Emil Kuh

 

Neuere Lyrik.

Erster Artikel.

 

 

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Editionsbericht
Literatur

 

[225] Sie haben mich aufgefordert, über das, was auf dem Gebiete der Lyrik in jüngster Zeit geleistet worden, für die "Wochenschrift" zu schreiben. Als Sie dies thaten, dachte ich bei mir: Du sprichst ein großes Wort gelassen aus. Und als ich die dreißig bis vierzig Bände und Bändchen überschaute, welche sich auf meinem Bücherschranke eingefunden, sammt und sonders mit der Prätension für lyrische Gedichte gehalten zu werden, da wurde mir schlimm zu Muthe. Wie sollte es auch nicht! Auf viele Verfasser, welche die Bezeichnung Poeten verdienen, durfte ich zum voraus nicht rechnen, wohl aber auf eine Anzahl Menschen und Leute – um mit Bogumil Goltz zu unterscheiden – die mir allerlei von sich und über sich zu sagen haben, das ich nicht zu erfahren wünsche und das die mißtrauische und furchtsame Stimmung, in der ich an die Sänger herangetreten, zu einer trostlosen oder erzürnten steigern wird.

Nirgends in der Poesie hat das Wohlwollen des Betrachters einen so harten Stand, wie in der Lyrik; kein Kreis der Kunst nöthigt dem ehrlichen Kritiker so strenge Forderungen ab, wie der lyrische. Denn die Lyrik, als der Ausdruck des vorzugsweise Persönlichen im Dichter, erweckt, sobald dieses Persönliche nur mäßig anmuthet, oder beleidigt, oder gar abstößt, leicht jenen Mißmuth, jenen Widerwillen in uns, welche die Wirklichkeit erzeugt, und läßt uns solcher häßlicher Regungen um so schwerer Meister werden, als wir uns zugleich sagen: warum mußt du vom sogenannten schönen Schein das nämliche erdulden, woran du schon im täglichen Leben zur Genüge hast, warum dort mit Individuen verkehren, denen du gewiß auf der Straße ausweichen, die du niemals ohne Noth besuchen würdest!? Ja die Wirklichkeit, wenn sie uns einen langweiligen Schwätzer, einen Heuchler, einen Gecken zuführt, bietet uns dabei oft Ersatz durch einzelne Züge, die unsere Menschenkenntniß bereichern, und das tägliche Leben, das uns mit Diesem und Jenem, der uns unangenehm oder lästig, in Berührung bringt, ist dabei stets naiv und gestattet uns den Widerspruch, die Ablehnung und Zurechtweisung. Die unzulänglichen und mittelmäßigen Lyriker dagegen mahnen uns nur durch das Gewöhnliche und Platte ans Wirkliche, durch Affectation und Unwahrheit an ihre Beziehungen zur Kunst, und zwingen uns obendrein, stumm zu bleiben wie die Fische, bis uns als Recensenten das zweifelhafte Glück zu Theil wird, unserem Aerger Luft zu machen. Am wenigsten verdrießlich stimmen uns die harmlosen [226] Lyriker, denen es Bedürfniß zu sein scheint, in Versen auszusprechen, wie gut und wie schlimm es ihnen durch eine Reihe von Jahren ergangen, welche Wonne der Frühling überhaupt gewährt, welches besondere Vergnügen eine Mondnacht, wie eindringlich der Anblick des Sternenhimmels die göttliche Allmacht verkündet, wie erhebend ein Gewitter, namentlich in den Alpen, zu wirken vermag. Insolange wir diese Wahrnehmungen und Empfindungen ohne Umschweife vortragen hören, ist die Sache noch ganz leidlich; weitaus mißlicher aber wird sie, wenn wir uns dabei plagen müssen: wenn wir den landläufigsten Einfall hinter einem scheckigen Kleide zu suchen, das schwächlichste Gefühl in seiner Vermummung von Bildern und Vergleichen zu entdecken, wenn wir der Trivialität so zu sagen auf den Maskenball zu folgen haben. Diese schlauen Lyriker können einen mit aufrichtiger Betrübniß erfüllen. Eine dritte Abtheilung bilden die Lyriker der "Richtungen", der philosophischen, religiösen, politischen, "modernen". Was unter der letztgenannten verstanden wird, weiß ich nicht genau, aber sie soll sehr wichtig und in allen Fächern der Kunst vertreten sein, wie mehrere Litterarhistoriker der Neuzeit, ich wollte sagen der "Jetztzeit", meinen.

Ist es erlaubt, so zu spötteln? Es ist erlaubt, denn auch die Lyriker haben nichts gelernt und nichts vergessen. Und wenn irgendwo die Aeußerung August Wilhelm Schlegels: "Die Kritik ist die Kunst, die Scheinlebendigen in der Litteratur zu tödten" volle Berechtigung hat, so hat sie sie angesichts des Verfahrens der unerbittlichen Kritik gegen die lyrischen Halbtalente. Diese allein tragen zumeist die Schuld an der Theilnahmslosigkeit, mit der jetzt das Publicum alle Lyrik zu betrachten und die Folgen des Nachahmens und Stümperns in ihr mit den Wirkungen der Gattung selbst zu verwechseln anfängt.

Des Lebens Leid und Lust, das Jauchzen und das Bangen des glücklichen und des unglücklichen Herzens, die Heiterkeit, der Zauber und das Unheimliche der Jahreszeiten und Naturereignisse: von der schönsten, mannigfaltigsten Lyrik, deren ein Volk sich rühmen kann, ist es in Deutschland bald einfach, bald prächtig, hier spielend, dort tiefsinnig, ist es ernsthaft, pathetisch, mystisch, lachend, tändelnd und muthwillig gesungen und besungen worden. Mit der Orgel hat die Lyrik um die Wette gebraust, mit dem schmuckloseren Glauben der Protestanten hat sie gen Himmel geschaut und sich mit der namenlosen Sehnsucht der Romantiker an den katholischen Gottesbegriff wieder angeschmiegt. Im Lehrhaften hat die unreife philosophische Lyrik gestottert, zum abstract Erhabenen ist sie langsam emporgestiegen, um von der Fülle der Anschauung getränkt in Schiller ihre höchsten Triumphe zu feiern. In holdseliger Unbeholfenheit hat das Liebeslied lange sein Dasein gefristet, zu einer künstlichen Kunst ward es später ausgebildet, zum volksthümlichen Handwerk dann herabgedrückt, um nach vielfachen Wandlungen bei Goethe, unter dem Schutze der verklärenden Musen, die ursprüngliche Anmuth wiederzuerlangen. Bieder und nützlich war die Lyrik bei Haller, rührend fromm und sänftlich bei Hölty, derb sinnlich und etwas schlüpfrig bei Bürger, kriegerisch gelaunt bei Gleim, idyllisch philisterhaft bei Voß. Religiös und speculativ in Einem Athem traf sie in [227] Novalis hervor, einen erschlichenen Volkston schlug sie bei Brentano an, einen halb einfältigen, halb leidenschaftlichen bei Achim v. Arnim, und in einer Mischung von Schwung und Grübelei gefiel sie sich bei Hölderlin. Lateinische Gewichte hängte ihr Platen an, in orientalische Gewänder kleidete sie Rückert. Märchenhaft bannend, süß umstrickend, in jüdischen Lauten winselnd und französische Weisen trällernd klang sie bei Heine, während sie sich mit männlicher Keuschheit hinter Uhland versteckt hatte, schämig und schalkhaft mit Mörike sprach, dunkel und gespenstisch aus Justinus Kerner tönte. Aber damit waren die Spielarten der Lyrik nicht erschöpft. Das geziert Buccolische hatte sie neben der Frömmelei aufzuweisen, den echten Freiheitsgesang neben den falschen Kaiser- und Fahnenliedern. Die verschiedenen Gaue Deutschlands entwickelten ihre eigenthümliche Lyrik; Ost- und Nordsee plauderten lyrisch ihre Geheimnisse aus, die großen und kleinen Ströme erzählten lyrisch von ihren Reizen; Haideland, Schilf und Moor von ihren grausigen Schönheiten, ihrer fesselnden Monotonie; den Krähen in Westphalen lieh Annette Droste eine so beredte Zunge, wie Mörike den Störchen in Schwaben und was die Woge am Helgolander Felsen gemurmelt, das verrieth Heine so wunderbar, wie Uhland das Rauschen des Weißdorns im Württemberger Land gedeutet. Und wo Lücken sich zeigten im landschaftlichen Bilde der deutschen Lyrik, da waren rasch die Dialektdichter da und bevölkerten die leeren Stellen mit allemanischen und plattdeutschen, niederschlesischen und oberösterreichischen Figuren. Den "Stimmen der Völker" schlossen sich gleichsam die Trachten der Nationen an. Hatte uns Herder die Seelen herübergebracht, ein wahrer litterarischer Charon, so holte nun Freiligrath die Felle, die Brokate und Teppiche aus fremden Zonen und ließ es dabei nicht bewenden; in Bälde athmete unsere Lyrik die feuchte Wärme eines Treibhauses voll erotischer Blumen und Sträucher. Aber ehe man sich's versah, hatte sie aufs Neue ihre Physignomie verändert, hatte zur Trompete und zum Zeitungsblatte gegriffen, war bei Herwegh und Anastasius Grün, Dingelstedt, Hoffman v. Fallersleben politisch, bei Karl Beck und Freiligrath socialistisch geworden und nahm bei Nikolaus Lenau die Doppelgestalt der ewigen Klage und des religiösen Zweifels an, welcher den Tendenzen der Zeit zu dienen weiß. Müde, überreizt griff die erschlaffte Lyrik nach den Stoffen zurück, welche man in den erregten Tagen vor dem Jahre 1848 und während der Stürme der Revolution offen und stillschweigend als überwunden erklärt hatte. Und es fingen die mehr oder minder gelungenen Wiederholungen jener Lyrik an, welche in den großen Poeten zu harmonischem Abschluß gediehen war und in den Specialitäten die Stufenleiter des Eigenthümlichen durchlaufen hatte. Eine vorwiegend weibische Lyrik kam aufs Tapet und nur Friedrich Hebbel, der Dramatiker, reichte uns eine lyrische Sammlung dar, wo ein bedeutender und origineller Mensch sein innerstes Wesen nach allen Seiten entfaltet. Die Repetitionslyrik der nachmärzlichen Epoche erinnert an dieselbe Erscheinung zu Ende des 18. Jahrhunderts, als die Göttinger und Berliner Musenalmanache eine Lyrik ausstellten, deren Unsicherheit, beim Alten zu verharren, und deren Bemühen, Neues hervorzurufen, das einzig Ergötzliche [228] war, das sie zu Tage förderte. Tieck hat mehrere der erwähnten Bücher besprochen und allgemeine Wahrheiten an seine Urtheile geknüpft, welche sich gewisse Lyriker der Gegenwart einprägen sollten, vorausgesetzt, daß sie neben dem Singen noch Muße behalten, sich mit den Schriften unserer hervorragenden Autoren zu beschäftigen. Eine der Schlagstellen bei Tieck lautet:

"Wenn wir die lyrische Dichtkunst der Neuern, vorzüglich aber der Deutschen betrachten, so glauben wir beim ersten Anblick ein höchst verworrenes, seltsames Gemisch zu erblicken, das sich aber bald bei näherer Untersuchung in wenige Bestandtheile zerlegen läßt. Größe und Würde find fast gänzlich verschwunden, und aus dem großen Gebiete haben wir nur das Lied zurückbehalten. Wenn man die Sammlungen von Gedichten aufschlägt, so findet man, daß es jedem Dichter auferlegt ist, über Liebe, Wein, Trennung, Wiedersehen u. dgl. zu singen. In diesen Darstellungen der Empfindnng herrscht zum Theile triviale, unpoetische Allgemeinheit oder uninteressante Sinnlichkeit. Viele Trinklieder enthalten nichts als Anrufungen an das Vergnügen und den Wein, Beschreibungen der Götter, die da sind oder kommen sollen, und man wird durch die Maske des Dichters seine Nüchternheit gewahr, und daß er nichts thut, als in einem Anstoß von Reimsucht ein Pensum ausarbeiten, oder man fühlt wirklich die thierische Begierde des Verfassers nach dem edlen Naß oder dem Pokal, dem Humpen etc., und wir haben dasselbe Gefühl, als wenn wir uns in einer ungesitteten Gesellschaft befänden. Die Liebe wird entweder als Sehnsucht verarbeitet, oder der Dichter fingirt eine Trennung, oder daß er sich nicht entdecken will u. dgl. Andere, um uns recht das Absichtliche ihrer Maske empfinden zu lassen, wollen auf der einen Seite in Melancholie sterben, weil die Schöne ungetreu ist, und in demselben Almanache treffen wir sie wieder, wie sie damit umgehen, den Sorgenbrecher oder die Morgenröthe zu besingen, ohne daß sie des vorigen Gelübdes ihres Todes eingedenk sind. Wenn man Schillers und Goethe's Gedichte im Sinn behält, die alle eine freie Natur und edle Individualität aussprechen, die unser schönstes Gefühl wecken, ohne uns einzuschränken, die sich in jedem Moment ihrer verklärten Existenz so ganz hingeben, mit ihrer Musik unsere innersten Gedanken und dunkelsten Empfindungen ansprechen und begrüßen, die das Ferne mit dem Naheliegenden, das Seltene und Hohe mit dem Gewöhnlichen verbinden und uns so unser eigenes Wesen lieb und theuer machen: dann weiß man nicht, zu welcher Gattung man die meisten dieser undichterischen Dichter rechnen soll. Man lachte, als Withöft statt der gewöhnlichen Weinlieder Lieder auf den Kaffee machte, aber mich dünkt sehr mit Unrecht. Es ist wunderbar, daß das schöne Lied an die Freude nicht mehr auf die übrigen Dichter gewirkt hat, nicht, daß ich verlange, sie sollten diesen Ton nachahmen, daß alle Freudenlieder diesem ähnlich klingen sollten; ich wundere mich nur darüber, daß sie nicht darauf kommen, seit sie das Beispiel vor sich haben, sich und ihr Glück, die Begeisterung, die sie zum Singen treibt, auf eine edlere Art zu empfinden. Aus einem einzelnen Scherze im Anakreon hätte nicht müssen eine Gattung gemacht werden; weil er so wie Horaz den Wein lobt, so folgt daraus [229] noch nicht, daß der Wein an sich etwas Dichterisches sei, oder daß jeder, der gern Wein trinkt, es uns auch in Versen sagen müsse, oder sich gar nur so anstellen, um nicht ohne Trinklieder aufzutreten, damit er als ein completer Dichter erscheine.

In der neuesten Zeit hat man das Gebiet der poetischen Ergötzung noch weiter ausgedehnt, weil man die Einförmigkeit empfand. Bischof, Punsch, Thee sind auch dichterisch gewürdigt, und man sollte Withöfts Kaffeelieder von neuem auflegen; wir sind aber nicht bloß bei den Getränken stehen geblieben, sondern viele Arten Braten, so wie Kartoffeln, mehrere Obstsorten können sich rühmen, besungen zu sein. Restaurateurs, so wie Kaffeeschenker können aus unseren geschätzten und gelesenen Dichtern Verse auf ihren Tafeln brauchen. Wir sollten ja nicht die alten nun vergessenen Lieder zum Lobe des Tabaks, des Bieres und Branntweines verachten; dann sind wir wenigstens sehr inconsequent.

Die Dichtkunst hat sich aber daran nicht begnügt, sondern ist noch einen Schritt weiter gegangen. Es könnte wohl neugierige Leute geben (und ich bin sogar überzeugt, daß es deren giebt), die gerne wissen möchten, wie einem Milchmädchen beim Melken zu Muthe wäre, was eine Bleicherin auf der Bleiche dächte wie ein Bauernjunge oder ein Küster seine Liebesempfindungen ausdrückte; allen diesen Leuten kommt unsere Dichtkunst mit vollen Taschen entgegen."

Beinahe siebenzig Jahre sind verflossen, seit Tieck dies geschrieben. Schon damals litt die Lyrik an den Krankheiten, die wir heute als Modificationen der Gesundheit gelten lassen sollen, schon damals mußte ein Dichter, bei dem man die liebevolle Pflege des Guten, wo immer er es in der Kunst antraf, wahrlich nicht vermissen wird, die Waffen der Ironie, der Satyre gegen die "Producenten" kehren. Was würde er zu den jetzigen Bestrebungen sagen, die darauf hinzielen, der Lyrik den ihr ureigenen Bogen zu rauben, ihre specifische Form zu zerbrechen, – was "sie erweitern" genannt wird – und die Kunstgattungen zusammen zu schmelzen, was vielleicht eine "moderne Errungenschaft" heißt. An diesem Punkte eben steht unsere Lyrik. Für Emanuel Geibel, den begabtesten Vertreter der nachmärzlichen Lyrik, war nach der überschwänglichen Verehrung, die man ihm gezollt, kein Enthusiasmus mehr vorhanden, Otto Roquette's Gedichte, die erst überschätzt worden, theilten hierauf das Schicksal eines abgestandenen Maitranks und Oskar v. Redtwitz' geistliche Lyrik, die anfangs zu Parteizwecken benützt worden, erschien auch den weniger Einsichtigen binnen kurzem als ein Singsang.

Der Drang nach dem Unerhörten, nie Dagewesenen, der das Schwinden des schöpferischen Geistes in der Poesie gewöhnlich begleitet, erhielt willkommene Nahrung, als Hermann Lingg auftauchte, mit so viel Talent ausgerüstet, um auch die Gebildetsten und Vorsichtigsten zu blenden und über das Gefährliche des Weges, den die Lyrik bei ihm eingeschlagen, zu täuschen. War es auch mit der Neuheit der Lingg'schen Darstellungsweise, was ich vor Jahren an einem anderen Orte nachzuweisen suchte, nicht ganz so beschaffen, wie es rechts und links geglaubt und verkündet wurde, so war doch in Lingg der Grundzug entschieden neu, die ganze Welt- und Naturgeschichte lyrisch zu verwerthen, die Lyrik zum Organ der unpersönlichen [230] Gedanken und Empfindungen hinaufzuschrauben. Die Lyrik soll plötzlich im schlimmen Sinne objectiv werden, indeß das neuere Drama (bei Hebbel und Otto Ludwig) zu tief ins individuell Erlebte sich versenkt hat, und das neuere epische Gedicht verschwenderisch mit lyrischen und dramatischen Mitteln arbeitet. Ich kenne eine Production von J. L. Klein, "Babiana" betitelt, welche in Hinsicht auf poetische Grenzverwirrung daß Außerordentliche leistet, und ich kenne eine Anzeige dieser Production, welche, "Die Tendenzidylle" überschrieben, es dem Poeten zum ungemeinen Verdienste anrechnet, daß er "die Idylle zu einem großartigen culturgeschichtlichen Bilde erhoben", daß "seine Intentionen, dem Geiste unserer Gesammtentwicklung entsprechend, überall die traditionelle Kunstform durchbrechen", da wir "hier kein ruhiges Epos erwarten dürfen, wo der Dichter die Unruhe der Zeit in sich aufgenommen hat". Daß der Einbruch in die Kunst nicht nur in der Poesie geschehen, sondern auch in der Musik und Malerei, wie Theorie und Praxis Richard Wagners, wie die Fresken Kaulbachs im neuen Museum zu Berlin bezeugen, ist aller Welt bekannt. Als ob Lessing für die Wilden seinen "Laokoon" veröffentlicht hätte.

Unter den lyrischen Novitäten, denen meine nächsten Artikel gewidmet sind, gehören die meisten den harmlosen und den schlauen Sängern an, die ich im Beginne meines Aufsatzes charakterisirt habe, wenige rühren von bewährten Dichtern her, die bereits ihren Platz an der lyrischen Tafelrunde sich erobert, und einzelne nimmt man wahr, die bei ihrer Unfertigkeit im Ganzen und Großen merkwürdige Elemente veranschaulichen, denen man, wenn nicht stets ein künstlerisches, so doch ein menschliches Interesse entgegenbringt.

 

 

 

 

Erstdruck und Druckvorlage

Oesterreichische Wochenschrift für Wissenschaft, Kunst und öffentliches Leben.
Beilage zur k. Wiener Zeitung.
Jg. 1865:
Bd. 5: Nr. 8, 10, 11, 12, 22, 23, 24
Bd. 6: Nr. 26, 27.

Unser Auszug: Nr. 8, [Februar], S. 225-230.

Gezeichnet: Emil Kuh.

Die Textwiedergabe erfolgt nach dem ersten Druck (Editionsrichtlinien).

URL: http://data.onb.ac.at/rep/1037FEAB
URL: https://archive.org/details/oesterreichischewochenschriftfurwiss5
URL: https://books.google.fr/books?id=ocMLAAAAYAAJ

 

 

Repertorien (Zeitschriften, Zeitungen)

 

als selbständige Veröffentlichung

 

 

Literatur

Begemann, Christian / Bunke, Simon (Hrsg.): Lyrik des Realismus. Freiburg i.Br. u.a. 2019.

Brandmeyer, Rudolf: Poetiken der Lyrik: Von der Normpoetik zur Autorenpoetik. In: Handbuch Lyrik. Theorie, Analyse, Geschichte. Hrsg. von Dieter Lamping. 2. Aufl. Stuttgart 2016, S. 2-15.

Göttsche, Dirk: Poetiken des 19. Jahrhunderts (Realismus). In: Grundthemen der Literaturwissenschaft: Poetik und Poetizität. Hrsg. von Ralf Simon. Berlin u. Boston 2018, S. 175-200.

Pott, Sandra: Poetiken. Poetologische Lyrik, Poetik und Ästhetik von Novalis bis Rilke. Berlin u. New York. 2004.

Pott, Sandra: Poetologische Reflexion. Lyrik als Gattung in poetologischer Lyrik, Poetik und Ästhetik des 19. Jahrhunderts. In: Lyrik im 19. Jahrhundert. Gattungspoetik als Reflexionsmedium der Kultur. Hrsg. von Steffen Martus u.a. Bern u.a. 2005 (= Publikationen zur Zeitschrift für Germanistik; N.F., 11), S. 31-59.

Ruprecht, Dorothea: Untersuchungen zum Lyrikverständnis in Kunsttheorie, Literarhistorie und Literaturkritik zwischen 1830 und 1860. Göttingen 1987 (= Palaestra, 281).

Smidt, Irmgard (Hrsg.): Gottfried Keller - Emil Kuh. Briefwechsel. Stäfa (Zürich) 1988.

Trilcke, Peer: Lyrik im neunzehnten Jahrhundert. Ein kommentiertes Datenreferat zu populären Poetiken. In: Grundfragen der Lyrikologie. Bd. 2: Begriffe, Methoden und Analysedimensionen. Hrsg. von Claudia Hillebrandt u.a. Berlin u. Boston 2021, S. 67-92.

Zymner, Rüdiger: Theorien der Lyrik seit dem 18. Jahrhundert. In: Handbuch Lyrik. Theorie, Analyse, Geschichte. Hrsg. von Dieter Lamping. 2. Aufl. Stuttgart 2016, S. 23-36.

 

 

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