monatsschrift für Kunst, Litteratur, Wissenschaft und sociales Leben.
1891, Nr. 1, 24. Januar, S. 15-19.
Vgl. Peter Sprengel (Hrsg.): Im Netzwerk der Moderne: Leo Berg. Briefwechsel 1884 1891.
Kritiken und Essays zum Naturalismus. Bielefeld 2010, S. 71. Anm. 138.
Andreas-Salomé, Lou: Henrik Ibsen's Frauen-Gestalten.
Nach seinen sechs Familiendramen:
Ein Puppenheim – Gespenster – Die Wildente –
Rosmersholm – Die Frau vom Meere – Hedda Gabler.
Berlin: Bloch 1892.
URL: https://haab-digital.klassik-stiftung.de/viewer/image/4268314679/2/
URL: https://archive.org/details/henrikibsensfrau00andruoft [2. Aufl. 1906]
Andreas-Salomé, Lou: Ideal und Askese.
Ein Beitrag zur Philosophie Fr. Nietzsches.
In: Der Zeitgeist. Beiblatt zum Berliner Tageblatt.
Nr. 20, 15. Mai 1893, S. *1-2.
URL: zefys.staatsbibliothek-berlin.de/list/title/zdb/27646518
Andreas-Salomé, Lou: Friedrich Nietzsche in seinen Werken.
Wien: Konegen 1894.
URL: https://archive.org/details/Andreas-Salome_1894_Nietzsche
PURL: http://resolver.sub.uni-goettingen.de/purl?PPN585105693
Andreas-Salomé, Lou: Grundformen der Kunst.
Eine psychologische Studie.
In: Pan.
Jg. 4 (1898/99), Heft 3, November 1898, S. 177-182.
URL: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/pan
URL: https://bluemountain.princeton.edu/bluemtn/cgi-bin/bluemtn
Andreas-Salomé, Lou: Der Egoismus in der Religion.
In: Der Egoismus.
Unter Mitwirkung von Lou Andreas-Salomé [u.a.] herausgegeben von Arthur Dix.
Leipzig: Freund & Wittig 1899, S. 383-402.
URL: https://digital.ub.uni-leipzig.de/mirador/index.php
URL: https://catalog.hathitrust.org/Record/100524130
Andreas-Salomé, Lou: Ketzereien gegen die moderne Frau.
In: Die Zukunft.
Bd. 26, 1899, 11. Februar, S. 237-240.
URL: https://de.wikisource.org/wiki/Die_Zukunft_(Harden)
URL: https://catalog.hathitrust.org/Record/000679567
Andreas-Salomé, Lou: Vom Kunstaffekt.
In: Die Zukunft.
Bd. 27, 1899, 27. Mai, S. 366-372.
URL: https://de.wikisource.org/wiki/Die_Zukunft_(Harden)
URL: https://catalog.hathitrust.org/Record/000679567
Andreas-Salomé, Lou: Erleben.
In: Die Zeit.
Bd. 20, 1899, Nr. 255, 19. August, S. 120-122.
[PDF]
URL: http://anno.onb.ac.at/cgi-content/anno?aid=zet
Andreas-Salomé, Lou: Lebende Dichtung.
In: Die Zukunft.
Bd. 62, 1908, 22. Januar, S. 262-267.
URL: https://de.wikisource.org/wiki/Die_Zukunft_(Harden)
URL: https://catalog.hathitrust.org/Record/000679567
Andreas-Salomé, Lou: Expression.
In: Das literarische Echo.
Jg. 19, 1916/17, Heft 13, 1. April 1917, Sp. 783-790.
URL: https://de.wikisource.org/wiki/Zeitschriften_(Literatur)#529664-x
URL: https://catalog.hathitrust.org/Record/100178380
Andreas-Salomé, Lou:
Dichterischer Ausdruck.
In: Das literarische Echo.
Jg. 21, 1918/19, Heft 6, 15. Dezember 1918, Sp.325-331.
URL: https://de.wikisource.org/wiki/Zeitschriften_(Literatur)#529664-x
URL: https://catalog.hathitrust.org/Record/100178380
Andreas-Salomé, Lou: Des Dichters Erleben.
In: Die neue Rundschau.
1919, April, S. 358-367.
URL: https://de.wikisource.org/wiki/Die_neue_Rundschau
URL: https://catalog.hathitrust.org/Record/007392290
Andreas-Salomé, Lou: Rainer Maria Rilke.
Leipzig: Insel Verlag 1928.
PURL: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:hbz:061:1-4303
URL: https://archive.org/details/b30010160
Andreas-Salomé, Lou: Lebensrückblick.
Grundriß einiger Lebenserinnerungen.
Aus dem Nachlaß hrsg. von Ernst Pfeiffer.
Frankfurt a.M.: Insel Verlag 1968.
Pfeiffer, Ernst (Hrsg.): Rainer Maria Rilke / Lou Andreas-Salomé: Briefwechsel.
Frankfurt a.M. u. Leipzig: Insel Verlag 1989 (= insel taschenbuch, 1217).
Bölsche, Wilhelm: Briefwechsel. Mit Autoren der Freien Bühne.
Hrsg. von Gerd-Hermann Susen.
Berlin: Weidler 2010 (= Wilhelm Bölsche: Werke und Briefe. Briefe, 1).
Richter, Sandra: Den neuen Glauben dichten.
Louise von Salomés unbekannte Briefe an Friedrich Theodor Vischer (1880 und 1881).
Mit einem Abdruck der Originaltexte.
In: Euphorion 104 (2010), S. 17-41.
Andreas-Salomé, Lou: Lebende Dichtung.
Aufsätze und Essays.
Bd 3.1: Literatur I.
Hrsg. von Hans-Rüdiger Schwab.
Taching am See: MedienEdition Welsch 2011.
Andreas-Salomé, Lou: Lebende Dichtung.
Aufsätze und Essays.
Bd 3.2: Literatur II / Ästhetische Theorie.
Hrsg. von Hans-Rüdiger Schwab.
Taching am See: MedienEdition Welsch 2013.
Andreas-Salomé, Lou: Friedrich Nietzsche in seinen Werken.
Herausgegeben und mit einem Nachwort versehen von Daniel Unger.
Taching am See: MedienEdition Welsch 2019.
Ungekürzte Ausgabe nach der Erstpublikation von 1894.
Literatur: Andreas-Salomé
Benert, Britta / Weiershausen, Romana (Hrsg.):
Lou Andreas-Salomé. Zwischenwege in der Moderne.
Sur les chemins de traverse de la modernité.
Taching 2019.
Brandmeyer, Rudolf: Poetiken der Lyrik: Von der Normpoetik zur Autorenpoetik.
In: Handbuch Lyrik. Theorie, Analyse, Geschichte.
Hrsg. von Dieter Lamping.
2. Aufl. Stuttgart 2016, S. 2-15.
Brinker-Gabler, Gisela: Image in Outline.
Reading Lou Andreas-Salomé.
New York, NY 2012 (= New Directions in German Studies, 6).
Eschenbach, Gunilla: Imitatio im George-Kreis.
Berlin u.a. 2011.
Vgl. S. 276-277.
Gjesdal, Kristin / Nassar, Dalia (Hrsg.):
The Oxford Handbook of Nineteenth-Century Women Philosophers in the German Tradition.
Oxford 2024.
Holzer, Angela: Lou Andreas-Salomé: Komplikationen einer Rezeptionsgeschichte,
Ausgrabungen einer Perspektive.
In: "- ein Leser, wie ich ihn verdiene".
Nietzsche-Lektüren in der deutschen Philosophie und Soziologie.
Hrsg. von Eike Brock u. Jutta Georg.
Berlin 2019, S. 7-24.
Hummel, Pascale (Hrsg.): Lou Andreas-Salomé, muse et apôtre.
Paris 2011.
Kauko, Miriam (Hrsg.): Gendered Academia.
Wissenschaft und Geschlechterdifferenz 1890 - 1945.
Göttingen 2005.
Kuharenoka, Tatjana: Dokument, Selbstbeschreibung oder ästhetischer Diskurs?
Vermittlungsformen des Ich in der epistolaren Kommunikation von Schriftstellern:
Der Fall Lou Andreas-Salomé.
In: Scriver lettere/Briefe schreiben/Écrire des lettres:
Tipologie, fruizione, corpora/Typologie, Verwendung, Korpora/Typologies,
utilisation, corpus.
Hrsg. von Enrico Garavelli u. Hartmut E. H. Lenk.
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Martus, Steffen: Werkpolitik.
Zur Literaturgeschichte kritischer Kommunikation vom 17. bis ins 20. Jahrhundert;
mit Studien zu Klopstock, Tieck, Goethe und George.
Berlin u.a. 2007 (= Historia Hermeneutica; Series Studia, 3).
Vgl. S. 618-619.
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In: Kulturtransfer um 1900. Rilke und Russland.
Hrsg. von Dirk Kemper u.a.
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Russland und seine Literatur in der deutschsprachigen
literarischen Kritik (1897-1921) von Lou Andreas-Salome.
In: Kulturen der Kritik und das Projekt einer mitteleuropäischen Moderne.
Hrsg. von Sibylle Schönborn u. Fabian Wilhelmi.
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Schwab, Hans-Rüdiger: "Zu meinem Gedächtnis".
Nietzsche und Lou Andreas-Salomés 'Gebet an das Leben'.
In: Nietzsche und die Lyrik. Ein Kompendium.
Hrsg. von Christian Benne u. Claus Zittel
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Katharsis und ästhetische Lust in der psychologischen Ästhetik um 1900.
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Literatur: PAN
Cagneau, Irène: Sexualité et société à Vienne et à Berlin (1900 1914).
Discours institutionnels et controverses intellectuelles
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Das "Pan"-Paradigma und die Widerständigkeit der "Jugend" am Beispiel von Gedicht-Bild-Kombinationen.
In: Illustrierte Zeitschriften um 1900.
Mediale Eigenlogik, Multimodalität und Metaisierung.
Hrsg. Von Natalia Igl u. Julia Menzel.
Bielefeld 2016, S. 313-340.
Edition
Lyriktheorie » R. Brandmeyer