Werner Hahn

 

II. Lyrische Gattungen.

§. 108. Eintheilung.

 

 

Text
Editionsbericht
Literatur

 

 

Die lyrischen Gattungen zerfallen nach der Richtung des menschlichen Inneren, das den Stoff zum Dichtwerke giebt, in zwei Gruppen:

[279] 1. die eigentlich lyrischen Gattungen, in denen das Seelenleben d. i. Erregungen, Stimmungen, Empfindungen zum Ausdruck kommen.

2. die didaktischen Gattungen, in denen das Geistesleben d. i. Erkenntisse, Urtheile, Lehren zum Ausdruck kommen.

"Eigentlich lyrisch" wird die erste Gruppe genannt, weil das, was in Dichtungen dieser Árt zum Ausdruck kommt d.i. die Seele mit dem Wogen der Stimmung zwischen Freude und Trauer, Mögen und Abwehren, Hoffen und Verzagen, Lieben und Hassen, die unnittelbare Art des menschlich Subjektiven ist, in dessen Ausdruck die lyrische Poesie überhaupt besteht (§. 23). "Didaktisch" (von διδάξω, §. 96) werden die Dichtungen der zweiten Gruppe nach den Wirkungen genannt, die von ihnen ausgehen. Was in ihnen zum Ausdruck kommt, ist nicht das unmittelbar Subjektive, sondern das vermittelt Subjektive im Menschen d. i. das Denken, Forschen und Erkennen, den Gegenständen, Verhältnissen und Vorgängen der Welt gegenüber.

In der "eigentlich lyrischen" Poesie redet die geisterfüllte Seele; in der "didaktischen" der seelenvolle Geist.

 

 

 

 

Erstdruck und Druckvorlage

Werner Hahn: Deutsche Poetik.
Berlin: Hertz 1879, S. 278-279.

Die Textwiedergabe erfolgt nach dem ersten Druck (Editionsrichtlinien).

URL: https://books.google.fr/books?id=juwFAAAAQAAJ

 

 

Literatur

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