Text
Ferdinand Freiligrath
Moritz Graf Strachwitz
Annette von Droste-Hülshoff
Editionsbericht
Literatur: Herbst
Literatur: Daheim
Wer mag es leugnen, unsre poetische Literatur liegt wie eine
Spätherbstlandschaft vor uns. Die Sonne der classischen Zeit ist
längst zur Rüste gegangen, alles gemahnt uns an Stoppeln und fallendes
Laub, an Zugvögel und stille Tage; heisere Raben genug, nur hie und da
noch eine vereinzelte Lerchenstimme als Erinnerung an die wärmere Zeit.
Daß dem so ist, sagt sich jeder, der einige Selbst- und Zeiterkenntniß
hat. Darum aber Schweigen zu gebieten, wie ein berühmter Literarhistoriker
thut, die Geister, alt und jung, von dem Musenberg weg auf den Staat
verweisen als auf das allein begehrenswerthe Ziel unsrer Zeit, – dies
Ansinnen ist so nutzlos wie verkehrt. Dem Deutschen das Singen und
Dichten wehren! – Das gelingt keinem Dictator. Fast nie fließen die
geistigen Lebensströme eines Volkes gleichzeitig gleich stark und
mächtig. Aber, scheinbar stockend und pausirend, ziehen sie doch unter
der Erde verborgen weiter, brechen, wenn ihre Zeit erfüllt ist, an andrer
Stelle lebendig mächtig, nur andersartig hervor. Die geistigen Kräfte
folgen dem Gesetz der Ablösung, des Ausruhens. Der Scheidegruß eines
scheinbar ersterbenden Lebens ist die Hoffnung eines künftigen. Ja wir
harren auch hier eines herrlicheren Frühlings.
Die Lyrik ist der ursprünglichste dauerntste unsterblichste Zweig
am Baum der Dichtung, und von ihr gilt am ehesten, was ein Dichter sagt,
daß der letzte Mensch auch der letzte Dichter sein werde. Sind also auch
die Poeten der letzten Jahrzehnte Epigonen gegen ein größeres Geschlecht
der Vergangenheit, – dennoch ist da noch Leben und Schönheit genug, um
den Blick wieder und wieder anzuziehen. Und solche Umschau gehört vor
vielen zu den Aufgaben des "Daheim", das den deutschen Familientisch
beleben und schmücken will. Nicht mit allen Geistern fraternisiren will
und darf es, aber das Echte und Große überall suchen, zeigen, daß in der
Dichtung Wahrheit und Schönheit im Bunde das Höchste schaffen, daß nur
das reinste Dichterherz und das hellste Dichterauge Gott schauen; in der
Mannigfaltigkeit dieses vielfarbigen Lebens das Eine und Göttliche
finden, die Irrwege kennzeichnen, finden, die Irrwege kennzeichnen, –
das ist das Ziel dieser Lebensbilder. Daß sie altbekannte Dinge bringen,
liegt in der Natur der Sache, aber das Nächste rechnet auch auf das
größte Interesse, und immer mag eine erneuerte Beleuchtung hier und da
auch ein neues Streiflicht auf die alten Bekannten fallen lassen.
Zeitgenössische Geister gehören noch nicht zu dem schweigenden Chor
der Geschichte, sie reden und streiten noch mit in dem Kampf unsrer
Tage. Daher handelt es sich hier nur um bescheidene Einzelbilder,
nicht um ein größeres historisches Bild.
I.
Ferdinand Freiligrath.
[25] Ein halbverklungener Name und einst auf allen Lippen! Woher der Ruhm, warum dies Vergessen? Als hätte der Dichter selbst sein Geschick geahnt, singt er in dem "ausgewanderten Dichter," überhaupt dem Spiegelbild seines eignen Lebens:
"Ich bin nun lange drüben schon vergessen,
Wer jetzt noch lauschte meinen Klängen?"
Die Antwort auf die obige Frage gibt des Dichters Leben und die Art seiner Poesie. Ja, das Leben, das innere wie das äußere ist auch hier der Schlüssel zum Verständniß der Dichternatur, ihrer Eigenart und ihrer Verirrungen.
Wer Freiligraths Heimatsort,
*)
die anmuthige kleine Residenzstadt
Detmold betritt – eine der wenigen deutschen Residenzen, die noch bis
heute von keiner Eisenbahn aus ihrem Stillleben aufgeschreckt worden, –
der mag sich wundern, daß von dieser friedlichen Stätte zwei deutsche
Dichter ausgingen, die beide ein Bild nicht des innern Friedens,
vielmehr der Disharmonie und Zerrissenheit unsrer Zeit geben, bei dem
einen bis zur Zerrüttung des Geistes – die nahe befreundeten Freiligrath
und Grabbe. Der eine singt vom andern,
"der Dichtung Flamm' ist allezeit
ein Fluch." Auch für Freiligrath, der die Worte geschrieben, ist die
Gottesgabe nicht zum Segen geworden, aber wahrlich nicht durch die
Schuld des Gebers und der Gabe. Ueber ein andres noch dürfen wir uns
wundern, wenn wir des Dichters Wiege betrachten. Es ist der classische
Boden des Teutoburger Waldes. Nahe dabei das Varus-Schlachtfeld, um das
einst die Schwerter stritten und noch heute die Federn streiten. Unweit
der Stadt die Grotenburg mit ihrer großen Umschau über eine echt deutsche
Landschaft, jetzt mit dem werdenden Hermannsdenkmal. Fast nichts von diesen
vaterländischen Erinnerungen, die jene laubbewaldeten Höhen umschweben,
tritt in den Kreis von Freiligraths Dichtung. Ja, das Nationale ist darin
fast bis zum letzten Rest ausgetilgt, das Provinzielle erscheint nur in
vereinzelten Lauten der Sehnsucht, soll ich sagen des Heimwehs? Der
"ausgewanderte Dichter" klagt:
Ich lag heut Nacht in süßen stillen Träumen
Von meiner Heimat und von meinen Lieben.
Ich wandelte bei meiner Kindheit Bäumen,
Wie ich wohl wünschte, daß sie mich begrüben.
Und die "Tanne" schließt:
O stilles Leben im Walde!
O grüne Einsamkeit!
O blumenreiche Halde!
Wie weit seid ihr, wie weit! –
Bei einer "Erika," **) die in weit späterer Zeit der verbannte Dichter seiner Frau zum Geburtstage reicht, fällt ihm die haideumsponnene Heimat ein:
"Und auch bei mir mit hellem Schein
Schmückt sie die Bergeshalde;
Sie wallt um meinen Externstein
Und rings im Lippschen Walde;
Da summen Bienen um sie her,
Und durch ihr rotes Blütenmeer
Ausschlagend jagt der Senner." ***)
Und "Zu Immermanns Gedächtniß":
O, schweift' ich wieder, wo ein Bursch' ich war,
Auf meiner Heimat waldbewachsner Haar,
O, ständ' ich wieder, wenn die Drossel schlägt,
Dort, wo der Hofschulz Femgericht gehegt,
Auf Lisbeths, Oswalds, meinem eignen Boden
Da bräch' ich still des Holzes grünste Loden!
Nur einmal, in dem poetischen Vorwort zu dem mit
L. Schücking herausgegebenen "Malerischen und romantischen
Westfalen" – von dessen prosaischem Theil indes kaum
etwas von seiner Feder sein soll – wendet er sich,
gleichsam ex officio, seiner Heimat in längerem Gesange
zu. Der "Freistuhl zu Dortmund" heißt das wirklich
schöne und warme Gedicht; "Land und Volk der rothen
Erde," der "kräftige Menschenschlag, einfach von Wesen,
schlicht und derb von Sitten" werden vor die heilige Vehme
des Dichters geladen;
Laß dich erschaun, wie du die Hand mir drückst,
Wie an den Herd du meinen Sessel rückst,
Wie du mich bittest: Iß, als wär's dein eigen!
Wie du der Väter Brauch und Vorgang ehrst,
Wie du den Stahl reckst und die Erndte fährst,
Wie du dich schwingst im lustigen Schützenreigen!
Die Sage, das Leben dringe auf ihn ein, so fühlt der Dichter und schließt:
"Und so denn freudig hegt er sein Gericht! –
Den Boden wechselnd, die Gesinnung nicht,
Wählt er die rothe Erde für die gelbe!
Die Palme dorrt, der Wüstenstaub verweht: –
Ans Herz der Heimath wirft sich der Poet,
Ein Anderer und doch Derselbe!" –
Ist ihm dieses poetische Gericht nicht zum Selbstgericht geworden,
daß er diesen Quellen gesundester Poesie den Rücken gekehrt?
Ja – zu Hause ist er nicht in dieser schlichten aber gesunden
Umgebung. Er ist "aushäusig" und nur nach dem Gesetz des Gegensatzes
suchte er den Rückweg in das verlorene Paradies. In der
deutschesten Landschaft groß geworden, wird er in den Tropen
und in der Sahara heimischer als in seinen Eichenwäldern, als
im Vaterland. Wie kommt das?
Jener Bruch mit der Natursphäre des Lebens kündigt sich früh in dem
Dichter an, wird zum immer weiteren Riß und wächst, bis er im poetischen
Bankerott, und vielleicht nicht blos in diesem endet. Verfehlter Beruf
steht schon über seinem Jugendleben geschrieben. Aus äußeren Rücksichten
zum Kaufmann bestimmt, wird der begabte
Knabe – fünfzehnjährig – der
wissenschaftlichen Bildung des Gymnasiums entnommen. Nun fehlte der
überwuchernden Phantasie das geistige Gegengewicht, die ernste Zucht
geregelter Studien, das edle Maß hellenisch-römischer Dichtung,
gegen die äußerlich aufgenöthigte Lebensform bäumte sich jene nur
um so trotziger auf. Zwischen den Zeilen mancher Lieder lesen wir,
daß dies Valet von den Studien, zu denen er berufen schien, ein
Schmerz für ihn war. Später (1836)
sieht er in Amsterdam das griechische
Schiff "Odysseus" im Hafen, da erwacht die Schulerinnerung an den
unsterblichen Dulder und Wandrer, ein Bild seines eignen
vielumgetriebenen Lebens, und er klagt, daß die griechische
Sprache sich bis zur Hieroglyphe für ihn verdunkelt habe. Er bedenkt:
Wie, da längst der Griechen Schriftthum mir verschließt ein dreifach Siegen
Heut' ein griechisch Wort ich wieder las – auf eines Schiffes Spiegel:
Wie mir, ach! das Buch des Wissens dunkel blieb auf vielen Blättern,
Aber wie das Buch des Lebens vor mir liegt mit farb'gen Lettern.
An die Stelle der classischen Literatur
trat die kaufmännische Lehre in Soest, der nüchtern
genug in der "Börde" gelegenen Landstadt.
"Da liegt sie finster mit Thürmen und Wall,
Die mich lehren soll den Erwerb,
Die mich grämlich sperrt in der Prosa Stall,
Und dichten heißt Zeitverderb." *)
Die geistigen Lücken, die der neue Beruf ließ, mußten ausgefüllt
werden. Natürlich, daß sich die Geistesnahrung möglichst an die
Berufsinteressen anschloß. Reisebeschreibungen, Natur- und Erdkunde,
neuere Sprachen, mit denen er schon als Schüler sich beschäftigt,
trieb er mit Vorliebe weiter. Da liegen die Ingredienzien seiner
Poesie. Eine ganz moderne Natur, welcher der weite Hintergrund und
der tiefe Unterbau einer in die hellenische Welt und die christliche
Wahrheit sich versenkende Bildung abgeht. Dieser Defect löst manches
Räthsel. Ueberall finden wir bei Freiligrath ein Uebergewicht des
Naturellen, einen auffallenden Mangel an wahrhaft ethischen und
idealen Bildungselementen. So scheint ihm das geschichtliche Leben
fast ein verschlossenes Buch geblieben zu sein, seine Gedichte zeigen
kaum eine Spur davon, und sein knabenhaft unreifes politisches
Gebahren später ist nur eine traurige Bestätigung für den Mangel dieses
Organs. Auch die Philosophie schweigt für ihn. Und die Religion,
das Christenthum? In der Bibel scheint er nur das Morgenland, dem
seine natürlichen Sympathien galten, gesehen zu haben. An "die
Bilderbibel":
[26] Du schobst für mich die Riegel
Von ferner Zone Pforten,
Ein kleiner, reiner Spiegel
Von dem, was funkelt dorten!
Dir Dank! durch dich begrüßte
Mein Aug' eine fremde Welt,
Sah Palm', Kameel und Wüste,
Und Hirt und Hirtenzelt.
Du brachtest sie mir näher,
Die Weisen und die Helden,
Wovon begeisterte Seher
Im Buch der Bücher melden.
Die Mädchen, schön und bräutlich,
So ihre Worte schildern,
Ich sah sie alle deutlich
In deinen feinen Bildern. –
Und das wenige in der jungen Seele, was sich der heiligen Schrift gegenüber etwa über die poetische Anschauung orientalischer Lebensbilder erheben mochte, spülte das "Leben" hinweg. Die "Bilderbibel" schließt:
Zeit, du bist vergangen:
Ein Märchen scheinst du mir!
Der Bilderbibel Prangen,
Das gläubge Aug' dafür,
Die theuren Eltern beide,
Der stillzufriedne Sinn,
Der Kindheit Lust und Freude –
Alles dahin, dahin!
Die Lectüre englischer und französischer Dichter weckte sein ungemeines Formtalent, aber mehr noch, sie wurden ihm Vorbilder, – Byron besonders und Victor Hugo. Auf die Jagd gar folgen sie ihm, und statt den Fuchs zu verfolgen, nimmt er
– seinen Waidsack, und langt sie herfür,
Die ihn öfters begleitete schon,
Die höchst unwürdige auf Löschpapier,
Die Zwickauer Edition.
Den Mazeppa hat er sich aufgeschlagen:
Muß sehn, ob ich's deutsch nur reimen kann!
Mögen immer die andern lachen und sagen:
Hah, ha, der lateinische Jägersmann.
Er liest – er sinnt – nun schreibt er sich's auf;
Nun scheint er so recht im Fluß –
Da nimmt er vor Freuden den Doppellauf,
Und thut in die Luft einen Schuß.
So hat er's lange Stunden getrieben,
Ein närrischer Kauz, ein Stück Poet,
Bis ihm, mit Bleistift flott geschrieben,
Ein saubrer Anfang im Taschenbuch steht." *)
Zum guten Theil ist der Dichter Freiligrath aus dem Uebersetzer
Freiligrath hervorgegangen, wie er denn auch in ihn wieder
zurückgekehrt ist. Durch die bezeichneten Stoffe und in dieser
Formenschule gebildet regte er die ersten Schwingen. Das
früheste Stück in den "Gedichten", den "Moos-Thee" hat er
sechszehnjährig geschrieben. In Jahren also, wo der Mensch noch kaum
ein Eignes hat, ist der fremde Stoff seiner mächtig geworden.
In diesen Jugendversen regt sich schon der ganze spätere
Freiligrath mit seinen exotischen Sympathien, seinen frappanten
Reimen, seinen übertriebenen Bildern, – ein frühreifes, aber
auch frühfertiges Talent. Ist das innerer Reichthum oder das
Gegentheil?
Aus der stillen westfälischen Landstadt kam er auf
sechs Jahre in die See- und Weltstadt Amsterdam. Das war der zweite
entscheidende Schritt seines Lebens. Hier wurde ihm Leben und
Anschauung, was er von fernen fremden Ländern bisher aus Büchern
gesogen; es ist der Fruchtboden seiner Poesie, die Geburtsstätte
fast aller seiner früheren Gedichte. Wer die labyrinthische Stadt
kennt, die wie ein Wunder über dem Wasser schwebt, mit ihrem
fremdartigen Häuserstil, dem Gewirr der Giebel, den verschlungenen
Canälen, dem Gewühl um und im Hafen, dem Mastenwald, dem Wirrsal
der Sprachen, der ganzen Weltperspective eines Seeplatzes, wo jedes
kommende oder gehende Segel wie ein Bote aus der Ferne, ein Gruß
in die Welt ist; – wer das alles kennt oder sich im Geiste vorzuzaubern
vermag, der wird sich sagen, welch neue Welt hier gerade einer so
gearteten und so geführten Dichternatur aufging. Heute liegt nahe dem
Hafengewühl, eine unmittelbare Mahnung an das bunte Naturleben der
Fernen der Erde, der zoologische Garten mit der Aufschrift
"natura artis magistra" (Die Natur die Lehrerin der Kunst).
Ich weiß nicht, ob der Garten schon zu Freiligraths Zeiten bestanden,
aber wie auf ihn gemacht ist die Aufschrift. Seine Kunst ist bei
dieser Natur in die Schule gegangen.
Wie ganz Holland, so führt
auch Amsterdam eine Art Amphibienleben und das Wasser ist sein
eigentliches Element. Hier ging auch dem jungen und schon vorgestimmten
Dichter die Poesie des Meeres auf; es ward das Element seiner Dichtung,
das unerschöpfliche, ewig neue Gegengewicht gegen das monotone Comtoirleben.
Aber auch das unstät phantastische, das ziellose Schweifen
in die Ferne, diese Veräußerlichung innerer Sehnsuchten ist
hier in ihm, dem vom Vaterlande Fernen, geboren oder gewachsen.
Es ist ihm selbst wie seiner "Tanne" ergangen, die, aus den
Wäldern der Heimat gerissen, nun als Mast die Meere befährt:
In meinen jungen Jahren
Hat man mich umgehauen;
Das Meer sollt' ich befahren
Und fremde Länder schauen.
Wohl wird doch zuletzt weder ihm noch ihr. Ein Heimwehklang geht durch
die Lieder, für das feinere Ohr wohl verständlich, ein Verlangen nach
dem Frieden, den nicht Meer, nicht Ferne, den die Welt nicht giebt.
Der Leser kennt das schmerzliche "Warum" in den "Auswanderern":
O sprecht!warumzogt ihr von dannen?
und er wird aus allem kaleidoskopartigen Bilderspiel den Brustton schlichter Empfindung herausfühlen in den Worten:
Wie wird das Bild der alten Tage
Durch eure Träume glänzend wehn!
Gleich einer stillen frommen Sage
Wird es euch vor der Seele stehn. –
Ins Vaterland zurückgekehrt fand er mit seinen (1838) gesammelten
Gedichten, die schon vorher zerstreut gewirkt hatten, alsbald des
Ruhmes genug. Sich aus dem Conflict von "Kaufmann und Dichter"
zu befreien, ward der erstere wie die Raupenhülle abgestreift, und
der poetische Schmetterling flog frei weiter. Aber eine
licentia poetica! Nun beginnen die Kreuz- und Querfahrten des
heimatlosen Literaten, das klippenvolle, von so tausend
Gefahren und Versuchungen begleitete, unbefriedigte und
unbefriedigende Umtreiben. Wollten doch alle Dichter von Meister
Goethe die goldne Regel lernen, daß der Dichter eine reale
Lebensgrundlage brauche, um zu gedeihen und zu wachsen! Auch
Freiligrath hat eine sittlich stählende, wahrhaft erziehende
Lebensarbeit gefehlt. Der Ehestand allein war ihm nicht Halt
und Stütze genug, er hat für sein Dichterleben nur eine episodische
Bedeutung, wenn er auch, wie wir sehen werden, ihm einige seiner
wahrsten und gesundesten Lieder entlockte. Kaum den poetischen
Lehr- und Wanderjahren entwachsen, wo er in der Fremde und aus der
Fremde gesungen, dann nur kurz und in wenigen Tönen ein gemüthvoller
Sänger des Hauses, tritt er nun dem Staate gegenüber. Wie ein
schwankendes Rohr ergab er sich den dämonischen Zeitmächten, den
Verkündern des Sturmes von 1848. Es ist kein psychologisches Räthsel,
das wir hier vor uns haben; das Gegentheil wäre ein halbes Wunder.
Die an fremden Stoffen abgearbeitete Dichterkraft war erschöpft,
der eigene Inhalt gering, in keinem Verhältniß zu dem Weltruhm,
der den Dichter berauschte; dem Publikum gegenüber bei jungen Jahren
die eine Natur ohne vermeintliche Verpflichtung zu neuen Thaten; –
eine Natur ohne ruhige und organische Bildung,
ohne Heim und Halt, mehr in den
physischen als ethischen Bildungselementen zu Hause, ohne Glauben –
woher sollte die innere Widerstandskraft kommen? Wie eine Welle
wurde er weggespült. Friedrich Wilhelm IV hatte ihm, den Genius
zu ehren, eine Pension verliehen. An dem Punkte setzte die Opposition
ihre Hebel ein. Jene "Nacht im Riesen" in Coblenz, mit Hoffmann
von Fallersleben im "Groll" und bei Champagner verbracht, brach
das ohnehin schwache Eis. Diese politische Conversion ist ein
bedauerliches Bild innerer Schwäche, die der Bänkelsängerton des
phrasenhaften Singsangs an "Hoffmann von Fallersleben" wahrlich
nicht zudeckt. Ein ernster deutscher Mann urtheilte damals scharf,
aber wahr:
Wenn es an Ballast fehlt im Kahn,
So treibt ihn jeder Wind.
Wer nichts erlebt und nichts gethan,
Der heißt auf deutsch ein Kind.
Ein Kind wird drum kein Goliath,
Daß es im Riesen zecht,
Ich wüßtefreilichandernRath:
Eine Ruthe schlecht und recht.
Es ist die dritte Wendung in des Dichters Leben. Sie hat den Dichter
ruiniren helfen, den Menschen nicht gefördert. Man sebe in sein
"Glaubensbekenntniß," den Grabstein seines Dichterruhms. Daß er
der königlichen Pension entsagte, stand ihm frei, und glaubte er
aus dieser Hand keine Wohlthat mehr nehmen zu dürfen,
so ehrte ihn der Schritt, aber nach dieser Hand mit Koth zu werfen,
wie er in dem
"Glaubensbekenntniß" und vollends später gethan, um in den
Augen der neuen Parteigenossen sich rein zu waschen von der
weiland "Reaction," das war alles eher, als edel.
Der poetischen Verdunklung ging, wie so oft, eine sittliche zur Seite.
Die Nemesis blieb nicht aus. Versunken und vergessen, – das ist der
diesmal den Sänger treffende Fluch.
Wir folgen seinem
wechselvollen Lebensgang nicht von Station zu Station.
Exilirt ging er 1845 in die Schweiz, dann nach London.
[27] Das Sturmjahr 1848 führte ihn zurück. Seine zum Theil bluttriefenden
und ruchlosen Lieder aus diesem und den folgenden Jahren
sind – nach Verdienst verschollen. Nur pflichtmäßige Betrachtung spürt
ihnen nach. Am Anfang der fünfziger Jahre, als die Fluten sich
verlaufen, sucht Freiligrath nach mancherlei politischen Prozessen
sein englisches Asyl wieder auf. Der Dichter ist dort wieder zum
Kaufmann geworden. Nur der virtuose Uebersetzer ist daneben geblieben,
wie seine letzte Arbeit, die Nachbildung von Longfellows "Sang von
Hiawatha," aufs neue zeigt.
So sind wir der Genesis seiner dichterischen Art und Kunst gefolgt.
Wie erscheint uns diese selbst?
Es versteht sich, daß wir hier nicht an eine erschöpfende Antwort
denken dürfen. Aber dieselbe vereinfacht sich schon dadurch,
daß Freiligraths frühere Dichtungen, die ihn vor allen
charakterisiren, eine sehr ausgesprochene und leicht kenntliche
Physiognomie tragen, die politischen Gedichte in Wahrheit nur
den poetischen Tod des Dichters bedeuten.
Zwischen dem alten und neuesten Freiligrath liegen wie eine schöne,
aber kurze Episode, ja nach den Wüstenliedern als eine erquickende
Oase die Lieder "zwischen den Garben" (treffender würden sie
heißen "zwischen Palme und Freiheitsbaum"), Zeugnisse von des
Dichters Liebesleben und poetische Erstlingsfrüchte des Ehestandes.
Lassen wir ihn selbst wenigstens mit einem Liede reden:
*)
"So laß mich sitzen ohne Ende,
So laß mich sitzen für und für!
Leg deine beiden frommen Hände
Auf die erhitzte Stirne mir!
Auf meinen Knien, zu deinen Füßen,
Da laß mich ruh'n in trunkner Lust;
Laß mich das Auge selig schließen
In deinem Arm, an deiner Brust!
Laß es mich öffnen nur dem Schimmer,
Der deines wunderbar erhellt:
In dem ich raste nun für immer,
O du mein Leben, meine Welt.
Laß es mich öffnen nur der Thräne,
Die brennend heiß sich ihm entringt;
Die hell und lustig, eh' ichs wähne,
Durch die geschloßne Wimper springt.
So bin ich fromm, so bin ich stille,
So bin ich sanft, so bin ich gut;
Ich habe dich – das ist die Fülle!
Ich habe dich – mein Wünschen ruht!
Dein Arm ist meiner Unrast Wiege,
Vom Mohn der Liebe süß umglüht;
Und jeder deiner Athemzüge
Haucht mir ins Herz ein Schlummerlied!
Und jeder ist für mich ein Leben! –
Ha, so zu rasten Tag für Tag!
Zu lauschen so mit selgem Beben
Auf unsrer Herzen Wechselschlag:
In unsrer Liebe Nacht versunken,
Sind wir entflohn aus Welt und Zeit:
Wir ruhn und träumen, wir sind trunken
In seliger Verschollenheit.
Ist es nicht, als hätte der Dichter hier in dem selbsterlebten, selig empfundenen Glück die natürliche Sprache – und nach Hamann ist die Dichtersprache die Muttersprache des menschlichen Geschlechts" – wiedergefunden?
Freiligrath ist nur Lyriker. Zur Zeit, wo größer angelegte
Dichternaturen auch zu größeren Stoffen und Gattungen greifen,
ist er verstummt. Aber keines seiner Lieder ist singbar. Es ist
hier nicht, wie so oft, das didaktische Element, der Lehrton,
der das Singen hindert, es ist das Rhetorisch-Declamatorische
in der Form, der meist descriptive, oft seelenlose Inhalt,
der dem Componisten wie der Sangeslust im Wege steht.
Wir fragen weiter nach Stoff und Form seiner Lyrik.
Nun, Jedermann weiß und es ist oben gesagt, daß er seine Stoffe aus der Fremde und Ferne, aus allen Welttheilen, allen Zonen, nur fast nie aus dem Vaterland und der Heimat, fast nie aus dem eignen Innenleben schöpfe. Er steht selbst den Bedenken Rede, die man gegen diese exotische Richtung vorgebracht. "Meine Stoffe" führen die Klagen und Anklagen der Kritik auf:
"Du wandelst, wie ein Mann der träumt!
Sieh, wehnder Sand füllt deinen Köcher;
Der Taumelmohn des Ostens schäumt
In deines Liedes goldnem Becher!
O, geuß ihn aus! – dann aber späh'
Und lechz' umher mit regem Sinnen,
Ob keine Brunnen in der Näh',
Daraus du schöpfen mögest, rinnen!
Sei wach den Stimmen deiner Zeit!
Horch auf in deines Volkes Grenzen;
Die eigne Lust, das eigne Leid
Woll uns in deinem Kelch kredenzen!" – –
Und die Rechtfertigung in der Schlußstrophe:
"O, könnt' ich folgen eurem Rath!
Doch düster durch versenkte Halme
Wall' ich der Wüste dürren Pfad: –
Wächst in der Wüste nicht die Palme?" –
Ist aber mit dieser nichtssagenden Pointe die Sache und Frage
abgethan? In dreifacher Weise handhabt der Dichter die fremden
Stoffe. Erstens: es sind reine Schildereien, Seestücke,
Wüstenbilder, Züge aus der alleingelassenen Natur amerikanischer
Wälder. Nur das Thierleben pulsirt in diesem Stillleben.
Zweitens: die Naturbilder beleben sich durch irgend eine
menschliche Beziehung; zu dem geographischen tritt ein
ethnographisches Element. Als Staffage erscheint ein Beduin,
ein Neger, eine Rothhaut, ein Creek, ein Emir auf feurigem Roß, –
alle mit Erlebnissen ihres Lebenskreises. Zum dritten:
Die Fremde tritt in ein Verhältniß, meist in das des Gegensatzes,
zu der Culturwelt oder zu Geist und Herz des Dichters selbst.
Die überwiegende Mehrheit bilden die beiden ersten Klassen; von der
letzteren finden sich nur wenige, aber darunter die besten. Der Grund
liegt nahe. Landschaftliche Naturbilder werden immer eine untergeordnete
Gattung der Poesie bleiben. Nur als eingelegte Partieen und dienende
Glieder eines größeren, lyrischen oder epischen Ganzen, haben sie ein
poetisches Recht, oder dann, wenn sie nicht sowohl die Bilder selbst
als vielmehr des Dichters Stimmung im Naturbild geben wollen. Die
Landschaft gehört eben einer andern Kunst. Freilich erscheinen die
Sonnenglut der Tropenwelt, die Geheimnisse des Urwalds, die Majestät
des Meeres und der unendlichen Steppen schon an sich als ein Stück
Poesie, weil sie eben ein Wunderbares sind und die Phantasie anreizen.
Und wenn vollends – wie das Freiligrath, ohne je den Fuß in die Wüste
und den Urwald gesezt zu haben, so meisterhaft versteht – die Ferne
nahe gerückt, das unendlich Weite durch die belebende Kraft des
Dichterwortes in ein gegenwärtig Lebendiges verwandelt wird,
so daß alles wie
in einem Diorama, nur nicht in buchstäblicher Worttreue, aber in
poetischer Wahrheit vor uns liegt, wer wollte da nicht auch den
Zauberer anerkennen, der, was er selbst als Seher der Ferne geschaut,
auch andern schau- und greifbar nahe gebracht? In der That ist hier
sein Talent eminent und in dieser Art einzig. Ein scharfes geübtes
Auge für die Außenwelt und gerade für diese Welt, ein realistischer
Sinn in der Zeichnung und Färbung, ein Blick für das Kleinste und
Einzelnste, wenn es charakteristisch ist, eine hell sehende Phantasie,
die doch alle diese Einzelheiten wieder in einem Brennpunkte zu
einigen weiß, so daß die Stücke wie aus einem Guß erscheinen – alle
diese Gaben erkennen wir. Und doch tragen die Gedichte dieser ersten
Klasse schwer an dem poetischen Mangel der Gattung. Der Dichter
blättert im Bilderbuch der Natur, und das Sinnlich-Aeußerliche, der
Erdgeschmack, das Stoffliche überwiegt
doch weit über die Innerlichkeit.
Daher trotz allem Formenwechsel und allen Glutfarben etwas
Monotones. Und das Ideelle, was im Hintergrunde ruht, ist es nicht
etwas Krankhaftes und eine Täuschung, jene Rousseausche Flucht aus der
verschrobenen Cultur in die wilde Natur, die dem Dichter schon an
sich ein Gedicht ist, das europamüde Sehnen nach dem vermeintlichen
Frieden und der eingebildeten Heilkraft des Urwaldes und der Wüste?
Gott ist dem Dichter in der Natur und
ihren Wundern nicht erschienen.
Die zweite Klasse seiner exotischen Lieder hat eine menschliche
Zuthat. Die Menschen jener Lande selbst treten auf. Ich möchte diese
Stücke drastische Genrebilder nennen. Offenbar eine poetische
Steigerung. Bewundernswerth ist der Dichter auch hier in der
correcten Treue des Costüms bis ins Minutiöseste; jede Quaste,
die Farbe des Turbans, alles Decorative wie ausgepinselt. Man
wird an die Detailvirtuosität und Kleinmalerei der Düsseldorfer Schule
[28] erinnert. Aber der Mensch erscheint in dieser Klasse von Liedern
als degradirt zur Staffage. Er ist nicht Herr und Mittelpunkt der
Schöpfung, er ist ein Product jener Natur und der Dichter kommt über
die bloße Zuständlichkeit nicht hinaus.
"Beduin, du selbst auf deinem Rosse
Bist ein phantastisches Gedicht!" –
Das Fühlen und Denken jener Wüsten- und Urwalds-Söhne, die der Dichter zudem nie gesehen, bleibt in der Schilderung aus dritter Hand uns doch immer fern.
Am
höchsten erheben sich seine Dichtungen da, wo der Gegensatz zwischen
europäischem und exotischem Leben zum directen Ausdruck kommt. Da
tritt eine Seele, ein ethisches Moment herein und wir spüren den
Herzschlag eines mit uns fühlenden Menschengeistes. Vertreter dieser
Gattung sind die allbekannten und oben genannten "Auswanderer," der
"ausgewanderte Dichter" und in gewissem Sinn der "Mohrenfürst."
Der "ausgewanderte Dichter," wenn auch ein "Fragment," ist durch und durch poetisch. Ein dichterischer Robinson Crusoe unter den Wilden Nordamerikas. Die Natur ist groß, ist schön; sie weckt den schlafenden Dichtertrieb, das Lied gesellt sich zum Takte der Beilhiebe, mit denen er sein Blockhaus zimmert:
Ein neues Lied. geht auf in meiner Seele:
Ich dicht' es hämmernd –doch wer wird es hören?"
Ja, der Dichter bedarf beides, stille Sammlung und gesammelte Hörer, wenn seine Stimme nicht zuletzt verstummen und ersterben soll.
"Oft wandl' ich Abends auf den steilen Höhen,
Einsam mit meiner Lieb' und meinem Grimme,
Zu meinen Füßen die gewalt'gen Seen –
Und dann erheb' ich meine tiefe Stimme.
Die werthen Lieder aus den alten Tagen,
Die ich mit Freunden hundertmal gesungen,
In diese Wälder hab' ich sie getragen,
Drin nie zuvor ein deutsches Lied geklungen.
Wie zitterte, darauf ich lag, der Gipfel,
Wie gab mir jener froh mein Singen wieder,
Wie flüsterten der alten Bäume Wipfel,
Als sie vernahmen Ludwig Uhlands Lieder!
Wie stutzten dann und hoben ihre Hörner
Die Hirsch' im Thal als auf den Bergen oben
Ich Lieder drauf von Kerner und von Körner,
Von Schwab und Arndt und Schenkendorf erhoben!
O, schmerzlich wohl klang manches mir dem Wandrer!
Hier Heimatlieder! – dennoch, als sie klangen,
Stand ich wie Orpheus – mit den Liedern andrer!
Zwar Steine nicht, doch tanzten wilde Schlangen."
Zu dem Schönsten aus dem Cyklus gehört die Jagd auf das Elennthier, das angeschossen von der Herde der Gesunden sich sondert und im Forst sich birgt, um einsam zu sterben; ein Abbild aus der Thierwelt für des "ausgewanderten" Dichters eignes Ende.
"Ich dachte schmerzlich meiner eignen Qualen:
Hier starb das Thier, – hier rinnen meine Thränen."
Mit dem verklungenen Lied der Heimat wird die verlorne Liebe wach. Mitten in die Savannah tritt das Bild der Königin seines Herzens im glanzdurchstrahlten Saale der alten Welt:
"So in des Kreises athemloser Stille
Mit deiner Harfe saßest du vor Zeiten!
Das ist dein Auge! – deiner Locken Fülle
Ergießt sich dunkel auf die lichten Saiten! –
Das ist dein Singen! durch die prächt'gen Räume
Glühend und innig fluten meine Lieder! –
Im Abendwinde schütteln sich die Bäume;
Schwarz auf den Urwald senkt die Nacht sich nieder." –
Und die Frucht dieses freiwilligen Steppenexils:
"Allein, allein! – und so will ich genesen!
Allein, allein! – und das der Wildniß Segen,
Allein, allein! – o Gott, ein einzig Wesen,
Um dieses Haupt an seine Brust zu legen!
In meinem Dünkel hab' ich mich vermessen:
Ich will sie meiden, die mein Treiben schelten.
Mir selbst genug, will ich das Volk vergessen,
Fahr' hin, o Welt – im Herzen trag' ich Welten."
Ein einzig Jahr hat meinen Stolz gebrochen;
Mein Herz ist einsam und mein Aug' ist trübe.
Es reuet mich, was frevelnd ich gesprochen;
Dem Haß entfloh ich, aber auch der Liebe. –
Den Tod des Verbannten berichtet der Mund der Wilden:
In Frieden ruh' er, den wir nicht mehr sehen!
Laßt eine Hütt' auf seinem Grab uns bauen.
Sein Haupt liegt westwärts, denn sein letztes Flehen
War: "Krieger, o, nach Morgen laßt mich schauen!" –
Es ist ein ergreifendes Heimwehlied und darum von so poetischem
Leben, weil der Mensch mit seinem innern Leben, seiner Qual und
Zerrissenheit, den Kern- und Mittelpunkt bildet. Hier hat sich
Freiligraths besseres und bestes Selbst ausgesprochen. –
Aehnlich,
nur in umgekehrter Weise verfährt der Dichter im "Mohrenfürsten."
Auch durch ihn geht ein tiefes Weh. In der ersten Ballade
das Bild der afrikanischen Heimat: Glanz, Liebe, Kampf,
Siegeshoffnung. Die Geliebte harrt geschmückt auf die
Heimkehr des Fürsten aus der Schlacht.
Da naht ein flüchtiger, blutender Mohr:
Verloren die Hoffnung! verloren die Schlacht!
"Dein Buhle gefangen, gen Westen gebracht!
Ans Meer! den blanken Menschen verkauft!" –
Da stürzt sie zur Erde, das Haar zerrauft,
Die Perlen zerdrückt sie mit zitternder Hand,
Birgt die glühende Wange im glühenden Sand. –
Die zweite Ballade bringt uns das Gegenbild. Dem Mohren bedeutet
Europa die Verbannung, das Elend. Auf der Messe steht er an der
Kunstreiterbude, die Trommel schlagend, auf der die Löwenhaut
liegt.
Er denkt an den fernen, fernen Niger,
Und daß er gejagt den Löwen, den Tiger;
Und daß er geschwungen im Kampfe das Schwert,
Und daß er nimmermehr zum Lager gekehrt;
Und daßSieBlumen für ihn gepflückt,
Und daßSiedas Haar mit Perlen geschmückt –
Sein Auge ward naß; mit dumpfem Klang
Schlug er das Fell, daß es rasselnd zersprang. –
Das sind Perlen, die bleiben und glänzen werden in unsrer Literatur.
Und was lehrt diese Beobachtung? Doch wohl dies: daß der Sitz aller
wahren Lyrik, schaffend wie empfangend, das Menschenherz mit der
ganzen Tonleiter seiner innern Erlebnisse sein und bleiben muß.
Da ist ihr unerschöpflicher Fruchtboden; nicht in Wüste und Steppe,
nicht in Meer und Urwald als den Ausgangspunkten des Dichters
liegt ihr Heil. Das prius muß das Dichterherz bleiben, nicht
die äußere Natur. Ist es nicht sprechend genug, daß Freiligrath
in seinen besten (nicht glänzendsten) Dichtungen gerade bei
dieser Wahrheit ankommt! Ja, er ist in gewissem Sinn ein Mehrer
des Reichs der Poesie, aber vor allem doch, durch Irren, wie
durch Gelingen, ein Bestätiger jenes Axioms: in die Tiefe,
nicht in die Breite geht der Beruf des deutschen Liedes. Das Nächste
und Allgemeinste ist seine wahre Heimat. Und dieses Gebiet ist ein
unendliches, nie ausgesungen und aussingbar, weil es mit jedem
Dichterindividuum immer aufs neue geboren wird.
Wer diesen Schlüssel in der Hand hält, der versteht auch in Freiligrath Licht und Schatten.
Ueber die Form seiner Gedichte nur ein kurzes Wort,
weil Einverständniß
darüber herrscht, daß der Dichter zu unsern größten Sprach- und
Vers-Künstlern gehört. Was Platen in den altclassischen Formen,
das hat Freiligrath in den modernen, den Alexandrinern, den
Ottaven namentlich, geleistet. Seine wenigen Hexameter sind mangelhaft.
Oft freilich sind es metrische Seiltänzersprünge und halsbrechende
Virtuosenkünste, namentlich in der sprüchwörtlich gewordenen frappanten
Kühnheit seiner Reime, die ohne Fremdwörterbuch den meisten Lesern
eine Hieroglyphe bleiben, in der pointirten, effectvollen und
effecthaschenden Manier, die sich himmelweit entfernt von der
einfachen Keuschheit des poetischen Stils unserer classischen Zeit,
in der oft dick aufgetragenen Farbenpracht und in der ganzen
ausländernden Rhetorik einer auf sinnlich-dekorative Wirkung
ausgehenden Form. Aber – dies nicht selten geschmacklose Echauffement
ist eben nur Außenseite und Consequenz des Inhalts seiner Dichtung.
Wie die Seele, so der Leib. Die echten Perlen nähern sich auch in
Form, Ton und Färbung der Natur und Gesundheit deutscher Poesie.
Summa: Freiligrath im ganzen ist eine gefallene Größe des deutschen
Dichterwaldes, einst überschätzt aus einer Schwäche und Blasirtheit
der Zeit, dann, wie es immer geht, zu sehr unter die Todten geworfen.
Einzelnes Große und Schöne wird fortgrünen. Aber wahr [29] bleibt es: nicht ungestraft wandelt man nach dem Dichterwort unter Palmen und nicht ungerächt verleugnet man zu Gunsten eines "Pantheon der Weltpoesie" *) des eigenen Volkes Leben und Lieben. Und als der Dichter volksmäßig werden wollte, wurde er sanscülottisch. Die Reaction des Eignen im Volke gegen das aufgedrungene Fremde zeugt von Gesundheit. Auf den höhnenden Vergleich aber des deutschen Volkes mit Hamlet, dem thatenscheuen Träumer, im "Glaubensbekenntniß" hat eben dies Volk mit Ignorirung und Todtschweigen jenes testimonii paupertatis (Armuthszeugniß) geantwortet.
Es ist wohl ein frommer Wunsch, aber wir schließen damit:
möchte Freiligrath noch einen poetischen Feierabend feiern,
nachdem die Sturmwellen einer tieferregten Zeit sich gelegt,
und möchte er dann ein gereinigtes und wahrhaft hell gewordenes
Dichterauge nicht blos auf das bunte Leben dieser Erde richten!
II.
Moritz Graf Strachwitz.
[115] Freiligrath erschien uns als eine halb gefallene Größe,
Strachwitz
ist eine nur halb gekannte und anerkannte. Aber er ist ein Dichter
von Gottes Gnaden, von echtem gesunden Lebenstrieb, hoch begeistert
und tief ergriffen von dem was er singt, und bei allen Gebrechen,
die auch wir nicht verhüllen wollen, der besten einer in der Lyrik
unsrer Tage. Dazu gehört er zu der nicht kleinen Zahl von Dichtern,
die in jungen Jahren der Erde entrückt wurden und deren Bild darum,
wie das Theodor Körners etwa, in der Gestalt ewiger Jugend im Andenken
ihres Volks fortlebt. Freilich erscheinen uns diese Jugendgestalten
noch nicht überall voll und ausgereift, nicht menschlich nicht poetisch,
aber gerade das gibt einen eignen Reiz, die Keime des Mannes in dem
Jüngling aufzusuchen und zu fragen: Schien bei dem frühen Tode die
Naturkraft des Dichters erschöpft oder zu noch höherem Flug berufen,
der nun eine andre Bahn sucht?
Gerade wie bei Freiligrath ist auch
hier die Dichtung der geistige Abdruck und ein Spiegel seines
Lebensganges. Alle Poesie steigt ja aus dem Leben, in dem der Dichter
steht, wie seine "Blume" und höhere Wahrheit hervor.
Strachwig ist ein Sohn des Adelslandes Schlesien *). Seine Wiege stand am Fuß des malerischen Glazer Gebirges und seine Wiegengabe war ein frischer Natursinn, wie ein inneres Echo der schönsten Landschaftsbilder ringsum. Ein Jugendleben im Freien, auf dem Lande, im nächsten Verkehr mit der Natur, früh vertraut mit allen Leibesübungen, dem Reiten, das stets im Leben und dessen Preis im Dichten seine Leidenschaft blieb, Schwimmen, Jagen, Fahren. Freiligrath hat in der Enge des Comtoirs vom Urwald geträumt, da bleibt etwas Gespanntes Abstractes, bei Strachwitz ist das tiefe Naturgefühl erwachsen auf eigenstem Grund und Boden, selbsterlebt im deutschen Wald, unter deutschem Himmel.
Der leiblichen
Ausbildung ging die sorgfältigste geistige zur Seite, anfangs im
Vaterhause, dann auf den Gymnasien zu Glatz und Schweidnitz. Eine
treffliche Mutter, welche die Erziehung leitete, ward ihm noch
während der Schulzeit entrissen. Frühe, zu frühe Selbständigkeit,
ohnehin in hochadlichen Kreisen oft Grundsatz, war bei der Entfernung
und Geschäftsüberhäufung des Vaters die Folge. Entschieden in seinem
ganzen Dichten und Trachten hatte der Knabe und Jüngling auch früh
ausgesprochene geistige Neigungen und Abneigungen. Geschichte war
sein Element, auch die Alten, aus denen mannigfache Reminiscenzen durch
seine Lieder gehen, die für ihn – was mehr –
<eine> Schule der Form geworden.
Nicht blos die Fragmente aus einer nie ausgeführten Tragödie "Kodrus"
zeigen, was er hier den Alten dankt. Es ist etwas von Platens
Meisterschaft in den Chorgesängen, wenn sie auch zunächst metrische
Stilübungen
und Studien scheinen. Aber die Geschichte, sage ich, mit ihrer
Dämmerung der Volkssage ist recht eigentlich seine Welt. An diesem
Himmel gingen ihm auch die ersten poetischen Sterne auf. Der Adel ist
ja seiner Natur nach auch rückwärts gewandt in die Vergangenheit, wo
seine Wurzeln liegen. Ein anziehender Geschichtsunterricht, ein
zuverlässiges Gedächtniß stärkten den Hang, seine Balladen und Romanzen
sind Früchte dieser Richtung.
Seine volle Antipathie galt der Mathematik,
der unentbehrlichen Feindin aller Romantik. Wie ein grollender Schüler
richtet er seine poetischen Pfeile in einem sehr grünen Sonnet gegen
die "Schwätzer" von
"Winkeln, Polygonen
"Und regelrechten Parallelogrammen,
"Die da berechnen des Gedankens Flammen
"Nach mathematischen Dimensionen!"
Aber die Nemesis hinkt nach. In demselben Sonett fragt er:
"Was will die Zahl in meinen wilden Tönen?
"Stets werd' ich eure eck'gen Formen hassen
"Und regellos im Labyrinth des Schönen
"Mich ohne Faden freudig gehen lassen."
Die Zahl, der Rhythmus, dürfte mehr in der Metrik zu sagen haben,
als sich der unmathematische Schüler träumen ließ, und das Sonett
ist himmelweit von jeder "Wildheit". Wunderbar frühe kündigte sich
in dem jungen Grafen der Dichter an. Neunjährig trug er am
Königsgeburtstag ein eignes metrisch tadelloses Gedicht "Arthurs
Tafelrunde" vor, und die gleiche Frühreife zeigen die poetischen
Erstlinge, die er veröffentlichte, die "Lieder eines Erwachenden",
von dem Gymnasiasten und angehenden Studenten geschrieben. Als habe
er im Vorgefühl eines frühen Todes sein Tagewerk bei Zeiten bestellen
wollen, tritt der kaum zwanzigjährige Jüngling keck und sicher in den
deutschen Dichterkreis.
Von Breslau (1843) nach der Berliner
Hochschule und in die reichen Bildungsmittel dieser "Stadt der Kritik
und Politik"
*)
versetzt, durchlebte er zugleich bewußter die
Gegensätze der Zeit, die gerade damals in Berlin die jungen Geister
so heftig erfaßt hatten. Aber der Dichter brauchte andre Nahrung
als Hegelei und Bruno Bauer. Sein Widerspruch gegen die zersetzenden
Zeitmächte wurde in ihm geschärft und er suchte auf einer Nordlandsfahrt
nach Dänemark, Schweden, Norwegen, dieser Fundgrube moderner Künstler
und Dichter, die poetische Weide, die ihm der märkische Sand und,
die Berliner Luft nicht gaben. Eine für ihn bedeutungsreiche Fahrt.
Im norwegschen Hochgebirge, in den wunderbaren Meeresbuchten ging ihm
das Gesammtleben des Nordens, auch der Geist der Edda, der Zauber der
Volkssage lebendig auf.
Ha Nordlandsluft und Nordlandswind!
O Lust verwehter Tage!
Wie hab' ich dich einst so heiß geminnt,
Vollbusige Nordlandssage – – **).
Aus der dichterischen Ebbe heraus segelte er auf der Hochflut der Begeisterung, des Schauens und Einnehmens, und einige seiner besten poetischen Perlen hat ihm diese Fahrt an den deutschen Strand gespült.
Auf diese Dichterfahrt mochte der Auscultatordienst in Schweidnitz und Grottkau nicht sonderlich schmecken. Doch ein Auscultator findet, wenn er will, noch immer Zeit, und die Muse besuchte auch hier den Dichter. Ja gerade hier ist die Geburtsstätte seiner besten Lieder. Doch sein Bleiben und Lieben war nicht bei den Acten. Der Wandertrieb erwachte und führte ihn durch Oesterreich nach Oberitalien, dann aber den Heimgekehrten in ein frühes Grab. Er starb fünfundzwanzigjährig in Wien. Die Poesie der alten Lagunenstadt war der lezte große Natur- und Kunsteindruck, den er empfing. Sie hatte es ihm angethan, wie so manchem, der das ernste Gesicht der Geschichte nicht scheut. Er nannte sie brieflich die "Stadt der [116] Poeten" – und eine Adelsstadt ist sie ja auch – hatte den Wunsch, dort zu leben und zu dichten. Hätte er die Wallfahrt gen Süden fortsetzen können, gewiß würde der formsinnige Dichter auch auf italienischem Boden eine reiche poetische Ernte gehalten haben. Schon zerstoben die nordischen Nebel und Nebelgestalten vor der Sonne des Südens. Auf dem Sterbebette wurde ihm noch ein Exemplar seiner "Neuen Gedichte" überreicht. Es war der letzte Klang aus dem Streben Leben und Leiden dieser Erde. Er starb unter der Pflege einer älteren Verwandten, an die er dankend den Epilog seiner Lieder, eine Art poetischer Beichte, richtet:
"Du saßest standhaft bei dem wilden Kranken
Und hörtest an und suchtest zu beschwichten
Des wunden Herzens stürmische Gedanken.
So kennst du denn mein Denken und mein Dichten,
Ich ließ dich schaun bis auf den Grund der Welle,
Du kennst mich ganz; du wirst zu streng nicht richten!
Es rollt mein Blut in mehr als deutscher Schnelle,
Und viel gesündigt hat dies Blut zu Zeiten;
Doch bin ich sonst ein ehrlicher Geselle.
Ich konnte selten nur dies Blut bestreiten,
Geschrieben steht in diesem Buch mit Flammen
Die lange Kunde meiner Trunkenheiten.
Doch du bist gut und wirst mich nicht verdammen."
Auf dieser Lebensbasis steht nun sein Dichterbild. Dessen
Züge zu entziffern ist darum so leicht, weil er sich mit
unbegrenzter Offenheit ausspricht. Seine Lieder sind wie ein
Tagebuch, man kann von ihnen aus dem Dichter ins Herz sehen.
Und aufrichtig vor allem muß ja jede Lyrik sein, wenn sie überhaupt
etwas sein will. Hier rächt sich jede innere Unwahrheit auf der
Stelle durch die äußere Unschönheit.
Der Tummelplatz seiner Lieder – und nur die Lyrik
ist sein Element – ist
grundverschieden von dem Freiligraths. Es ist einmal die innere
Welt in Leid und Lust, das alte Lied von der besitzenden, von der
entsagenden Liebe, die uralte und doch nie veraltende Tonleiter
der Stimmungen und Empfindungen, wie sie jedes Menschenherz kennt,
aber nur der Dichtermund zu nennen versteht; es ist das aufjauchzende
Naturgefühl, wo sich Mai und Jugend und Sangeslust im Bunde wissen;
es ist endlich der Silberblick in die vaterländische und nordische
Geschichte und Volkssage. Freiligrath wollte, vorwärtsgekehrt, der
Poesie ein neues Land entdecken, Strachwitz schaut rückwärts ins "alte
romantische Land". Die epheuumgrünte sagenumsponnene Burgruine,
der ritterliche Frauendienst, das edle Waidwerk, die "fürstliche
Freude der Männer", – in der That, er scheint der irrende Ritter der
Romantik, der Epigone mittelalterlicher Sehnsuchten, der die
heimlichen Dämmerungen mehr liebt als das helle Licht des Tages und
der Wirklichkeit. Auch bekennt er sich selbst zur Fahne der Romantik,
hierin wieder Freiligraths Antipode, der ihr in dem bekannten
Gedichte zu Grabe geläutet hat. Strachwiz antwortet, ich glaube
direct auf jenes Grablied:
"Und doch, Verstoßne durch Verblendung,
Wie bist du reich, trotz Zeit und Zorn,
Du leerst in göttlicher Verschwendung
Tagtäglich noch dein Wunderhorn.
Ich grüße dich mit frommem Sinne,
Wie ist dein Reich so grün und weit,
Du Fürstin vielgetreuer Minne
Sei tausendmal gebenedeit! –"
Aber es ist dem Sturm und Drang dieser Zeit nicht beschieden, das romantische Stillleben auszugenießen und die Ohren zu schließen vor dem gellenden Windstoß, der von außen anschlägt. Auch Strachwitz ist nicht blos der rückwärtsgekehrte Prophet, der in den "mondbeglänzten Zaubernächten" den halbwachen Traum von vergangner Herrlichkeit träumt. Daß er dies nicht thut, daß er, wenn auch gegensätzlich, mitlebt mit der Gegenwart, mitstreitet in ihren Kämpfen, darin liegt gerade das Charakteristische seiner Dichterstellung. Von der ritterlichen Kraft, dem Muth, der naturfrischen Unmittelbarkeit des Mittelalters entnimmt er die Waffen zum Kampf gegen die Tagessünden und das was er dafür hält. Die Flecken jener Zeiten und die Lichtseiten unsrer Tage übersieht er echt jugendlich und ganz nach Poeten Art, die, liebend oder hassend, allezeit absolut und ganz handeln. Hier liegt der Trennungspunkt von dem quietistischen Dämmer- und Scheinleben der Romantik. Seine besten Lieder haben durchaus etwas Kampffertiges, Streitsüchtiges, Herausforderndes. Im vollen Uebermuth seiner Kraft, die auf Standesgefühl, Jugendgefühl, Dichtergefühl ruht, schwingt er die Leier, die ihm in der Hand zum Schwert wird und führt, ein poetischer Simson, seine Streiche gegen die "Philister" der Zeit. So viel Unfertiges und Jugendliches dabei mitunterläuft, so viel Burschikosos mitunter (und wo wäre je ein Student in Harmonie mit dem bürgerlichen Leben gewesen?), so manchmal auch neben dem Edelmann dessen Zerrbild der Junker hervorblickt, der da z. B. fragt:
"Hat darum sieben Tage Müh
Einem Gott gekostet die Erde,
Damit für Lump und Compagnie
Eine Aktienbörse werde?"
aus allen Auswüchsen, aller Sinnlichkeit auch, an der es nicht fehlt,
aus dem nicht selten deklamatorischen Pathos einer brausenden sausenden
Jugendlichkeit schauen doch die Züge des edeln und adlichen Sängers,
ein hochgemuther Sinn für das wahrhaft Große, der sich unter die
Alltäglichkeit nicht biegen lassen und beugen will, der Haß gegen
das Gemeine als die eigentlichen Gesichtszüge hervor.
In der Defensive
ererbter und bewährter Lebensgüter zu verharren, genügte ihm nicht,
er geht zum Angriff über. Es ist der verzehrende nahrungslose
Thatendurst der Jahre vor 1848, der in ihm für die höchsten positiven
Güter pulsirte, aber voll böser Ahnung ist der Dinge, die da kommen
sollen. Im "Prolog" entfaltet er sein Banner:
"Frei blaut auch mir des Geistes kühnste Ferne,
Doch hab' ich nicht verlernt vor Gott zu beten,
Von Frauenliebe sing' ich gar zu gerne,
Drum hab' ich nie mit Füßen sie getreten.
So kann ich nicht wie eure jüngsten Sterne,
Die Zwitter von Roué und vom Propheten,
Den höchsten Gott und dann mein Lieb bewitzeln,
Ich mag euch nicht mit solchem Schmutze kitzeln."
In einem seiner reifsten und männlichsten Lieder "Germania" hören wir das nahende Donnergrollen der Revolution.
"Land des Rechtes, Land des Lichtes,
Land des Schwertes und Gedichtes,
Land der Freien
Und Getreuen,
Land der Adler und der Leuen,
Land, du bist dem Tode nah,
Sieh dich um, Germania!
Dumpf in dir, o Kaiserwiege!
Gährt der Keim der Bürgerkriege,
Tausend Zungen
Sind gedungen,
Tausend Speere sind geschwungen,
Fieberträumend liegst du da,
Schüttle dich, Germania.
Lautes Zürnen, leises Munkeln,
Lüge, die da würgt im Dunkeln,
Zucht und Glaube
Tief im Staube,
Und der Zweifel würgt die Taube,
Immer:nein! und nimmerja!
Sage:ja! Germania! – –
Daß dich Gott in Gnaden hüte,
Herzblatt du der Weltenblüte.
Völkerwehre,
Stern der Ehre,
Daß du strahlst von Meer zu Meere,
Und dein Wort sei fern und nah
Und dein Schwert, Germania!"
Man hört in diesen Strophen ein bangendes und doch tapferes Herz
klopfen. Wann und wo Strachwitz, wenn auch nur im Dichterwort,
ans Schwert schlägt, es klingt anders als bei einem Herwegh und
seiner pointereichen Renommage, die doch, wie alle Renommage,
kläglich und prosaisch genug endet. Bei Strachwitz sitzt etwas
d. h. Muth und Wahrheit hinter dem geharnischten Wort.
Wir sehen, in den Frieden der Liebe, in die Waldeslust, in den
Becherklang; in alle diese Privatfreuden und Leiden treten mahnend
die Mächte der Zeit, die objectiven Formen des Lebens – der Staat,
die Kirche. Hierin erkennen wir ein Fortschreiten vom Jüngling zum
Mann. Jene subjectiven Stimmungen herrschen ganz naturgemäß vor in
den Erstlingen "eines Erwachenden", in denen auch
[117] die Form und die Reminiscenz vorherrscht über die Substanz des
Gedankens und der Selbsterfahrung. In den "Neuen Liedern" weht
wesentlich ein anderer Geist, ein neuer Ton. Wohl waltet auch hier
die Liebe, aber wir erkennen im Hintergrunde dieser Lieder die Schatten
trüber und doch läuternder Lebenserfahrungen: gebrochene Treue,
unerwiderte Neigung, verlassene Liebe.
DiehöchstenLieder singt die Freude,
allein dietiefstensingt der Schmerz *).
Doch, wie der Dichter im Prolog zu den "Neuen Gedichten"
mit Recht sagen darf, "es ist kein Buch der Thränen". Der Blick
umflort sich nicht, er öffnet sich grade um so heller für die
höchsten Fragen. Sein schönstes Lied zeigt mit hochpoetischer Kraft
den innern Proceß, wie sein Herz sich losringt vom Genießen seiner
selbst, in dem zu keinen Opfern und keinen Thaten Raum bleibt.
Der Himmel ist blau! den grünen Pokal
Mit rinnendem Golde befeuchtet!
Wer trinkt nicht gern, wenn der Sonnenstrahl
In Rheinweinperlen leuchtet! –
Zerschmettre den Römer an der Wand,
Mit Thränen die Lippe wasche,
Und traure um dein Vaterland
In Asche, in Asche!
Der Himmel ist blau! wir sind noch jung,
Viel Lieder verborgen fluten;
Wer läßt nicht gern die Begeisterung
In klingender Woge bluten! –
Laß weinen die Harfe unter der Hand
Ein Grablied, thörichter Knabe,
Sie schleppen indes dein Vaterland
Zu Grabe, zu Grabe!
Der Himmel ist blau! holdselige Frau,
Gepriesen sei dein Name!
Wer küßt nicht gern den Wonnethau
Vom Auge seiner Dame!
Aus dem Herzen schneide den süßen Tand,
Der Minne wende den Rücken,
Sie reißen indes dein Vaterland
Zu Stücken, zu Stücken!
Der Himmel ist blau! die Jagd ist laut,
Ha fürstliche Freude der Männer!
Wer reitet nicht gerne durchs Haidekraut
Den lang sich streckenden Renner!
Laß fallen die Zügel aus der Hand,
Von der Ferse schlage die Sporen,
Es geht indessen dein Vaterland
Verloren, verloren!
Der Himmel ist blau! er fällt nicht ein
Vom Sturme irdischer Schmerzen,
Es hungert das Volk und die Bösen schrein
Den Aufruhr ihm in die Herzen!
Da ist kein Glaubens-, kein Liebesband,
Sie reißen's mit frechen Händen;
Wie soll, o Herr, mit dem Vaterland.
Das enden, das enden!
Wir heben an dieser Perle seiner Lieder zweierlei hervor: einmal,
daß sich nirgends eine Hinneigung zu poetischer Tendenzpoesie, dieser
Ab- und Afterart unserer modernen Dichtung, kundgibt. Der Dichter hält
sich in den allgemeinsten Linien und Elementen staatlicher Fragen und
Sorgen. Dann aber – und das ist die Hauptsache –
bleibt er warnend und mahnend vor dem Grundgeheimniß stehen, daß der
Abfall von Gott oben und unten der letzte Schlüssel sei, die Dämonen
der Zeit zu erklären. Mit dieser Erkenntniß, so schneidig und lebendig
bekannt, ist er auf seinem Höhepunkt angekommen. Ob auch auf einem
Wendepunkt? Ob er bei längerem Leben nicht blos vor dem Heiligthum
wie ein Wegweiser und Thürhüter stille gestanden, ob er selbst
eingetreten wäre und wie ein Walther von der Vogelweide oder
Schenkendorf Lieder gesungen hätte, entsprungen aus dem Verkehr der
Menschen- und Dichterseele mit ihrem Gott und Heiland? Wir wissen
es nicht. Noch fehlt bei dem Fünfundzwanzigjährigen die eigen
durchgebildete und durchkämpfte Lebensüberzeugung, das feste und
volle Herz, das da überfließen möchte von dem, was es erfahren,
noch fehlt überhaupt die tiefere Beschaulichkeit, die aus der bunten
Außenwelt Einkehr hält in der eignen Innenwelt, ein reicher entfaltetes,
Gott suchendes und schauendes Ideenleben. Aber die wenigen Anlaute,
die wir in dieser Art vom Dichter besitzen, sind verheißungsvoll genug.
Hier hätte ein lyrischer Fortschritt gelegen, ein Fortschritt des
Lebens abgebildet im Liede. Ein anderer ist dadurch angezeigt,
daß Strachwitz schon frühe auch nach epischen Stoffen suchte und ein
offenbares Geschick zur Romanzenform besaß. Das Nordland, wie oben
berichtet, liefert ihm die meisten Stoffe.
"Ich fasse gern mit einem kühnen Griffe
Ein ernstes Heldenbild vergangner Tage;
Es kennt mein Lied viel perlenreiche Riffe
Im unerschöpften Meeresgrund der Sage;
Ins starke Nordland führt es Euch zu Schiffe,
Damit es Euch uralte Schlachten schlage,
In Eures Himmels jammervoller Leere,
Da zeigt es Euch den Stern gewes'ner Ehre."
Einzelne seiner Romanzen haben bleibenden Werth, wenn sie auch im ganzen zu aphoristisch-springend gehalten sind. Es fehlt die wohlthuende epische Ausbreitung der Uhlandschen Dichtung, die sich Zeit nimmt und keine Zwischenglieder überspringt.
Ihm sind diese zeitlichen Entwicklungen erspart worden durch das Scheiden von aller Zeit, und jedes Vermuthen ist hier zuletzt müßiger Versuch. – Ein kleiner Denkstein sollen meine Worte sein. – Der Gang aber von ihnen zu dem Dichter selbst wird niemanden gereuen.
III.
Annette von Droste-Hülshoff.
*)
[200] Ich führe den Leser heute zu dem Leben und
Dichten einer westfälischen
Dichterin. Bei ihr am wenigsten ist die Heimat gleichgültig oder
ohne Wirkung auf ihr Sein und Schaffen geblieben. Ihrem Westfalen,
ihrem Münsterland vor allem galt ihre volle Liebe. Mochte sie im
spätern Leben weilen wo immer – und Jahrelang hatte sie das Glück, der
Wunderwelt der Alpen zu Füßen zu wohnen –, ihr Herz war im heimatlichen
Tiefland. Ja sie ist eine echt westfälische Dichterin. Nicht in dem
Sinne freilich, als sei ihr Interesse, die Wahl ihrer Dichtungsstoffe,
ihr Dichterruhm gar auf die Grenzen der rothen Erde beschränkt geblieben.
Die Gemeinde ihrer Anhänger, wenn auch nach der ganzen Art und Kunst der
Dichterin nicht allzu zahlreich, ist doch durch das ganze Vaterland
zerstreut und nimmt, wenn nicht alles trügt, von Jahr zu Jahr zu. Und
die Liebe dieser Kreise, womit anders ist sie errungen, als eben dadurch,
daß sich die Grundzüge der westfälischen Stammesnatur in ihr
individualisirt, gesteigert, vergeistigt und verklärt wiederfinden? –
Die rührende Treue gegen die Scholle, dies westfälisch sichre Gepräge
bis zur schroffen Eigenart, mitten in einer nivellirten und nivellirenden
Zeit eine ungewöhnliche Ursprünglichkeit, eine immer und gerade jetzt so
seltene Einheit von Wort und Leben, ein angeborner Sinn für das Reale
und ein Haß gegen alles Phrasenhafte und Scheinhafte. Nach ihrem Norden
stand allezeit und allüberall ihr Sinn. So beredt ihr Wort, so gewandt
ihr Griffel gerade in der Naturschilderei, in der poetischen Reproduction
des Naturlebens ist, am liebsten greift sie in den heimischen Schatz,
am besten gerathen ihr die Naturbilder der Heimat. Auch die Poesie der
Haide und des Moors versteht sie, ja diese erst recht, und sie zieht
jene stummen und für ein fremdes Auge nicht glänzenden Landstriche
recht geflissentlich ans Licht. Wie oft geht Westfalens Lob in Prosa
und Versen über ihre Lippen.
Seh' ich dich so, mein kleines Land,
In deinem Abendfestgewand:
Ich meine, auch der Fremdling muß
Dir traulich bieten Freundesgruß.
Du bist nicht mächtig, bist nicht wild,
Bist deines stillen Kindes Bild,
Das, ach, mit allen seinen Trieben
Gelernt vor allem dich zu lieben!
So daß auch keines Menschen Hohn,
Der an des Herzens Fäden reißt,
Und keine Pracht, wie sie auch gleißt,
Dir mag entfremden deinen Sohn.
Wenn neben ihm der Gletscher glüht,
Des Berges Aar sein Haupt umzieht,
Was grübelt er? Er schaut nach Norden!
Und wo ein Schiff die Segel bläht
An würzereichen Meeresborden,
Er träumerisch am Ufer steht.
Ich meine, was so heiß geliebt,
Es darf des Stolzes sich erkühnen.
Ich liebe dich, ich sag' es laut!
Mein Kleinod ist dein Name traut.
Und oft mein Auge ward getrübt,
Sah ich in Südens reichen Zonen,
Erdrückt von tausend Blumenkronen,
Ein schüchtern Haidekräutchen grünen.
Es wär' mir eine werthe Saat,
Blieb' ich so treu der guten That,
Als ich mit allen tiefsten Trieben,
Mein kleines Land, dir treu geblieben.
Was sie hier
**)
aus treuem Herzen dem Lande zollt, gleiche Liebe,
gleiches Lob spricht sie den Leuten, ihren Landsleuten zu.
Wir sind ein friedlich still Geschlecht
Mit lichtem Blick und blonden Haaren,
Doch unsres Herdes heilig Recht
Das wissen kräftig wir zu wahren.
An der Schwelle ihrer Gedichte stehen diese Verse, in der poetischen Antwort auf den im wirklichen Leben oft gegen Westfalen gerichteten Zweifel, ob "Ungastlich oder nicht?"
Ungastlich hat man dich genannt,
Will deinen grünsten Kranz dir rauben,
Volk mit der immer offnen Hand,
Mit deinem argwohnlosen Glauben.
In echt patriotischem Eifer ruft sie aus:
Wer unsers Landes Sitte ehrt,
Und auch dem seinen hält die Treue –
Hier ist der Sitz an unserm Herd!
Hier unsers Bruderkusses Weihe!
Wer fremden Volkes Herzen stellt
Gleich seinem in gerechter Wage –
Hier unsre Hand, daß er das Zelt
Sich auf bei unsern Zelten schlage.
Westfalen kann dankbar sein für solche Glorification aus solchem Munde. Sehen wir uns näher nach ihrer Geburtsstätte um.
Die Droste sind ein altmünsterländisches Geschlecht, tief verwebt in die Geschichte dieses einst durch die krampfhaften Zuckungen seiner politisch-kirchlichen Stürme, dann durch sein Stilleben so fesselnden Ländchens. Da liegt die Burg ihrer Ahnen, nicht, wie im Süden, auf stolzer Höhe, eine stattliche Wasserburg mit grauen Thürmen liegt sie da, von Gräben umschützt, inmitten eines ausgedehnten Besitzes, der schon fünfthalb Jahrhunderte in den Händen der Familie ist.
Auf meiner Heimat Grunde
Da steht ein Zinnenbau,
Schaut finster in die Runde
Aus Wimpern schwer und grau.
An seines Fensters Gittern
Wimmert des Kauzes Schrei,
Und drüber siehst du wittern
Den sonnetrunknen Weih.
Hier lebte die Dichterin die Tage der Jugend bis zum Tode des Vaters, wo ihre Mutter den alten Stammsitz Hülshoff mit dem bescheideneren Wittwenstiz Rüschhaus bei Münster vertauschte. Land und Volk damals der stabilsten eines und scheinbar unbewegtesten im Vaterlande. Eine Gegend ohne Felsen, Gebirge, ohne raschfließende Ströme, aber voll Grün, Nachtigallenschlag und Blumenflor; Wiese und Wald überreich an Singvögeln, die Weidestrecken mit Haideblumen überkleidet, von Weihern belebt, ein stattlicher Eichenbestand, Westfalens Stolz. Von den Zweigen umschattet träumen die einzel liegenden Wohnungen mit ihrem tiefragenden Dach, nahe dabei Gruppen bunter Rinder oftfriesischer Race, mannshohe Wallhecken zum Schuß der "Kämpe". Das sind einige Striche zum Bilde des Landes. Der Menschenschlag ein ernstes, redliches, dem Alten anhängliches Volk, etwas furchtsam und langsam, aber von tiefem Rechtsgefühl und wohlthuender Sitteneinfalt. Neben dem Glauben der Väter, der dort eine Lebensmacht ist, phantastisch und mystisch jener geisterseherische Zug, der nirgends sonst das Volksleben so stark durchzieht wie im Münsterland, der zähe Glaube an die Gabe der "Vorkieker".
Kennst du die Blassen im Haideland,
Mit blonden flächsenen Haaren?
Mit Augen so klar wie an Weihers Rand
Die Blitze der Welle fahren?
O sprich ein Gebet, inbrünstig echt,
Für die Seher der Nacht, das gequälte Geschlecht."
Es ruht auf diesem Strich ein Geist eigenthümlicher Poesie. Wer ahnt, daß über dies Idyll voll patriarchalischen Friedens einst die Wetter der furchtbarsten Bewegung, die unsre Geschichte fast kennt, hinweggebraust sind? Die Dichterin führt das Idyll am besten selbst aus. "Seltsames schlummerndes Land! so sachte Elemente! so leise seufzender Strichwind, so träumende Gewässer, so kleine friedliche Donnerwetterchen ohne Widerhall! und so stille blonde Leutchen, die niemals fluchen, selten singen oder pfeifen, aber denen der Mund immer zu einem behaglichen Lächeln steht, wenn sie unter der Arbeit nach jeder fünften Minute die Wolken studiren und aus ihrem kurzen Stummelchen gen Himmel rauchen, mit dem sie sich im besten Einverständnisse fühlen."
Treu gehegt von diesem sicheren Frieden der Landesart, der still nährenden Familientradition, der mit Land und Volk so ganz verwachsenen katholischen Kirche wuchs Annette v. Droste auf. Wie sollte der Genius des Orts nicht in der jungen Seele eine Stätte gefunden haben? – Sie selbst sagt einmal von ihren Münsterländern: "Diese stillen Leute sitzen unbewußt auf dem Pegasus, ich will sagen, sie leben in einer inneren Poesie, die ihnen im Traume mehr von dem gibt, was ihre leiblichen Augen nie sehen werden, als die andern übersättigten Menschen mit ihren Händen davon ergreifen können."
Und doch – auch an jenen stillen Erdwinkel schlugen die Wellen einer
neuen Zeit. Und wäre ohne solche Jugendeindrücke, ohne eine bewegtere
Außenwelt, die fragend und streitend in die stille Welt ihrer Heimat trat,
gerade eine solche Dichtererscheinung
möglich gewesen und erklärbar? – Des
Münsterlandes klassische Zeit lag im letzten Viertel des vorigen
Jahrhunderts, wo die Stadt den Minister von Fürstenberg in ihren
Mauern sah, einen Staatsmann, der auf kleinem Raum die größten
politischen und Cultur-Gedanken verwirklichte und das Münsterland
zu einer Art Musterland erhob. Der unvergeßliche
[202] Mann hatte mit seiner Freundin, der Fürstin von Gallitzin, wohl
der begabtesten deutschen Frau ihrer Zeit, immer weitere geistige Kreise
um sich gezogen, in welche dauernd oder zeitweilig viele der ersten
Geister des Volks, Hamann, Jacobi, Goethe, Claudius,
Stolberg u. a., eintraten. Von dem verglimmenden Abendroth
dieser unvergeßlichen Erhebung wird auch Annettens Jugend beschienen.
Welche Perspectiven öffnen sich durch solche Persönlichkeiten für
eine empfängliche junge Seele! Da ist Geschichte in Person, die ganz
anders zu uns spricht, als die im Buch todt und fahl niedergelegte.
Dann hatte im Anfang des Jahrhunderts Friedrich Leopold Graf Stolberg
nach seinem Uebertritt zur katholischen Kirche im Münsterland ein Asyl
gefunden. Die Eltern der Dichterin pflegen mit ihm vielfachen Verkehr,
und diese selbst war in Stolbergs letzten Lebensjahren schon lange zur
Jungfrau herangeblüht. Alles zwar katholische Kreise, aber
wohlvertraut mit Wissenschaft und Poesie des protestantischen
Deutschlands, trotz aller Zurückgezogenheit mitten im Strom des
geistigen Weltverkehrs. Die preußische Besitzergreifung des Oberstifts
Münster (1803) führte die späteren Hauptbekämpfer der
napoleonischen Herrschaft, Stein und Blücher, auf längere Zeit
dahin, auch in regen Verkehr mit dem Adel des Landes. Die
Zwischenherrschaft des Königreichs Westfalen kam, aber auch
die Befreiung. Welche weltgeschichtliche Vorgänge, aus nächster
Nähe von der jugendlichen Dichterin gesehen, erlebt und mitempfunden!
Da wird das Auge, wenn es irgend sehfähig ist, gewaltsam geöffnet für
das Verständniß von Weltverhängnissen und Völkerschicksalen, für das
ganze große Drama der Menschengeschichte.
Näher doch als diese Weite und Höhe stehen einer Mädchenseele Haus und Eltern. Das Nächste wirkt hier am tiefsten. Ihrem Vater hing sie mit vollster Liebe an. Auch in ihre Poesie dringt sein schönes Bild ein.
Ach, er ist mein herrlicher Vater ja,
Soll ich ihn denn nicht lieben, nicht lieben!
schließt das "Vierzehnjährige Herz". Sie selbst hat in einem überaus
anziehenden Fragment "Bei uns zu Lande auf dem Lande," in dem der
Grundstoff der Erzählung, wenn auch als Wahrheit und Dichtung, dem
Vaterhause entnommen ist, das leibliche und geistige Bild des geliebten
Vaters gezeichnet oder durch den dort auftretenden Vetter aus der Lausitz
zeichnen lassen. Es ist so sprechend, wie es nur die Tochter und die
Dichterin zu entwerfen vermochte. "Denkt Euch," schreibt jener
Vetter, "einen großen, stattlichen Mann, gegen dessen breite Schultern
und Brust fast weibliche Hände und der kleinste Fuß seltsam abstechen,
ferner eine sehr hohe, freie Stirn, überaus lichte Augen, eine starke
Adlernase und darunter Mund und Kinn eines Kindes, die weißeste Haut,
die je ein Männergesicht entstellte und der ganze Kopf voll
Kinderlöckchen, aber grauen, und das Ganze von einem Strome von Milde
und gutem Glauben überwallt, daß es schon einen Viertelschelm reizen
müßte, ihn zu betrügen und doch einem doppelten es fast unmöglich macht;
gar adlich sieht der Herr dabei aus, gnädig und lehnsherrlich, trotz
seines grauen Landrocks, von dem er sich selten trennt, und er hat
Muth für drei." – "Er ist ein leidenschaftlicher Zeitungsleser und
Geschichtsfreund und liebt das gedruckte Blutvergießen." – "Den
Verstand des Herrn habe ich anfangs zu gering angeschlagen, er hat
ein klares Judicium und jenes haarfeine Ahnen des Verdächtigen, was
aus eigner Reinheit entspringt." – Nun werden seine geistigen
Neigungen und Liebhabereien aufgeführt, in denen wir die Züge der
Tochter schon vorgebildet lesen: seine sinnige Naturliebe unter
Vögeln und Blumen, seine musikalische Virtuosengabe (ein Bruder
war bedeutender Componist), sein Geschichtsorgan, seine
Geisterseherei, sein Glaube und sein Aberglaube – all das kehrt
in der Tochter wieder, nur daß in ihr die schöpferische Gottesgabe
der Poesie über allem schwebte. Wie große Männer so vielfach die
Mutterzüge tragen, ist es bei bedeutenden Frauen umgekehrt? – Es war
die glücklichste Ehe, aus der Annette als die zweite von vier
Geschwistern stammte. Die Mutter, eine von Harthausen, Schwester
der mit den Romantikern eng verbundenen Freiherrn Werner und August
von Haxthausen, eine Frau von großem Verstand, von Kraft und Würde,
deren energischer Wille in das Leben der Tochter bestimmend eingriff.
In späteren Jahren sinnt diese auf ein Lied für die Mutter:
Die Gabe, die für andre immer wacht,
Hätt' ich so gern geweckt zu Deinem Preise.
Doch wie ich auch gesonnen mehr und mehr,
Und wie ich auch die Reime mochte stellen,
Des Herzens Fluten wallten drüber her,
Zerstörten mir des Liedes zarte Wellen.
Aber die Seelenverwandtschaft mit dem Vater war doch größer. Aus solchem Hause mußte wohl ein lebendiger Familiensinn geboren werden. Bei allem Weltruhm blieb die Dichterin stets mit dem vollen Abhängigkeitsgefühl das Kind ihres Hauses. So ihre Umgebung.
Und sie selbst? Es sei ferne, daß ich ihr Wesen aus den
geschilderten Factoren, aus ihrer Umgebung, aus Haus und
Land und Zeit völlig erklären und ableiten wollte. Nein, es bleibt
in dem Leben des Genius ein Arcanum, ein dem Gesetzescodex von
Ursache und Wirkung spottendes Geheimniß. All jenes Gewebe von
verborgenen und offenbaren Lebensfäden, die hier zusammenfließen,
wirkte wesentlich mit, sie so und nicht anders zu gestalten, das
punctum saliens aber auch ihres Seins war ein Neues und Eignes.
Ihr dichterisches Wesen und Wirken als fertiges werden wir unten
kennen lernen. Hier fragen wir nach ihrem Werden.
Man konnte sie wohl ein Wunderkind nennen. Mit allen Wunderkindern
theilte sie die ungemeine leibliche Zartheit; fast nie ihr Lebelang
hat sie das Vollgefühl der Gesundheit gehabt. Eine bis zur
Unkörperlichkeit durchgeistigte elfenhafte Gestalt. Sie hat sich
selbst in dem achtzehnjährigen Fräulein Sophie aus dem oben berührten
Fragment geschildert. Der Lausitzer Vetter schreibt dort: "Ob ich sie
hübsch nenne? Sie ist es zwanzigmal im Tage, und ebenso oft wieder
fast das Gegentheil; ihre schlanke, immer etwas gebückte Gestalt
gleicht einer überschossenen Pflanze, die im Winde schwankt; ihre
nicht regelmäßigen, aber scharf geschnittenen Züge haben allerdings
etwas höchst Adliches und können sich, wenn sie meinen Erzählungen von
blauen Wundern lauscht, bis zum Ausdruck einer Seherin steigern, aber
das geht vorüber und dann bleibt nur etwas Gutmüthiges und fast peinlich
Sittsames zurück. Einen eignen Reiz und gelegentlichen Nichtreiz gibt
ihr die Art ihres Teints, der, für gewöhnlich bleich bis zur
Entfärbung der Lippen, ganz vergessen macht, daß man ein Mädchen vor
sich hat – aber bei der kleinsten Erregung, geistiger sowie körperlicher,
fliegt eine leichte Röthe über ihr ganzes Gesicht, die unglaublich
schnell kömmt, geht und wiederkehrt, wie das Aufzucken eines Nordlichtes
über den Winterhimmel." – Ein für die zarte, kleine Gestalt fast zu
schwerer Kopf, ein ungewöhnlich großes hellblaues, aber ganz kurzsichtiges
Auge, die reichste Fülle hellblonden Haares gehören noch zu ihrer äußeren
Charakteristik. In späteren Jahren wurde sie stärker, aber nicht
kräftiger. Eine große Reizbarkeit und eine fast krankhaft gesteigerte
und erregte Phantasie, die alle Wirklichkeit in eine Bilderwelt
auflösen möchte und überall Gesichte sah, kennzeichnete schon das Kind.
Mit der Bildung wurde es ernst genommen, ja diese griff über das Maß der
weiblichen Sphäre weit hinaus. Auch hatte das junge Mädchen schon einen
fast männlichen Zug zu skeptischer Grübelei. Zugleich mit dem jüngeren
Bruder trieb sie Latein, auch etwas Griechisch. Lateinische Dichter las
sie später mit Leichtigkeit und gründlichem Verständniß, vor allem Virgil
und Tibull. Von neueren Sprachen waren ihr die englische, französische,
holländische völlig geläufig, sie verstand die italienische. Vom größten
Einfluß auf ihre Dichtungsweise ist, wie wir sehen werden, die englische
Literatur geworden. Spuren ihrer genauen Naturkunde verrathen auf manchem
Blatt ihre Gedichte. Auch in ihrem Sammeltrieb pflanzte sie sich
praktisch fort. Mineralien und Muscheln umgaben sie in reichen Sammlungen.
Auch sie blieben nicht unbelebt, sie wurden in ihre poetischen
Zauberkreise gezogen und in dem "Sommernachtstraum" besungen.
Geschichte umfaßte sie mit innerstem. Antheil.
Wie konnte es anders sein? Alles sprach sie ja geschichtlich an:
die grauen Thürme des Vaterhauses mit der jahrhundertlangen
Familiengeschichte, der ganze Boden, auf dem sie stand, die
geschichtlich gestimmte Zeit in und nach den Befreiungskriegen. Nach
Frauen- und Dichterart liebte sie eine ganz detaillirte Darstellung
einzelner Partien, wo möglich aus den Quellen. Was hier im Wissen
gesäet wurde, ging später als dichterische Frucht im Können auf.
Von den Künsten war die Musik das Element, in dem sie sich empfangend
und schaffend am frühesten und kräftigsten regte.
Das Zeichnen, wiewohl geübt, trat dagegen zurück. Doch hatte sie auch für bildende Kunst einen sichern Geschmack und denselben Sammeleifer, wie für Naturalien. Sie war eine durch und durch musikalische Natur. Eine volle, biegsame, wenn auch nicht umfangreiche Stimme, ein so treues Gedächtniß besaß sie, daß sie ganze Opern und Oratorien alter und neuer Meister auswendig singen und auf dem [203] Flügel begleiten konnte, zahllose Volksmelodien waren ihr gegenwärtig, die sie höchst eigenthümlich vorzutragen wußte. Aber sie hatte auch Generalbaß studirt und componirte. Diese Liedercompositionen (meist von älteren Minneliedern und Balladen) waren einfach, tief gefühlt und durchaus originell. Bis zur Täuschung ahmte sie dabei den Ton alter Volksliedertexte nach. Musik und Poesie thaten ihr willig gegenseitige Handreichung, stützten und hoben sich.
Das ist freilich eine dürre Aufzählung dessen, was sie las und trieb.
Wie sich diese Bildungselemente in dem genialen Kopf gestalten,
bestreiten, suchen und fliehen, wie sie als Stoff von der
innewohnenden und anerschaffenen Dichterkraft gelenkt und verwandt
werden, das läßt sich nur an den Werken und Früchten erkennen. Denn
wenngleich der musikalische Hang früher im ganzen vorwaltete, so regte
sich doch auch der poetische Gestaltungstrieb schon in den Kinderjahren.
Aber, echt weiblich, zuerst scheu (ihr erstes Kinderlied wurde,
in Goldpapier gewickelt, eben unter der Wetterfahne "der Ewigkeit
geweiht") und in den vier Wänden des Hauses, zu dessen Schmuck
Gelegenheitsgedichte entstanden. Sie producirte übrigens zu allen
Zeiten sehr rasch, doch war sie erbarmungslos im Vernichten, Bessern,
Beschneiden. Eine so reiche Natur brauchte nicht zu kargen. Aber
nicht bald stand sie auf eigenen Füßen. Auch hier, selbst bei einer
so mächtig und markig angelegten Dichternatur die alte Erfahrung:
anfangs und lange noch segelt sie unter fremder Flagge, und unter
welcher! Gerade ihrem Wesen ganz heterogene Muster, wie Salis und
Hölty, Ernst Schulze und Matthisson, mädchenhafte Vorbilder, waren
ihre Leitsterne. Es waren Gestalten aus jener Zeit, von der sie später
singt:
Da gab es doch ein Sehnen,
Ein Hoffen und ein Glühn,
Als noch der Mond "durch Thränen
In Fliederlauben" schien,
Als man dem "milden Sterne"
Gesellte was da lieb,
Und "Lieder in die Ferne"
Auf sieben Meilen schrieb!
Aber auch den originellsten Ingenien sind solche Lehrstationen nicht
erspart, sie gehen eben in die Schule, um sich selbst kennen zu
lernen und zu finden. Dann fällt mit einem Male die fremde Hülle und
das eigne Bild steht fertig da
In unsern übersatten Tagen vollends fällt es dem Dichter schwerer,
originell zu sein. Das Eigne muß sich durch eine viel dichtere Schicht
conventioneller Formen hindurcharbeiten. Annette von Droste aber fand
sich, wenn auch erst, als die Tage der Jugend verflogen waren. So
glich sich jene Frühreife aus durch eine um so spätere, wirkliche
Reife.
Die Knospe brach, als es Zeit war. Doch dazu gehört vor allem ein
Leben, ja selbstgemachte Lebenserfahrungen, ein aus der Tiefe
geschöpfter Lebensinhalt, erkämpft, erlitten. Solche Lebensschule
ist auch die beste Dichterschule.
Suchen wir sie dort auf. Ihr Vater starb 1826, ihr Bruder folgte ihm; ihre Schwester vermählte sich 1834, das Haus war leer. Es war jetzt der schlichte Wittwensitz Rüschhaus, nordwestlich von Münster unter Gehölz, Wallhecken und Baumreihen gelegen, ein etwas veredeltes, altsächsisches Bauernhaus, von Garten umgeben, eine ganz abgeschiedene, still-beschauliche Welt. Da ist die Brutstätte ihrer ersten eigenthümlichen *) Poesien. Doch zuvor lernte sie auf mehrfachen Reisen an den Rhein auch andere Sitten und Menschen, ein lauter bewegtes Leben kennen. In Köln und Bonn lebten ihre nahen Verwandten, der geniale Werner von Haxthausen und der menschlich wie wissenschaftlich ausgezeichnete Rechtslehrer Clemens v. Droste, dessen Andenken sie eines ihrer innigsten Gelegenheitsgedichte gewidmet hat. In Wiesbaden, wo er (1832) gestorben, sitzt die Dichterin auf dem Friedhof an seinem Grabmal, unbemerkt von den Fremden, die sich über seine Verdienste auslassen. Der Gegensatz zwischen objektiver Würdigung des Mannes der Wissenschaft und der Herzenswärme einer liebenden Verwandten, die sein bestes Theil kannte, ist ethisch wie poetisch höchst ansprechend.
Sie standen da wie vor Pantheons Hallen,
Wie unter Bannern, unter Lorbeerlaub;
Ich saß an einem Hügel, wo zu Staub
Der Menschenherzen freundlichstes zerfallen.
Sie redeten von den zersprengten Kreisen,
Die all' er wie ein mächt'ger Reif geeint;
Ich dachte an die Wittwen und die Waisen,
Die seinem dunkeln Sarge nachgeweint.
Sie redeten von seines Geistes Walten,
Von seinem starken, ungebeugten Sinn,
Und wie er nun der Wissenschaft dahin,
Der Mann, an dem sich mancher Arm gehalten.
Ich hörte ihres Lobes Wogen schießen,
Es waren Worte, wohlgemeint und wahr,
Doch meine Thränen fühlt' ich heißer fließen,
Als ob man ihn verkenne ganz und gar.
In Coblenz weilte sie im Hause des Generals v. Thielemann,
mit dessen hochbegabter Frau sie von Münster her befreundet war.
Nährte die Heimat die Beschaulichkeit, die Fremde stellt sie einmal
ihren altheimischen Verhältnissen gegenüber freier und lehrt sie die
selben erst recht verstehen, dann aber bildete sich in diesen neuen
Umgebungen, in einer durch Rang oder Geist gehobenen Geselligkeit,
die in unserer Dichterin so eminente Gabe scharfer
Menschenbeobachtung aus, dieser seelenkundige, ahnungsvolle Blick,
der edlen Frauen überhaupt eigen, bei Annette von Droste schöpferisch
auftritt, ja geradezu einer der Hauptfactoren ihrer Poesie geworden ist.
Eine ganze Klasse ihrer Dichtungen empfängt, wie wir sehen werden, von
da ihren Ursprung.
Durch Freundschaft und Welterfahrung bereichert, aber auch mit immer frischer Treue gegen ihre Heimat, kehrte sie jederzeit in ihr Rüschhaus zurück. Da zeigt sie uns des Künstlers Hand in Ausübung einer ihrer besten Gaben, des Geschichtenerzählens vor einem flachsköpfigen Bauernkinderpublikum in Holzschuhen, die ihr "Frölen, Frölen, vertellen!" zu ihr hinauf gerufen haben, aber zu gleich von einer besonders ansprechenden Seite, der sich zum Volk und den Kleinen herablassenden Liebe, von welcher ihr Leben durchdrungen war. Sie liebte ihr Plattdeutsch und erzählte in dieser oder andern Mundarten mit Meisterschaft ihre heiteren oder auch Gespenstergeschichten.
[215] Oft, wenn ihre Mutter bei der älteren Tochter im Süden weilte, lebte die Dichterin ganz einsiedlerisch, im Winter vollends von der Welt abgeschieden, in der Klause zu Rüschhaus; nur ein kleiner Kreis von Freunden, unter denen der ehrwürdige Professor Schlüter, die Dichter Levin Schücking, W. Junkmann u. a., drang durch Schnee und Sturm in ihre Einsamkeit.
Aber ein eigner Dualismus kam in ihr äußeres Leben, nachdem ihre einzige Schwester sich mit dem allen Nibelungenfreunden und Germanisten wohlbekannten Freiherrn Joseph von Laßberg vermählt hatte. Geschwisterliebe und Sorge um ihre Gesundheit führte die Dichterin seitdem häufig und auf lange an die Ufer des Schwäbischen Meeres, wo der ritterliche Burgherr unter seinen Bücher-, Handschriften- und Wissensschätzen auf der alten Meersburg hauste. Auch dies eine rechte Dichterherberge. Freilich der Gegensatz gegen die Heimat scharf genug. Gegenüber steigt der junge Rhein aus seinem Seebad, das alte Constanz breitet sich aus, ihr vielbesungener Säntis hebt sein Schneehaupt, und zu Füßen die klaren Fluten des Sees, um den so vieler Herren Länder werben. Da wohnte Annette von Droste Jahrelang in einem runden Thurmzimmer der Burg, um deren altersgraue Mauern Geschichte und Sage sich schlingen; da steht sie auch auf dem Bilde, vom Altan hinablugend auf den See.
An des Balkones Gitter lehnte ich
Und wartete, du mildes Licht, auf dich;
Hoch über mir gleich trübem Eiskrystalle
Zerschmolzen schwamm des Firmamentes Halle;
Grauschimmernd lag der See mit leisem Stöhnen,
Zerflossne Perlen oder Wolkenthränen?
Es rieselte, es dämmerte um mich;
Du mildes Licht, ich wartete auf dich.
Und in einem andern Liede singt sie vom See:
Mir ist er gar ein trauter Freund,
Der mit mir lächelt, mit mir weint,
Ist, wenn er grünlich golden ruht,
Mir eine sanfte Zauberflut,
Aus einem tiefen klaren Grund
Gestalten meines Lebens steigen,
Geliebte Augen, süßer Mund
Sich lächelnd tröstend zu mir neigen.
Wie hab' ich schon so manche Nacht
Des Mondes Wiederschein bewacht!
Die klare Bahn auf dunklem Grün,
Wo meiner Todten Schatten ziehn;
Wie manchen Tag den lichten Hang,
Bewegt von hüpfend leichten Schritten,
Auf dem mit leisem Geistergang
Meiner Lebendgen Bilder glitten.
Auch die Gegenwart klopfte in bedeutenden Vertretern an das alte Schloß. Die schwäbischen Dichter Uhland und Justinus Kerner, Wessenberg u. a. sprachen ein. Ein neues Band fesselte sie an diese Lande, als sie vom Ertrag ihrer gesammelten Gedichte sich dort ein kleines Eigenthum, Gartenhaus und Weinberg, gekauft hatte. Aber im Leben und Dichten durch Kränklichkeit gehemmt, lebte sie dort schwere Jahre. Ihrer blühenden Nichte, die sie als Kind gepflegt, die im Geiste als Jungfrau und Braut vor ihr steht, ruft sie zu:
Sie aber, die vor Lustren dich gebar,
Wie du so schön, so frisch und jugendklar,
Sie steht mit Einer an des Parkes Ende
Und drückt zum Scheiden ihr die bleichen Hände,
Mit Einer, wie du nimmer möchtest denken,
So könne deiner Jugend Flut sich senken;
Sie schaun sich an, du nennst vielleicht es kalt,
Zwei starre Stämme, aber sonder Wank
Und sonder Thränenquell, denn sie sind krank,
Ach, beide krank und alt!
Mit ihrem jungen Freunde Levin Schücking geht sie am Seestrand und
schaut von einer schön gelegenen Schenke dem Wellenspiel zu.
Sieh drunten auf dem See im Abendroth
Die Taucherente hin und wieder schlüpfend;
Nun sinkt sie nieder wie des Netzes Loth,
Nun wieder aufwärts mit den Wellen hüpfend;
Seltsames Spiel, recht wie ein Lebenslauf!
Wir beide schau'n gespannten Blickes nieder;
Du flüsterst lächelnd: immer kommt sie auf –
Und ich, ich denke, immer sinkt sie wieder!
Auch dieser großen Natur hat sie ihr poetisches Recht widerfahren
lassen, aber zuhause wurde sie nimmer am Bodensee. Zum letztenmal
betrat sie den Boden der Heimat im Sommer 1846. Ihr Ende sah
und verkündete sie mit voller Sicherheit voraus. den beginnenden
Stürmen des Jahres 1848 nahm sie, die fünfzigjährige, lebensmüde,
ein Herzschlag hinweg. Sie sollte nicht in der rothen Erde, dem
Lande ihrer Wiege und Jugend, ruhen.
Meine Lieder durften leben,
Wenn ich längst entschwand:
Mancher wird vor ihnen beben,
Der gleich mir empfand.
Ob ein andrer sie gegeben
Oder meine Hand:
Sich, die Lieder durften leben,
Aber ich entschwand.
Geistl. Jahr. S. 56.
Wer möchte es wagen, diesem Lebensbild ein erschöpfendes Bild
der Dichtungen an die Seite zu stellen. Ein solches kann nur die
Quelle selbst für sehende Augen widerspiegeln. Ebendahin möchte mein
Versuch auch nur orientirend die Wege weisen und einige Steine wegräumen,
die auf dem Wege zum Verständniß liegen. Denn solche fehlen nicht; es
sind inhaltliche wie formelle Hemmnisse.
Der die Gedichte im ganzen
durchwehende Geist bildet einen starken Gegensatz gegen den Gemeingeist
der Zeit, er weist mahnend auf verlorene und verachtete Güter hin, er
ruft die Gegenbilder einer untergegangenen Welt oder ein Idealbild aus
dem Duft der Phantasie und dem Heiligthum des Herzens wach. Wohl irrt
auch dieser Geist und verirrt sich mannigfach; vieles Große und Echte
sieht er nicht, was vor den Füßen liegt, zieht sich gern – ein
noli me tangere – scheu und
verstimmt zurück von der Berührung mit
der rauhen Wirklichkeit. Aber auch wie oft durchschaut er mit
herzens[216]kundigem Prophetenblick die gleißende Außenseite und erschaut
die tiefen Schäden, den inneren Nothstand der Gegenwart. Nicht auf
breiter Fahrstraße ziehen ihre Lieder, vielmehr meist auf einsamen
Wald- und steilen Felswegen, wo Liebe und Sympathie sie aufsuchen
müssen. Diese Abgeschiedenheit und Fremdartigkeit, ja dieser oft
schroffe Widerspruch gegen die Durchschnittsrichtung unserer Zeit ist
der eine Stein des Anstoßes. Der andere liegt in der Form: in
formellen Vorzügen und Gebrechen. Denn ein Vorzug ist ja doch dieser
wunderbare Sprachreichthum, diese Sprachgewalt, dieses an die Dinge
selbst mit glücklichstem Treffer sich anschmiegende Sprachgefühl.
Das mit der Sache frisch und natürlich geborene Wort steht ihr, wie
schwerlich einem zweiten Dichtergenius unserer Tage mit gleicher
Ursprünglichkeit, zu Gebote.
Wir erkennen hierbei als mitthätig die Naturfrische des weiblichen
Geistes, dem noch nicht in einseitigem Bücherleben der unverkümmerte
Sprachinstinct abhanden gekommen; alles ist hier Leben aus erster
Hand, nichts Abgegriffenes, Conventionelles, Landläufiges. Ja, es
ist ein sprachbildender Genius voll markiger Schöne in ihr, eine Fülle
sprechender Bilder, neuer oder neubelebter Ausdrücke und Wendungen.
Sie sucht nicht nach dem Neuen und Ueberraschenden, gerade die
naturwüchsige Originalität zieht uns an, mit der wie ungerufen das
rechte Wort zur rechten Zeit kommt; die innere Wahrhaftigkeit, die
nur Empfundenes und Erlebtes aussprechen und es gerade so aussprechen
will, wie es empfunden worden. Aber schon die energische Kürze, mit
der sie kein Wort zu viel jagen will, macht sie nicht selten schwer
und dunkel. Ein größerer Formmangel liegt in der oft wiederkehrenden
Willkür, mit welcher sie ohne Rücksicht auf das Verständniß des
Lesenden, nur ihr Bedürfniß befragend, Mittelglieder des Gedankens,
nothwendige Züge zu einem Bilde ausläßt und die Ergänzung dem Leser
überläßt. Es hängt dies mit der Größe und mit einer Schwäche ihrer
Dichtergabe zusammen. Eine wunderbare Phantasie, gewaltig,
vielgestaltig, steht ihr zu Gebote. Die Welt wird ihr zum Gedicht,
es lebt und webt, es singt und klingt ringsum. Mitunter erreicht
das gesteigerte Phantasieleben eine krankhafte Erregtheit. Man fühlt
und sieht, wie die Seligkeit des Schaffens fast zu einem Leiden,
einem passiven und pathologischen Zustand werden kann. Nicht blos
besitzend, nein auch besessen von der übermächtigen Gabe steht sie
vor uns. Die formirende Kraft und künstlerische Klarheit, so groß
im einzelnen Bild und für die bestimmte Situation, reicht mitunter
nicht aus, ein größeres Ganzes zu umspannen, zu durchdringen und zu
beherrschen. Die Geister kommen, sie sind entfesselt, aber die
Dichterin weiß sie nicht immer zu
bannen. – Populär kann sie bei so
gearteten Gaben nimmer werden. Sondernaturen, die so eigne Wege gehen,
läßt die Menge ruhig ziehen. Auch kennt sie sich selbst in diesem
Punkte. Sie will allmählich genossen sein; nur durch
immerwiederkehrende Versenkung kommt man ihr näher.
Ihren Dichterberuf faßt sie tief, fast mit religiöser Weihe.
Sie hat ein starkes Gefühl von dem Segen und der Verantwortlichkeit,
die sie mit der anvertrauten Gabe überkommen. Gerade weil sie ihn als
eine Mission nimmt, ist ihr jede eitle Selbstbespiegelung, die nur
sich weiß, sich will, ganz fremd.
Auch hebt sie dieser heilige Ernst
über den Zweifel hinweg, ob sie als Weib nicht unbefugt heraustrete
aus den Schranken der Natur und Sitte, ob das Weilen auf dem Markte,
statt in dem Stillleben des Hauses und dem Heiligthum des Herzens nicht
ein Frevel sei. Ungewöhnlich lange hat sie mit Veröffentlichung ihrer
Dichtungen gezögert; als Opfer empfindet sie es wohl, also aus sich
und dem engeren Rahmen der weiblichen Lebensordnung herauszutreten,
aber als ein gottgewolltes.
"Was meinem Kreise mich enttrieb,
Der Kammer friedlichem Gelasse?"
Das fragt ihr mich, als sei, ein Dieb,
Ich eingebrochen im Parnasse.
So hört denn, hört, weil ihr gefragt:
Bei der Geburt bin ich geladen,
Mein Recht, soweit der Himmel tagt,
Und meine Macht von Gottes Gnaden.
Jetzt wo hervor der todte Schein
Sich drängt am modervollen Stumpfe,
Wo sich der schönste Blumenrain,
Wiegt über dem erstorbnen Sumpfe,
Der Geist, ein blutlos Meteor,
Entflammt und lischt im Moorgeschwehle,
Jetzt ruft die Stunde: "Tritt hervor,
Mann oder Weib, lebendge Seele!"
Die Strophen sind aus dem schönen Gedicht "Mein Beruf", gleichsam dem poetischen Programm der Dichterin. Aus innerstem Herzenstriebe legt sie ähnliches Zeugniß ab in der Apostrophe "An die Schriftstellerinnen in Deutschland und Frankreich." Die verwaschene Sentimentalität deutscher Dichterinnen mit "Thränengründen, Mondscheinalleen und Gänseblümchen" auf der einen, die französische Emancipationslüsternheit mit dem "Bachanal der Sinne" und den "Kränzen der Hetäre" auf der andern Seite, das sind die Ab- und Irrwege, die theils gar nicht, theils zerstörend wirken. An diesem Kreuzweg pflanzt sie ihr Panier auf und zeigt den Richtweg an.
Die Zeit hat jede Schranke aufgeschlossen,
An allen Wegen hauchen Naphtablüthen,
Ein reizend scharfer Duft hat sich ergossen,
Und jeder mag die eignen Sinne hüten.
Das Leben stürmt auf abgehetzten Rossen,
Die noch zusammenbrechend haun und wüthen.
Ich will den Griffel eurer Hand nicht rauben,
Singt, aber zitternd, wie vorm Weih die Tauben.
Ja, treibt der Geist euch, laßt Standarten ragen!
Ihr wart die Zeugen wildbewegter Zeiten,
Was ihr erlebt, das läßt sich nicht erschlagen,
Feldbind' uud Helmzier mag ein Weib bereiten;
Doch seht euch vor, wie weit die Schwingen tragen,
Stellt nicht das Ziel in ungemessne Weiten,
Der kecke Falk ist überall zu finden,
Doch einsam steigt der Aar aus Alpengründen.
Vor allem aber pflegt das anvertraute,
Das heilge Gut, gelegt in eure Hände,
Weckt der Natur geheimnißreichste Laute,
Kniet vor des Blutes gnadenvoller Spende;
Des Tempels pflegt, den Menschenhand nicht baute,
Und schmückt mit Sprüchen die entweihten Wände,
Daß dort, aus diesen Wirren, Staub und Mühen,
Die Gattin mag, das Kind, die Mutter knien.
Ueberall dieselbe Verkündigung: rein muß die Poesie,
die Himmelstochter, gehalten werden, nicht herabgezogen werden
in den Staub und zum Dienst des Gemeinen.
Poesie gleicht dem Pokale
Aus venedischem Kristall;
Gift hinein – und schwirrend singt er
Schwanenliedes Melodie,
Dann in tausend Trümmer klirrend,
Und hin ist die Poesie!
Zu ihrer allgemeinen Charakteristik gehört weiter, daß wir von rein
subjectiver Lyrik bei ihr fast nichts finden. Und was wir davon
finden, liegt gerade am Ende ihres Dichterganges, nicht, wie fast
immer sonst, am Anfang.
Ja, auch diese Lyrik – ich meine die Lieder des "geistlichen Jahres" – die spätgereifte Frucht eines erfahrungsreichen Lebens, sucht einen realen Boden, die Anlehnung nämlich an die objective Wahrheit der heiligen Schrift. Diese scheinbar verkehrte Welt in ihrer poetischen Bildungsgeschichte erklärt sich einmal, wie oben angedeutet, aus einem realistischen Zug ihres Volksstammes, aber auch aus dem Trieb hochbegabter Frauen, die Dinge in ihrer Wirklichkeit zu sehen, zu beobachten. Diesem äußeren Gesicht entspricht das innere, dem Schausinn die Phantasie. Und das ist eben ihre Dichterprärogative. Mit der Erzählung fängt sie daher als Dichterin an, die Erzählung ist, vom "geistlichen Jahr" abgesehen, stets ihre Stärke geblieben. Bestärkt wurde sie in diesem sachlich objectiven Zug durch das Vorbild der englischen Literatur. Den Dingen muthig zu Leibe zu rücken, sie scharf zu sehen, derb anzufassen, sie aus sich und für sich reden zu lassen, diese Gabe haben Walter Scott, Lord Byron u. a. allerdings in ihr zeitigen helfen.
Außer in ihrem poetischen Testament, "dem Geistlichen Jahre,"
gibt sie ihr eigenstes Seelenleben, die Geheimnisse ihres Innern,
nicht preis. Und ist das nicht auch echt weiblich? Diese
Verschlossenheit und Verborgenheit? Gehört das nicht zur immerhin
nothwendigen Resignation dichtender Frauen? Das Surrogat für jene
subjective Lyrik, die das Herz auf der Lippe trägt, war ihr die
Musik; auf der Tonleiter stieg ihr Stimmungsleben auf und nieder.
Namentlich kein Wort von Liebe. Hat sie nur verschwiegen oder war
kein Anlaß zum Singen von diesem Grundthema aller Lyrik? Wir kennen
ihre Herzenserfahrungen nicht. Jedenfalls aber waren sie in der
Periode ihrer originalen Dichtungsweise (in ihrem vierzigsten
Lebensjahre erschien ihre erste Sammlung) längst verklungen,
und ohnedies
[218] hätte diese Dichterin am wenigsten vor allem Volk davon geredet.
Wohl aber ist uns ihre Gesinnung über diesen Punkt aufbewahrt. Sie
meinte unter Freunden, (und kam oft im Ernst oder Humor auf dies
Thema zurück) die vielgepriesene Liebe, wie man sie durchgängig
verstehe, sei einer so maßlosen Bewunderung nicht werth, da sie zu
flüchtig, zu vergänglich, ja oft zu selbstsüchtig sei, um über
alles andere Schöne des Lebens erhoben zu werden. An anderem
Edeln und Hohen könne die Poesie einen ruhmvolleren Kranz erringen,
als an der Liebe, die alle Welt besinge.
Ihre Stoffe schöpfte sie
aus dem Naturleben, aus der Geschichte und Sage, aus der
Geselligkeit und dem Haus- und Freundeskreise,
einige berühren allgemeine Zeitfragen,
ihre letzten Dichtungen Religiöses.
Aus der Natur. Der Natursinn ist nicht an eine naturreiche Heimat
gebunden, weder für die Werktagskinder noch für die Poeten. Er kann
hervorbrechen grade als Gegensatz, als Sehnsucht nach einem nicht
gekannten und besessenen Schöneren. Aber die wahre Probe auf die
Stärke des eingeborenen Naturgefühls ist doch, daß der Dichter das
Land seiner Wiege adelt und im Spiegel der Verklärung auch dessen
mäßige Schöne schaut, daß die Pietät gegen die Stätte der Geburt,
die allen gemein sein soll, der individuellen Dichtergabe vorarbeitet
und entgegenkommt. So ist es bei Annette von Droste.
Wohl streckt sie ihre Hand auch in die Weite aus. Zunächst ist es,
wie wir sahen, ihr Bodensee, die zweite Heimat, der sie so manches
tief empfundene Dichterwort schenkt. Aber sie war doch nie jung
gewesen am See und in den Voralpen, das Paradies der Kindheit
lag nicht dort, die tausend unsichtbaren und doch so mächtigen Fäden,
die uns an die Heimat ketten, sie fehlten ihr dort, über das
Touristengefühl ist sie zuletzt doch wohl kaum hinausgekommen.
Aber sie greift noch weiter in ihren Naturbildern, auch in nie
gesehene Fernen, und immer hin zeugt es für ihre Dichterkraft, daß
die Phantasie allein, diese große Entdeckerin, sie in die Bergwelt
der Pyrenäen z. B. so helle Blicke werfen läßt. Aber Westfalen und
Münsterland ist es doch zuletzt, wo sie lebend und auch dichtend
Anker wirft, der sichere, vertraute Port. Aus dieser Erde quillen
ihre Freuden, da wachsen auch ihre duftigsten poetischen Blumen.
Man lese die "Haidebilder", um das zu verstehen. Welch ein
Verständniß für das Naturleben dieser Gegenden!
O schaurig ist's übers Moor zu gehn,
Wenn es wimmelt vom Haiderauche,
Sich wie Phantome die Dünste drehn
Und die Ranke häkelt am Strauche,
Unter jedem Tritte ein Quellchen springt,
Wenn aus der Spalte es zischt und singt,
schaurig ist's übers Moor zu gehn,
Wenn das Röhricht knistert im Hauche!
Oder das Bild des Weihers:
Er liegt so still im Morgenlicht,
So friedlich, wie ein fromm Gewissen,
Wenn Weste seinen Spiegel küssen,
Des Ufers Blume fühlt es nicht;
Libellen zittern über ihn,
Blaugoldne Stäbchen und Carmin,
Und auf des Sonnenbildes Glanz
Die Wasserspinne führt den Tanz;
Schwertlilienkranz am Ufer steht
Und horcht des Schilfes Schlummerliede;
Ein lindes Säuseln kommt und geht,
Als flüstr' es: Friede, Friede, Friede!
Wie aber stellt sie die Natur der Heimat und jede Natur dar?
Nirgends bleibt sie auf der Oberfläche der Erscheinung, nie verhält
sie sich blos descriptiv. Sie weiß den Naturgeist zu entbinden,
das stille Reich episch, ja dramatisch zu beleben, indem ihr die
Elemente, die Blumen, die Steine, die Thiere, ja alles Kleinste
unter der Hand zu persönlichem Leben wird und Rede steht und Antwort
gibt. Einem Naturverständniß von solch ursprünglicher Tiefe begegnen
wir kaum zum zweitenmal in unserer Poesie.
Hier steht das Poetische im engsten Bund mit dem Volksthümlichen, wie es sich dem phantastisch-mythologischen Trieb aller Naturreligionen, im antiken wie im germanischen Volksglauben, ausspricht. Und es ist, als ob das Weib der Natur näher, mit ihr auf vertrauterem Fuße stände. Die weibliche Natur bedarf nicht der mannigfachen Vermittlungen, die den männlichen Geist für die Erkenntniß fördern, in der poetischen Imagination aber hemmen. Dagegen ist unsere Dichterin, wie ihrem Wesen überhaupt eine Ader männlichen Geistes beigemischt scheint, recht eigentlich in einem Mittelgebiet zu Hause. Die Geheimnisse des Naturlebens quälen und beunruhigen sie, sie grübelt und brütet über ihren Wundern und schwindelnden Tiefen, sie ringt gegen die gewaltige Naturmacht, die alpartig auf ihr liegt; sie schwankt zwischen phantastischen Träumen und selbstquälerischer Skepsis. Ja grade die dämonische Nachtseite, das unheimliche Grauen fesselt sie. Die poetische That wird ihr nicht immer zum Befreiungs- und Heilungsproceß, in einzelnen Liedern dunkeln noch die krankhaften Schatten nach. Wo sich diese Naturbetrachtung an einen bestimmten Volksglauben anschließt, den sie eben nur dolmetscht, wie z. B. in dem Gedicht "Der Knabe im Moor," einem Gegenstück zu Goethe's "Erlkönig" oder dem "Haidemann," da sprechen uns diese Stimmungsbilder aus der Natur, trotz des düstern Hintergrundes und des zweifelhaften Halbdunkels, im hohen Grade an; es sind plastisch abgerundete Meisterstücke. Wo aber das eigene Brüten über den Räthseln der Ausgangspunkt des Bildes, ist, wie in der "Mergelgrube" oder den "Krähen", da flackert mit dem Irrlicht des Inhalts auch die Form unstät hin und her.
Neben die Natur stellt sich für ihr poetisches Interesse die
Geschichte und Sage. Sie war eine selten begabte Erzählerin,
wie mündlich so im Dichten. Und von dem Sinn und Blick für die
Geschichte in ihr, dem Kinde einer historisch gestimmten Familie,
Landschaft und Zeit sprachen wir oben. Theils haben wir kleinere
Geschichtsbilder in Balladenform, theils episch gehaltene größere
Gedichte von ihrer Hand. Grade die letzteren sind die frühest
entstandenen. Schon hierin zeigt sich ein besonderer Beruf für
dies Feld. Und in der That kommen grade auf diesem Gebiet die
Vorzüge ihrer Muse zu glänzendster Bethätigung. Man lese z. B.
die poetische Erzählung "Der Geierpfiff." Die Räuberbande rüstet
und vertheilt sich, von ihrem Hauptmann instruirt, zum Empfang des
Schlachtopfers, der schon signalisirten Kutsche mit dem reichen
Kaufherrn. Naht Gefahr in Gestalt von Landdragonern oder andern
Dienern der Gerechtigkeit, so soll der Lämmergeierpfiff das Zeichen
zum Rückzug geben. Der schlimme Rieder, der "Höllenbrand" faßt
Posto an der Felsenklippe, hinter der, von ihm ungesehen, ein
Landmädchen Mittagsruhe hält. Der Wagen naht, da fährt ein wirklicher
Lämmergeier schreiend durch die Luft und Mädchen und Kutsche
sind gerettet. Der Contrast des Räubers, der sprungbereit seine
Beute erlauert, und der keine Gefahr ahnenden Maid, zwischen der
blutigen Schuld und der ahnungslosen Unschuld, ist an sich so
spannend und in der Form so lebendig-drastisch behandelt, wie
es nur der höchsten Meisterschaft glücken mag.
Ja lieblich ist des Berges Maid
In ihrer festen Glieder Pracht,
In ihrer blanken Fröhlichkeit,
Und ihrer Zöpfe Rabennacht;
Siehst du sie brechen durchs Genist
Der Brombeerranken, frisch gedrungen,
Du denkst, die Centifolie ist
Vor Uebermuth vom Stiel gesprungen.
Nun steht sie still und schaut sich um –
All überall nur Baum an Baum;
Ja, irre zieht im Walde um
Des Berges Maid und glaubt es kaum;
Noch zwei Minuten, wo sie sann,
Pulsiren ließ die heißen Glieder;
Behende wie ein Marder dann
Schlüpft keck sie in den Steinbruch nieder.
Am Eingang steht ein Felsenblock,
Wo das Geschiebe überhängt;
Der Epheu schüttelt sein Gelock,
Zur grünen Laube vorgedrängt:
Da unterm Dache lagert sie,
Behaglich lehnend an dem Steine,
Und denkt: ich sitze wahrlich wie
Ein Heil'genbildchen in dem Schreine!
Ihr ist so warm, der Zöpfe Paar
Sie löset mit der runden Hand,
Und wieder rauscht ihr schwarzes Haar
Wie Rabenfittiges Gewand.
Ei! denkt sie, bin ich doch allein!
Auf springt das Spangenpaar am Mieder;
Doch unbeweglich, gleich dem Stein,
Steht hinterm Block der wilde Rieder.
Er sieht sie nicht, nur ihren Fuß,
Der tändelnd schaukelt wie ein Schiff,
Zuweilen treibt des Windes Gruß
Auch eine Locke um das Riff;
[219] Doch ihres heißen Odems Zug,
Samumes Hauch glaubt er zu fühlen,
Verlorne Laute, wie im Flug
Lockvögel, um das Ohr ihm spielen.
So weich die Luft und badewarm,
Berauschend Thimianes Duft,
Sie lehnt sich, dehnt sich, ihren Arm,
Den vollen, streckt sie aus der Kluft,
Schließt dann ihr glänzend Augenpaar –
Nicht schlafen, ruhn nur eine Stunde –
So dämmert sie und die Gefahr
Wächst von Secunde zu Secunde.
Der Stoff dieser Erzählung ist der Gegenwart und offenbar dem Alpenlande entnommen. Meist sind aber die Geschichten und Sagen, die sie behandelt, dem Boden der Heimat entsprungen. Mehrere sind eigens für L. Schückings Buch über Westfalen geschrieben. Gewisse Grund- und Familienzüge gehen durch fast alle hindurch
Sie zieht die Sage der Geschichte vor. Begreiflich, weil an jener die Volksphantasie schon vorgearbeitet und gleichsam mitgedichtet hat. Die Perlen dürfen vom Dichter nur gefaßt werden. Auch lebt die Sage viel lebendiger in der Tradition fort.
Eine fast frankhafte Vorliebe zeigt sie auch hier für die dämonische
Nachtseite, in dem Elemente des Grauenhaften, Modernden,
Gespenstischen fühlt sich ihre Poesie am wohlsten. Es ist auch das
nichts Gemachtes, sondern etwas Gewordenes in ihr. Ihr eigenes
Seelenleben war diesem dunklen Zwischengebiet zugewandt, sie selbst
glaubte sich im Besiz jenes im Münsterland so heimischen
Vorschauersinns, in den Gedanken des Todes war sie gern
und ganz zu Hause. Man
kann sagen, die Dichterin selbst ist persönlich zu sehr betheiligt
und afficirt, ihre geängstete Seele steht zu stark unter dem Bann des
Grauenhaften, um einen reinen poetischen Genuß hervorbringen zu können.
Aber dies Grauen weiß sie dem Leser mit eindringlichster Gewalt
einzuhauchen. Gerade durch diese plastische Kraft der Darstellung,
der das frappanteste Bild und die lebhafteste Farbe zu Gebote steht,
tritt das Gebild des Schattenreichs und der Dämmerwelt in besonders
grelles Licht. Die Dichtung zieht es aus dem Dunkel an den Tag,
sie citirt die Geister, die Gespenster gewinnen reale Existenz und
der Leser fängt mit der Dichterin an, daran zu glauben. Aber wohl
wird ihm nicht dabei. Und die Dichterin? – Es
sind wohl besonders solche
Seelenerfahrungen und deren Abglanz in der Dichtung, an die sie in
dem schönen Gedicht "Der Dichter" denkt, von dem inneren Leiden des
Poeten redend:
Meint ihr, das Wetter zünde nicht?
Meint ihr, der Sturm erschüttre nicht?
Meint ihr, die Thräne brenne nicht?
Meint ihr, die Dornen stechen nicht?
Ja eine Lamp' hat er entfacht,
Die nur das Mark ihm siedend macht;
In Perlen fischt er und Juwele,
Die kosten nichts – als seine Seele.
Unter den vier größeren, zum Theil an die Epopöe reichenden
Dichtungen ragt das vaterländische Geschichtsbild, die Schlacht
im Loenerbruch weit hervor, ein Bild auch reich an Blut, Graus
und Schrecken. Wir staunen den Frauengeist an, der solchen Griffel
führt. Das Verständniß der Geschichte im großen Stil, in ihren
treibenden Kräften und Bewegungsgesetzen, und wieder der
psychologische Scharf- und Tiefblick, der das innere Leben des
Helden, des "tollen Herzogs" Christian von Braunschweig so
treffend charakterisirt, mehr durch Züge und Bilder, als durch
Urtheile – all das ist ungewöhnlich. Doch ist das Gedicht zu chaotisch
und mehr in Einzelheiten groß und schön, als im ganzen befriedigend.
Der weiblichen Hand versagte doch so sprödem Stoff gegenüber zuletzt
die gestaltende Kraft. Das Grundgebrechen liegt eben schon in der
Wahl des Stoffes selbst, es ist keine historische Hauptgestalt, an
der sich die Dichterin recht erwärmen, für die sie sich begeistern
könnte. Eine Zeit voll Unglück und Ruinen und nirgends ein persönlicher
Gegensatz, an dem sich das Gefühl aufrichtet.
[235] Einen ganz andern Charakter tragen die Lieder aus dem Hause,
dem Freundeskreise und der Geselligkeit. Während die
eben geschilderten
Gedichte großentheils Ausgeburten der Einsamkeit, eines sich
einspinnenden und vom Verkehr des Tages sich scheu abwendenden
Phantasielebens waren, sind die poetischen Genrebilder, von
denen ich rede, in der lebensfrischen Gemeinschaft mit andern
Menschen, im frohen Lichte des Tages entstanden. Hier zeigt
sich die andre Seite der Frauennatur, dieser Natur. Es ist der
liebevolle Sinn für das Kleinste und jedes Menschliche, die sinnige
Beobachtung in Haus und Geselligkeit, die des Weibes Welt ist,
der errathende Blick in das Innere andrer Menschen, dabei ein bei
Frauen so seltener Humor, neckisch, schalkhaft, anmuthig und
immer in den sicheren Grenlinien feinster Bildung und Grazie.
Mit dieser Gruppe von Gedichten macht der mit der Dichterin noch
Unbekannte am besten den Anfang seiner Bekanntschaft, weil sie
sämmtlich nach Inhalt und Form leicht zugänglich sind. Manche
sind schon Lieblinge, besonders der Frauen geworden. So "Junge Liebe",
"Das vierzehnjährige Herz" "Die junge Mutter", "Die beschränkte
Frau". Vom glücklichsten Humor sind u. a. "Dichters Naturgefühl",
"Der Theetisch", "Das Gastrecht", "Das Eselein", "Die
Stubenburschen"; ernst und ergreifend: "Der Prediger",
"Ein braver Mann", "Der sterbende General", "Nach fünfzehn Jahren".
Ein ganzer Cyklus solcher Lebensbilder, der Ton gemischt aus Ernst und
Schalkheit, ist "Des alten Pfarrers Woche", ein glücklichster Griff
aus dem Leben, ein wahres Cabinetsstück jener Muse, die es nicht
verschmäht, am Herd sich niederzulassen, das Kleinleben der
Menschenkinder in Lust und Leid zu belauschen und auszuplaudern für
die, denen das Herz für das Nächste noch nicht erstorben ist.
Die Dichterin begleitet mit dem Auge der Liebe das Tagewerk eines
alten katholischen Pfarrers die Woche entlang. Jeder Tag hat für
ihn seine Plage, aber auch seine Weihe und Erhebung. Durch das
nächste Alltagsthun schimmert immer die höhere Beziehung des Amtes
hindurch. Das Freitags- und Samstags-Bild sind die schönsten.
Freitags ist der Besuchstag des Pfarrers, bei dem auch schon ergrauten
Gutsherrn, seinem alten Schüler aus jungen Jahren.
[236] Zu denken in gestandnen Tagen
Der Sorge, die so treulich sann,
Der Liebe, die ihn einst getragen,
Wohl ziemt es jedem Ehrenmann.
Am Lehrer alt, am Schüler mild
Magst du nicht selten es gewahren;
Und sind sie beide grau von Haaren,
Um desto werther ist das Bild.
Zumeist dem Priester wird beschieden
Für frühe Treue dieser Lohn;
Nicht einsam ist des Alters Frieden,
Der Zögling bleibt sein lieber Sohn.
Ja, was erstarrt im Lauf der Zeit,
Und wehrt dem Neuen einzudringen,
Des Herzens steife Flechten schlingen
Sich fester um Vergangenheit.
So läßt ein wenig Putz gefallen
Sich heut der gute Pfarrer gern,
Das span'sche Rohr, die Silberschnallen,
Denn heute geht's zumjungen Herrn.
Der mag in reifen Jahren stehn,
Da ihn erwachsne Kinder ehren,
Allein das kann den Pfarr' nicht stören,
Der ihn vor Zeiten klein gesehn. – –
Das Zusammensein von Lehrer und Schüler in Schloß und Garten schildern die folgenden fünf Strophen. Und der Schluß:
Doch mit dem Abend naht das Scheiden,
Man schiebt es auf, doch kömmt's heran,
Die Kinder wollen's gar nicht leiden.
Am Fenster steht der Edelmann
Und spinnt noch lange, lange aus
Vielfarbger Bilder bunt Gezwirne;
Dann fährt er über seine Stirne,
Und athmet auf und ist zu Haus.
Mit dem Samstag geht die Woche und ihre Arbeit zu Ende,
ein Bild des Lebens. Es ist die elfte Stunde
die Sonntagspredigt geendigt, Feierabend.
Ja, ja, es ist schon spät." –
Der frische Grabeshügel des heute erst beerdigten, ganz gleichaltrigen Jugendfreundes, des Försters, glänzt mondbeschienen durchs Fenster.
Wie oft sprach nicht der Todte,
Nach seiner Weise kühn:
"Herr Pfarr', wir alten Knaben,
Wir müssen sachte traben,
Die Kirchhofsblumen blühn".
"So mögen sie denn blühen!"
Spricht sanft der fromme Mann,
Er hat sich aufgerichtet,
Sein Auge, mild umlichtet,
Schaut fest den Aether an
"Hast du gesandt ein Zeichen
Durch meinen eignen Mund,
Und willst mich gnädig mahnen
An unser aller Ahnen,
Uralten ew'gen Bund;"
"Nicht lässig sollst du finden
Den, der dein Siegel trägt,
Doch nach dem letzten Sturme" –
Da eben summt's vom Thurme,
Und zwölf die Glocke schlägt.
"Ja, wenn ich bin entladen
Der Woche Last und Pein,
Dann führe, Gott der Milde,
Das Werk nach deinem Bilde
In deinen Sonntag ein."
Die Gruppe von Gedichten, die ich hier berühre, hat in ihrer Art
ihres Gleichen in unsrer Literatur nicht wieder. Will man wählen
und trennen, so wird der Name der Dichterin in ihrem und dem gleich
zu besprechenden "Geistlichen Jahr" am frischesten fortgrünen.
Ein Mann sieht hundert Dinge in dem Lebenskreise, in dem sich jene
Dichtungen bewegen, nicht, für die eine Frau ein Auge hat, aber
wie himmelweit dieses Sehen von dem So-Sehen, und dies wieder
von dem Vermögen, das Gesehene so gestalten und beleben zu können.
Wort und Sache decken sich hier vollständig, ja selten finden wir
eine so natürliche Congruenz von beiden wie in diesen kleinen
Kunstwerken. Aber hier so recht ist die Aesthetik im Bunde mit der
Ethik. Nur einer so durchleuchtenden und durchwärmenden Herzensgüte,
diesem liebevollen Mitgehen mit den vielverschlungenen Bewegungen des
Menschenherzens war eine solche Wirkung möglich. Manchmal erweitern
oder erheben sich diese kleinen Lebensbilder zu Zeit- oder Culturbildern,
aber von Politik und bestimmten Tagesfragen kein Wort. Die Dichterin
kannte die Klippe und ihren Beruf, nur das Dauernde und Ewige im
Zeitlichen von der lauten Landstraße in den Garten der Poesie
hinüberzuretten. Auch war der Staat ihr Feld nicht und konnte es
nicht sein.
Wir kommen zur letzten Station ihres Dichterlebens, zu den
religiösen Liedern des "Geistlichen Jahres", – wohl
den gelesensten
und verbreitetsten ihrer Poesieen. In ihren früheren Dichtungen
spiegelte sich vor allem doch ihr Welt- und Selbstbewußtsein, die
Welt in Natur und Geschichte, der Reflex von beiden im eignen
Innenleben. Wohl ruhten alle diese Bilder auf einem tieferen
Grund, der hier und da auch zu Tage kam. Aber nur sporadisch und
bruchstückartig. Alles drängte bei ihr aus der Vielheit zur Einheit,
und es war nichts als organisches Wachstthum aus einer
Lebenswurzel,
wenn sie gerade am Abend ihres Lebens ihre große Dichtergabe wie ein
Opfer auf den Altar legte. Am vollsten und vollkommensten enthüllen
doch Mensch wie Dichter ihr Wesen, wenn sie ihr Gottes-bewußtsein
aussprechen. Dann erst blicken wir ihnen in die Tiefen des Herzens,
Sage mir, was du glaubst, und ich sage dir, wer du bist. So auch
bei der Droste. Ihren Lebensbaum mit seinen vielästigen Wurzeln und
den Zweigen, in denen so manche liebliche Naturstimme erklungen,
würde die Krone fehlen ohne diese Enträthselung ihres Innern, ohne
dies Betreten des Allerheiligsten. Charakteristisch ist, daß
die Dichterin das Mysterium ihres innern Lebens erst nach ihrem Tode,
als ein theuerwerthes Vermächtniß, preisgab. Nach einer
schweren Krankheit entstand die erste Hälfte des "geistlichen Jahres",
offenbar die Frucht sehr ernster innerer Erlebnisse auf dem Krankenlager.
Vollendet und gefeilt wurde die Sammlung in den letzten Lebensjahren
der Dichterin, die in Ahnung und Vorhersagung ihres nahenden Endes
ihren würdigen Freund, den Professor Schlüter in Münster mit der
Herausgabe nach ihrem Tode betraute. Dadurch gerade, daß die
Lieder nun wie eine Stimme von jenseits des Grabes klingen,
gewinnen sie etwas ungewöhnlich Feierliches, Weckendes. Und
weil sie diese Schlußdichtung nicht mehr bei Lebzeiten wollte
ausgehen lassen, konnte sie ihre Stimme um so ungehemmter
austönen lassen, sonder Rücksicht und Fessel, frei vom letzten
Rest von Menschenfurcht oder falscher Scham.
Es ist ein Selbstgespräch, in
dem Seele allein ist mit ihrem Gott. Der Schleier
des Erdenlebens zerreißt, die Flitter
sind erblichen, und das Licht, das ihrem Auge geworden,
verlangt nach "Mehr Licht". Es fällt ein Strahl aus der Welt
des Schauens auf diese Worte des Glaubens.
Ihre nächste Bedeutung haben diese poetischen Laienpredigten für unsre
Kenntniß der inneren Bildungsgeschichte der Verfasserin selbst.
Wir sahen ihre persönliche Gestalt wohl auch durch ihre früheren
Dichtungen hindurchschreiten. Denn sie alle waren losgelöste Stücke
ihres Selbst und Lebens. Aber jetzt erst erhält sie völlig ausgeprägte
Züge, jetzt offenbart sie ihr Bestes und Eigenstes. Das Kind einer
altkatholischen und festgläubigen Familie war sie in dem Glauben
ihrer Kirche aufgewachsen, aber die Zeitbildung pochte stark genug
an die Herzensthür an und begehrte Einlaß. Mehr noch waren es tief
in ihrem Herzen liegende Eigenheiten, die sich gegen die überlieferte
Lebensanschauung sträubten. Es lag in ihr, wie wir sahen, ein
unruhiger Grübelgeist, eine schwer zu befriedigende Zweifelsucht,
eine fast männliche Verstandesschärfe. Sie hat den Kampf des
Selbstwissens gegen die Offenbarung, des Eigenwillens gegen das
göttliche Gesetz wohl gekannt; "mein Wissen mußte meinen Glauben
tödten," singt sie im Rückblick auf solche Kämpfe. Sie hat
diese höchsten und einzigen Lebensfragen durchdacht, zerdacht,
hat gerungen und gezweifelt, hat wieder den Zweifel bezweifelt.
Aber sie hat bis zum Siege durchgekämpft.
Was durch Verstandes Irren ich verbrach,
Ich hab' es ja
Gebüßt so manche Nacht und manchen Tag;
So sei mir nah!
Nach meiner Kraft,
Die freilich ich geknickt durch eigne Schulden,
Doch einmal aufzurichten nicht vermag,
Will hoffen ich, will tragen und will dulden;
Dann gibst Du, Treuer, wohl dem Glauben nach,
Der Hilfe schafft.
In zwei Punkten besonders erkenne ich innerhalb ihrer früheren
Poesien Vorbereitungen und Anklänge, ja Grundzüge und Elemente der
religiösen Erhebung, der wir im geistlichen Jahr begegnen. Einmal
ist es der ethische Geist, den jene Gedichte so lebendig und
ausnahmslos athmen, wie er nach aller Zeugniß auch
die Persönlichkeit der Dichterin selbst adelte. Das tiefe Gemüth,
die Treue und
Liebe, die oft so ergreifend im Dichten hervorbricht, mit der sie
im Leben Segen nach allen Seiten verbreitete, mit vollen Händen gab,
dies Dringen bei sich und andern auf die höchsten sittlichen Ziele,
hier ist mehr als Thun, hier ist ein Sein von
bedeutendem Werthe.
Der andere Zug, der uns auch in ihrem Dichten entgegentrat, ist die ernste und grübelnde Beschäftigung, die Vertrautheit mit den Bildern des Todes und des Vergehens. An ihrem eigenen siechen Körper erfuhr sie die Unsicherheit des Lebens auf Schritt und Tritt, daß "mitten wir im Leben sind mit dem Tod umfangen." Das Innewerden des Vergehens weist tiefere Naturen auf das Trachten nach ewigen Gütern. Aber hier mischte sich nun die Phantasie der Dichterin mit [237] selbstgeschaffenen Trugbildern ein. Das große Vacuum zwischen Himmel und Erde, zwischen dem Uebersinnlichen und der Sinnlichkeit bevölkert sie mit den gespenstischen Gestalten der Tiefe.
Diese
Gespensterperiode ist so zu sagen die Naturperiode ihres übersinnlichen
Hanges, aber eine Krankheit. Nun sie die Wahrheit gefunden und mit
aller Inbrunst ihres tiefen Wesens erfaßt hat, und in der Wahrheit den
Frieden, die persönliche Harmonie und Einheit, die verlorene aber
als ewiges Postulat immer zurückersehnte, nun quillt auch in ihrer
Poesie der tiefe Bronnen, der so lange Zeit brauchte, um ans
Tageslicht zu dringen, gewaltig eigenartig hervor. Der gesundmachende
Glaube vertreibt den Aberglauben, vor seiner Helle flieht
der dämmerige Spuk.
Wie brünstig flehend
Hab' ich so oft in mancher Nacht
An meine Todten mich gewandt!
Wie manchen Stundenschlag bewacht,
Wenn schwarz und wirbelnd lag das Land.
Und nicht ein Zeichen ward mir je,
Kein Knistern in des Lagers Näh',
Kein Schimmer längs den Wänden gehend.
Ich hab's gefunden
Wohl hart und lieblos manches mal,
Daß Der, dem ich so heiß geneigt,
Nicht einen Laut für meine Qual,
Kein Zeichen hatte los und leicht.
An ihrer Statt, so dünkte mich,
Würd' alles, alles wagen ich
Zu lindern des Geliebten Wunden.
Sie konnten's nimmer. – –
Wir sehen, sie wendet sich ab von dem dunkeln Zwischenreich
zu den lichten Regionen des wirklichen Lebens in Zeit und Ewigkeit.
Ueberhaupt galt es bei dieser inneren Umwandlung auf manche
Lieblingsneigung zu verzichten, denn die Rückkehr aus der
buntfarbigen Welt zur centralen Lebenseinheit mußte nothwendig
auch den Inhalt ihrer Poeste alteriren, ihn zurückführen auf
die einfachste Formel alles Menschen-, alles Christenlebens,
wo Hoch und Niedrig, Jung und Alt, Geistreich und Geistarm,
alle Gegensätze und Unterschiede der Natur verschwinden.
Auch das Schöne muß sterben, oder richtiger, es ersteht in
unserer Dichterin aufs neue in geweihter und verklärter Gestalt,
indem es in den Dienst ihrer theuer erkauften Lebensüberzeugung
tritt. Bis solche Energien sich beugen vor der Majestät Gottes,
bis ein so reicher Geist, dies stolze Herz, solche Fülle der
Phantasie die Wege der Selbstverleugnung gehen lernen, wohl
hält es schwer, und doch ist es auch hier eine unweigerliche
Lebensordnung, durch die Demüthigung zur Erhöhung. Nur in
lebendigen, dynamischen Menschennaturen erblüht dies höhere
Gesetz und das göttliche Leben in ursprünglicher Kraft.
Wir
haben einen Blick gewagt in die innere Werkstatt, aus der
das "Geistliche Jahr" entsprungen. Es enthält Betrachtungen
zu den Evangelien aller Sonn- und Feiertage des Kirchenjahres.
Aber freilich Betrachtungen ganz eigner Art. Die Evangelien werden
nicht rein geschichtlich, erzählend behandelt, weder als
Paraphrase noch in freier poetischer Reproduction, eben so wenig
ist es bloßer Gefühls-reflex auf den empfänglichen und empfangenden
Dichtergeist. Die Methode liegt in der Mitte.
Der Schrifttext ist Ausgangspunkt und Anstoß, die inneren Erfahrungen des dichtenden Subjects auszusprechen. Oft springt das Dichterwort willkürlich ab von dem Schriftwort, aus dem objectiven Gehalt des letzteren in das allersubjectivste Erlebniß über. Aber immer spiegelt sich das letztere in dem untrüglichen Spiegel des ersteren, vor welchem das Auge hell wird und der schöne Schein zerrinnt. Eine Probe soll das Gesagte und noch zu Sagende veranschaulichen. Es ist das Lied zum Evangelium vom verdorrten Feigenbaum.
Wie stehst du doch so dürr und kahl,
Die trocknen Adern leer,
O Feigenbaum!
Ein Todtenkranz von Blättern fahl
Hängt rasselnd um dich her,
Wie Wellenschaum.
O Mensch, ich muß hier stehn, ich muß
Dich grüßen mit dem Todesgruß,
Daß du das Leben fassest,
Es nicht entlassest!
Wie halt' ich denn das Leben fest,
Daß es mir nicht entrinnt,
O Feigenbaum?
O Mensch, der Wille ist das Best,
Die wahre Treu gewinnt!
Hältst du im Zaum
Die Hoffart und die Zweifelsucht,
Die Lauheit auch in guter Zucht:
Muß dir in diesem Treiben
Das Leben bleiben.
Wie bist du denn so völlig todt,
So ganz und gar dahin,
O Feigenbaum?
O Mensch, wie üpp'ges Morgenroth
Ließ ich mein Leben ziehn
Am Erdensaum,
Und weh, und dachte nicht der Frucht,
Da hat mich Gott der Herr verflucht,
Daß ich muß allem Leben
Ein Zeugniß geben.
Wer hat dir solches zubereit't
Durch heimlichen Verrath,
O Feigenbaum?
O Mensch, des Herren Aug' sieht weit,
Es sieht des Würmleins Pfad
In Blattes Flaum!
Ihn kannst du nicht entdecken, noch
Entziehn, er sieht und weiß es doch,
Es lag schon auf der Wage,
Am ersten Tage.
Du starbest wohl vor langer Zeit,
Weil du so dürr und leer,
O Feigenbaum?
O Mensch, des Herren Hand reicht weit,
Und ist so schnell und schwer,
Du siehst es kaum!
Er nimmt dir deines Lebens Hauch,
Du mußt vergehn wie Luft und Rauch,
Er braucht nicht Wort noch Stunden,
Du bist verschwunden.
Wo bleibt denn seine große Huld,
Was fruchtet denn die Reu,
O Feigenbaum?
O Mensch, gedenk an deine Schuld,
Gedenk an seine Treu!
Schau, in den Raum
Hat er mich gnadenvoll gestellt,
Daß ich durch seine weite Welt
Aus meines Elends Tiefe
Dir warnend riefe.
Steht denn kein Hoffen mehr bei dir,
Kein Hoffen in der Noth,
O Feigenbaum?
O Mensch, kein Hoffen steht bei mir,
Denn ich bin todt, bin todt!
O Lebenstraum,
Hätt ich dein schweres Sein gefühlt,
Hätt ich nicht frech mit dir gespielt,
Ich stünde nicht gerichtet,
Weh mir, vernichtet!
Es ist echte Lyrik, aber doch gehalten und getragen durch den realistischen Hintergrund des biblischen Wortes. Selten, in neueren Zeiten kaum, ist in poetischer Form eine solche Tiefe christlicher Selbsterkenntniß offenbar worden. Die unerbittliche Schärfe der Beobachtung, die Annette von Droste früher gegen die Welt und andere Menschen geübt, hier kehrt sie dieselbe gegen sich selbst; wie ein zweischneidig Schwert fährt ihr Wort in das dunkle Herz. Es ist ein Friedensruf aus tiefer Noth.
Brich ein, brich ein! o komm mit deiner Macht,
Gib mir die Kräfte, die du mir entzogen;
O laß mich schauen deinen Friedensbogen
Und deine Sonne leucht' in meine Nacht.
Triumph- und Siegeslieder sind es nicht immer, vielmehr blicken wir
meist in neue innere Kämpfe hinein. Mitunter sinkt ihre Stimmung
bis zur Verzweiflung herab. Sturm und Nacht ringsum und der rettende
Anker entglitten. Aber wie krampfhaft und mit leidenschaftlicher
Inbrunst klammert sie sich immer wieder an die emporziehende Hand
der göttlichen Liebe an. Aus diesem trotzigen und verzagten
Widerstreit von Hoffen und Fürchten, von dem seligsten Gefühl
des Besitzens und dem unseligen Bangen um das ewige Gut entspringen
die tiefsten und eigenthümlichsten Lieder des geistlichen Jahres.
Aber eben weil sie keine linden Friedensstimmen sind, die uns Kühlung
zufächeln in der Hitze des Tages, weil in ihnen noch die Staubwolke
des Kampfplatzes wirbelt, eben darum beruhigen sie nicht sowohl,
als sie aufregen oder zur Selbstprüfung anregen. "Ich glaube,
Herr hilf meinem Unglauben," das ist Thema und Inschrift dieser
Lieder; das Wort "Schaffet, daß ihr selig werdet mit Furcht und
Zitterns" bezeichnet die Seelenhaltung, in welcher sie geboren.
sind, in welche auch der empfängliche Leser versetzt wird. Der
Anblick des Ringens gerade einer solchen Natur, ihrer gesteigerten
ethischen Activität, die zuletzt doch immer in eine selbstlos
vertrauende Passivität ausläuft, hat auch eine erbauende Kraft.
Die Gestaltung aber, die sie dem Schmerzenskinde ihrer Muse zu
geben wußte, ist der Art, daß die meisten Lieder die höchste
poetische Befriedigung gewähren. Nicht wenige sind von
hinreißender Macht. Ein reicher Wechsel kunstvoller Metren
schmiegt sich mit seinem Formensinn den wechselnden Gedanken
und Stimmungen an. Aber leicht und populär sind auch diese
Lieder nicht und können es ihrem Ursprung und ihrem Charakter
nach nicht sein. Es fehlt die Einfalt und Gemeinverständlichkeit,
die nur dann dem religiösen Liede eigen sein können, wenn es der
Widerhall und objective Ausdruck großer Gesammterlebnisse der
Gemeine ist.
Hier aber pulsirt die vollste und stärkste Subjectivität, ein so
eigen und so besonders geführtes inneres Leben. Und doch, da die
Grundzüge alles Christenthums, die Erfahrung von Sünde und Gnade
auch diese so eigenartigen Lieder und ihre vielverschlungenen Wege
durchziehen, da sie zugleich zum Hintergrund die allen offene
[238] Quelle der heiligen Schrift haben, so ist es begreiflich,
daß sie relativ noch die populärsten Dichtungen der Annette von
Droste geworden und geblieben sind.
Der Leser, der überhaupt ein Organ hierfür hat, athmet doch Heimatluft, und wenn er ein gespanntes Mit- und Nachdenken, ein horchendes inneres Ohr herzubringt, so wird eine Schwierigkeit nach der andern wie Schuppen abfallen. Ich muß auf eine weitere Charakteristik, so lockend die Aufgabe, hier verzichten. Eine Probe noch mag den Kennern eine werthe Rückerinnerung sein; denen die der Dichterin bisher noch fern standen, ein Vorschmack werden des hohen Genusses, der ihnen hier winkt.
"Am lezten Tage des Jahres" heißt das Schlußgedicht der Sammlung.
Das Jahr geht um,
Der Faden rollt sich sausend ab.
Ein Stündchen noch, das letzte heut,
Und stäubend rieselt in sein Grab,
Was einstens war lebend'ge Zeit:
Ich harre stumm.
's ist tiefe Nacht!
Ob wohl ein Auge offen noch?
In diesen Mauern rüttelt dein
Verrinnen, Zeit! Mir schaudert doch.
Es will die letzte Stunde sein
Einsam durchwacht.
Geschehen all,
Was ich begangen und gedacht,
Was mir aus Haupt und Herzen stieg,
Das steht nun eine ernste Wacht
Am Himmelsthor. O halber Sieg,
O schwerer Fall!
Wie rast der Wind
Am Fensterkreuze! Ja es will
Auf Sturmesfittigen das Jahr
Zerstäuben, nicht im Schatten still
Verhauchen unterm Sternenklar,
Du Sündenkind!
War nicht ein hohl
Und heimlich Sausen jeden Tag
In der vermorschten Brust Verließ,
Wo langsam Stein an Stein zerbrach,
Wenn es den kalten Odem stieß
Vom starren Pol?
Mein Lämpchen will
Verlöschen, und begierig saugt
Der Docht den letzten Tropfen Oel.
Ist so mein Leben auch verraucht,
Eröffnet sich des Grabes Höhl'
Mir schwarz und stumm.
Wohl in dem Kreis,
Den dieses Jahres Lauf umzieht,
Mein Leben bricht. Ich wußt' es lang;
Und dennoch hat dies Herz geglüht
In eitler Leidenschaften Drang.
Mir bricht der Schweiß
Der tiefsten Angst
Auf Stirn und Hand! Wie dämmert feucht
Ein Stern dort durch die Wolken nicht?
Wär' es der Liebe Stern vielleicht,
Dir zürnend mit dem trüben Licht,
Daß du so bangst?
Horch, welch Gesumm!
Und wieder Sterbemelodie!
Die Glocke regt den ehrnen Mund.
O Herr, ich falle auf die Knie.
Sei gnädig meiner letzten Stund!
Das Jahr ist um!
Unter dem Eindruck dieser ernsten Klänge, der Glockentöne des scheidenden Jahres, in denen die Gedanken an Zeit und Ewigkeit mahnend zusammenklingen, wollen wir auch von unsrer Dichterin Abschied nehmen. Mögen die Besten unsers Volks mehr und mehr erkennen, welchen Schatz sie an und in ihr besitzen; mögen sie ihn nicht ungenutzt und ungehoben lassen!
[Die Anmerkungen stehen als Fußnoten auf den in eckigen Klammern bezeichneten Seiten]
[25] *) Geb. am 17. Juni 1810.
zurück
[25] **) Vom Jahre 1844, zuerst im Rhein. Taschenbuch für 1846,
dann in den "Neueren politischen und socialen Gedichten" I, 5.
zurück
[25] ***) Bekanntlich die eigenthümliche Race von Pferden,
die während des Sommers in die Steppen der s. g. Senne
getrieben werden.
zurück
[25] *) "Am Birkenbaum" 1850, "Neuere politische und sociale
Gedichte" II. 32.
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[26] *) "Am Birnbaum" S. 31.
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[27] *) "Ruhe in der Geliebten" v. J. 1840 zuerst im Rhein.
Jahrbuch auf 1841, dann in der Sammlung "Zwischen den Garben."
zurück
[29] *) Aus dem Vorwort zum "Sang von Hiawatha", S. XII.
zurück
[115] *) Geb. am 13. März 1822 zu Frankenstein in Schlesien,
nahe bei dem väterlichen Gut Peterwitz, gest. zu Wien am 11. März 1847.
zurück
[115] *) So im Lied "an die Romantik".
zurück
[115] **) Die Anfangsworte des Prologs zu "Nordland".
zurück
[116] *) Schluß von "Hoch und Tief".
zurück
[200] *) Anna Elisabeth
Franziska, Freifräulein von Droste-Hülshoff, geb. am 10. Januar 1797,
gest. am 24. Mai 1848.
zurück
[200] **) Aus der "Schlacht im Loener Bruch".
zurück
[203] *) An dem frühesten der Art dem "Hospiz auf dem großen St. Bernhard"
arbeitete sie i. J. 1830. – Oeffentlich trat sie auf mit
ihren Gedichten 1837.
zurück
Erstdruck und Druckvorlage
Daheim.
Ein deutsches Familienblatt mit Illustrationen.
Jg. 2, 1865/66:
Nr. 2, 1865, Oktober, S. 24-29
Nr. 8, 1865, November, S. 115-117
Nr. 14, 1866, Januar, S. 200-203
Nr. 15, 1866, Januar, S. 215-219
Nr. 16, 1866, Januar, S. 235-238.
Die Textwiedergabe erfolgt nach dem ersten Druck
(Editionsrichtlinien).
Daheim online
URL: https://de.wikisource.org/wiki/Daheim_(Zeitschrift)
URL: http://data.onb.ac.at/ABO/%2BZ259517402
URL: https://catalog.hathitrust.org/Record/012177272
URL: http://opacplus.bsb-muenchen.de/title/530649-8
URL: http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/daheim
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Lyriktheorie » R. Brandmeyer