1. Wesen der lyrischen Dichtung
Grundcharakter § 884-886
Stil, Komposition § 887
Rhythmische Form § 888
2. Arten der lyrischen Dichtung
Einteilungsgrund § 889
Lyrik des Aufschwungs § 890
Reine lyrische Mitte § 891-893
Lyrik der Betrachtung § 894
Editionsbericht
Werkverzeichnis
Literatur
Die einfache Synthese des Subjects mit dem Objecte, worin jenes diesem sich unterordnet (vergl. §. 865),
kann dem Geiste der Kunst nicht genügen; er fordert eine weitere Stufe, auf welcher dem Wesen nach die
Welt in das Subject eingeht und von ihm durchdrungen wird, so daß alles Objective als dessen inneres
Leben erscheint, und dem Verfahren nach die Umständlichkeit schwindet, durch welche das Epos der bildenden
Kunst verwandt ist. Der Act der Freiheit, der diesem Verhalten zu Grunde liegt, wird jedoch in der verhüllten
Form des Bestimmtseins, des Zustands, der Geist als Seele auftreten: die dichtende Phantasie stellt sich auf
den Standpunct der empfindenden. Dieser Fortgang entspricht also demjenigen, der von der bildenden Kunst
zu der Musik führt (vergl. §. 746). Die lyrische Dichtung, die er begründet, kann sich der Geschichte,
wie dem Begriffe nach zu der epischen nur als die nachfolgende verhalten.
Die allgemeine Begründung des Uebergangs von der epischen zur lyrischen Poesie ist auf anderer Stufe
dieselbe, wie die des Uebergangs von der bildenden Kunst zu der Musik. In der epischen Poesie ist zwar
die Welt der Gegenstände geistig durcharbeitet, bewegt, wie sie es in der Malerei noch nicht sein kann,
aber die dichtende Phantasie hat sich doch wieder auf den Boden der bildenden gestellt, sich das Object
geben, sich durch es bestimmen lassen; sie hat den Geist wie ein Natursein angeschaut. Dagegen tritt nun
in der Kunst dieselbe Forderung des Geistes auf, wie jene in der Philosophie, die vom Realismus zum
subjectiven Idealismus fortdrängt und aus dem Satz Ernst macht, daß der Mensch das Maaß aller Dinge ist,
indem er begreift, daß für ihn Alles nur so viel ist, als es für sein Bewußtsein ist. Es kann bei der
Naivetät nicht bleiben, welcher die Gegenständlichkeit imponirt; die Welt soll vom Geiste ganz durchdrungen,
durchkocht erscheinen und dieß kann, – auf dem Standpuncte, dem hier der objective zunächst Platz macht,
nur dadurch geschehen, daß sie überhaupt nicht für sich erscheint, sondern nur so, wie sie im Geiste gesetzt,
zu seinem innern Bild und Leben geworden, ganz in ihn ein und aufgegangen ist. Speziell macht sich die innere
Nothwendigkeit des Fortgangs zu der subjectiven Form in der Weise des epischen Verfahrens fühlbar. Wohl gewinnen wir
dadurch jenes sonnenklare Bild der Dinge, aber es geht zu langsam.
[1323] Der Geist, der den Meisel und Pinsel
weggeworfen hat, um durch das geflügelte Wort zu sprechen, kann nicht dabei stehen bleiben, daß er die langen Wege,
auf denen jene die Erscheinung der Dinge nachahmen, obwohl unter veränderten Beschleunigungsverhältnissen zu den
seinigen macht, daß er, als Wortführer für die Dinge und Menschen, doch immer noch daneben
stehen muß und sagen:
so war Dieß und Jenes, jetzt hat Der, jetzt Jener dieß und das gesprochen u.s.w. Die Phantasie muß sich ihres
von innen heraus bewegten und bewegenden Wesens bewußt werden, die Geduld für diese Form verlieren und eine andere
suchen, welche, ob zwar mit Opfer, doch dasselbe auf einem unendlich kürzeren Weg erreicht, eine Form, worin der
dargestellte Mensch im eigenen Namen redet und so, daß er seine Erscheinung ungesagt, doch merkbar mitbringt und
das Bild der Außendinge, wie sie in ihm sich spiegeln, durch das Aussprechen der Spieglung ausspricht. Wenn dieß
die reine, allgemeine Bedeutung des vorliegenden Schrittes ist, so darf er darum dennoch nicht als ein plötzlicher
Aufgang der reinen Geistigkeit, als ein Act des Ich, das sich in seiner reinen Freiheit erfaßt, verstanden werden.
Daß jene Vergleichung mit dem subjectiven Idealismus nur eine Parallele ist, bedarf ohnedieß keines Beweises, denn
wir sind im ästhetischen Gebiete, wo ein naturloser Geist überhaupt keine Stelle hat. Aber auch zu der Form des
Verhaltens, welche ästhetisch naturvoll ist und doch den freien Geist als weltbestimmenden auffaßt und darstellt,
kann die Kunst in diesem ersten Schritte von der epischen Ausbreitung und Objectivität zur Concentrirung und
subjectiven Intensität noch nicht vordringen. Vielmehr wir befinden uns in der Mitte, wo Welt und Natur sich in
das Subject zusammenzieht, in diesem selbst aber als die Naturform der empfindenden Seele sich erhält oder wiederkehrt.
Das lyrische Subject ist factisch Welt-Einheit, Brennpunct der Welt, aber die Welt ist in ihm nur Herz, Gemüth geworden;
es vollstreckt thatsächlich an den Dingen die Wahrheit, daß sie nichts an sich sind, aber nur in einem tiefen,
helldunkeln Träumen, worin sich ihm die wahre Bedeutung seines Thuns so verbirgt, daß es unter die zufälligen
Eindrücke von außen wie unfrei gestellt ist, daß es meint, sein Zustand sei ihm angethan, komme wie eine
Naturnothwendigkeit über es, während es doch in Wahrheit ganz bei sich ist und Alles, was an es kommt, in dieß Ich
auflöst. Es ist dieß also eine Wiederkehr des Standpuncts der Musik auf neuem Boden, die dichtende Phantasie wird
zur dichtend-empfindenden. Sie ist als solche ganz naiv, aber freilich nicht mehr so, wie die dichtend-bildende,
die epische. Zwar ist diese, von der einen Seite betrachtet, klarer und freier: sie schwebt ruhig über den Dingen
und schaut sie deutlich und hell, sie scheint geistiger, bewußter. Sie ist es auch, aber sie ist es nur, weil sie
noch nicht zu dem tiefen Prozesse fortgeht, dem Subjecte die Welt im Innersten anzueignen,
[1324] und dieser Prozeß muß auf dem Durchgangspuncte, der sich als lyrische Poesie darstellt, nothwendig mit
Verlust an jener Art von Klarheit und Freiheit verbunden sein: die neue, höhere, zu welcher er führt, liegt
noch unentwickelt und dunkel in ihm. Aber die Naivetät dieses Dunkels ist dennoch weit über die Naivetät des
Epos hinaus: sie ist das Unbewußte des tiefen Verarbeitens, nicht mehr das Unbewußte des Anstaunens. Sie setzt daher auch geschichtlich eine größere Reife voraus.
Der Schluß des §. faßt nur in einen Satz zusammen, was zur Rechtfertigung der allgemeinen Eintheilung schon in
§. 863, Anm. 1. ausgeführt ist. Wir haben dort auch auf W. Wackernagel's psychologische und historische Begründung
verwiesen und fügen zur letzteren Seite nur noch eine allgemeine Bemerkung hinzu. In Griechenland giengen schwere
Erschütterungen voraus, Ringen der Parteien, des Adels und Volks, beider mit Alleinherrschern, ehe der Einzelne
sich zu der Concentration und Vielseitigkeit der inneren Erregung zusammenfaßte, woraus die lyrische Poesie sich
entwickelte; im Mittelalter mußte erst durch lange und wilde Kämpfe das Prinzip der christlichen Religion mit dem
Bruchstücke heidnischer Objectivität, das den Charakter dieser Weltperiode wesentlich mitbestimmt, zusammengegohren,
deutsche, romanische und orientalische Elemente mußten in den Kreuzzügen durcheinandergerüttelt sein, ehe die Knospe
sich erschloß und die erfüllte Innerlichkeit ihren Duft im Liede verbreitete. Doch hat erst die moderne Poesie eine
wahre und volle Lyrik schaffen können, denn es ist nur der gebildete Geist, der die reichen Negationen durchlaufen
und überwunden hat, welche Alles hervorlocken, was im Grunde eines Menschenherzens schlummert. Aber selbst ein
sichtbares Aufblühen der Volkspoesie setzt eine Periode voraus, wo das Volk einer früheren Bindung und Dunkelheit
der Zustände sich entwachsen fühlt, wie im sechszehnten Jahrhundert. Anders verhält es sich mit dem einzelnen
Dichter: die Muse, welche ganz ein Kind der Stimmung ist, wird der Jugend mehr, als dem reiferen Mannesalter hold
sein; wenige Lyriker haben lange fortgesungen, und auch diese mit den Jahren entweder seltener, oder, wenn reichlich,
doch weniger rein poetisch, sondern contemplativ, didaktisch.
1.
Da es aber die dichtende Phantasie ist, welche sich auf den Standpunct der empfindenden stellt, so liegt darin
zugleich der Unterschied von der Musik: das Gefühl kann in der Dichtkunst nur durch
Anknüpfung an das Bewußtsein
als Organ und Inhalt einer Kunstform auftreten; das Subject spricht zwar nur sich, seine Stimmung aus, vermag
dieß aber blos dadurch, daß es theils Elemente der epischen Anschauung, directe und indirecte Bilder, theils eigentliche
Gedanken (gnomische Elemente) und Willensbewegungen in die
Stimmungs-[1325]Atmosphäre überträgt.
2.
Durch diese sämmtlichen Mittel bewegt sich die
lyrische Poesie in den verschiedenen Richtungen der Zeit,
wesentlich aber ist sie im Gegensatze
gegen die epische Vergangenheit auf die Gegenwart gestellt.
1. Wir haben die Musik als die schlechthin subjective Kunst des Gefühls kennen gelernt, die als solche kein Object
geben kann. Darum ist ihre Form das reine, verglichen mit aller andern Kunst gestaltlose Bewegungsleben des Tons.
Die Poesie hat sich über diese Sphäre erhoben und spricht mit dem Vehikel des articulirten Tons, des Worts, die
innere Welt im Lichte des Bewußtseins aus. Wenn daher in ihr der Standpunct wiederkehrt, auf dem das ganze System
der Künste in der Musik steht, so muß, da dieß eine Versetzung auf denselben von einem andern Standpunct ist,
zugleich mit der Analogie auch der tiefe Unterschied sich geltend machen; daher schon in §. 846, Anm. 2. gesagt ist,
daß gegen das Stylgesetz, welches Verirrung der Dichtkunst in das Gebiet der Tonkunst abwehrt, auch die lyrische Form keine Einwendung begründe. Man kann nun das
Verhältniß so bestimmen: das Gefühl ist die reine Mitte des Geisteslebens, woraus die bewußten Thätigkeiten stets
auftauchen und worein sie stets zurücksinken; diese stehen daher beständig an seiner Schwelle (vergl. §. 748. 749);
die Musik, als Kunst des reinen Gefühls, öffnet ihnen diesen Eintritt nicht; die lyrische Poesie öffnet ihn, umhüllt
aber alle bestimmte Gestaltung, die hiemit eingelassen ist, mit dem Schleier des Empfindungs-Elements: ein stets sich
vollziehender, stets sich zurücknehmender Uebertritt auf andern Boden, ein Schweben zwischen dem reinen, unbewußten
Sichselbstvernehmen und dem bewußten Vernehmen der Dinge, ein Nebel mit lichten Durchblicken. Das Gemüth geht nur aus
sich heraus, um in sich zu bleiben; es kann seinen Zustand nur aussprechen an Anderem, durch Hereinziehen von Solchem,
was nicht mehr bloße Empfindung ist, aber es wird diesen Stoff auch blos hereinziehen, um ihm seine Farbe zu geben.
Der lyrische Dichter sagt, was sich dem Worte, indem es darein gefaßt wird, entzieht, er sagt es daher so, daß er
im Sagen verstummt und durch sein Verstummen auf einen unerschöpften unendlichen Grund hineinzeigt. Es zittert ein
Unaussprechliches zwischen seinen Zeiten: das reine, wertlose Schwingungsleben des Gefühls. Er nennt und zeichnet
uns Dinge, Gedanken, aber in ihnen immer nur sich, sein Herz, wie sie auf es wirken, aus ihm hervorsteigen und wie
kein Ausdruck ihm genügt. Wir haben gesehen, wie in der Poesie die bildende Kunst sich wiederholt (§. 838); dieß
wird in der epischen Dichtart im engeren Sinne zur Wahrheit, aber der Satz ist ganz allgemein ausgesprochen und muß
auch in der Sphäre wahr bleiben, von welcher mit besonderem Nachdruck das Andere gilt, daß in der Poesie die Musik
wiederkehrt. So sind es denn zunächst epische Elemente, d.h. Bilder der Anschauung, wodurch der
[1326] Lyriker
seine subjective Stimmung objectivirt. Sehen wir nun an einigen Beispielen, worin diese Anschauungsbilder, zunächst
die directen im Unterschiede von den indirecten, metaphorischen, bestehen und wie sie sich mit dem eigentlichen,
unmittelbaren Gefühls-Ausdruck mischen. In "Schäfers Klagelied" hören wir unmittelbar kein Wort von dem, was der
Inhalt ist, dem in Liebesweh gebrochenen Herzen; er zeigt uns, wie er tausendmal an den Stab gebogen auf dem Berge
steht, in das Thal hinabschaut, wie er in dunkler Bewußtlosigkeit hinabsteigt, die wenigen Worte "und weiß doch selber
nicht wie" lassen uns aber nicht zweifeln, daß hier das Anschauungsbild nur dient, um einen Zustand der tiefsten
Versenkung des Gemüthslebens zu enthüllen; es folgt der Zug des unbewußten Blumenbrechens, des Harrens in Sturm
und Wetter unter dem Baume, wir erfahren dann den Grund des innern Leidens mit den Worten: sie aber ist weggezogen
u.s.w., und nun, wo man meinen könnte, daß die Schilderung des innern Zustandes anfangen werde, bringt das Gedicht
zunächst noch einen äußern Zug: "vorüber, ihr Schafe, vorüber" und hat zum Schlusse nur Ein directes Wort für das,
was Inhalt des Ganzen ist: "dem Schäfer ist gar so weh!" Mignon haucht ihre Sehnsucht nach dem schönen Heimathlande
in Anschauungen Italiens aus, nur im Refrain bricht sie ausdrücklich durch, aber auch nicht rein direct, sondern
als ein Wunsch, dahin zu ziehen, der eigentlich wieder ein Bild enthält. Gretchen im Faust sagt uns in den Strophen,
die sie am Spinnrade singt, wie sie nur nach dem Geliebten aus dem Fenster schaut, aus dem Hause geht, schildert dann
seine herrliche Erscheinung und schließt mit einem Bilde der heißen Umarmung, wie sich Herz und Phantasie danach drängt,
sie spricht so die unendliche Sehnsucht in lauter Anschauungsbildern aus; in jenem Liede des tiefsten Weh's, das sich
als Gebet an die Maria wendet, zeichnet sie in wenigen Zügen zuerst das Bild der vom Schwerte durchbohrten, zum Himmel
aufblickenden Mutter Gottes, vor dem sie kniet, sie erzählt nachher (wir sehen von den andern Strophen noch ab), wie
sie die Blumenscherben mit Thränen bethaute, als sie Morgens die Blumen brach, die sie vor dem Bilde niederlegt, sie
schildert, wie sie vor Aufgang der Sonne in ihrem Jammer schon aufgerichtet im Bette saß. Werther, ächt lyrisch, kann
uns nur sagen, wie ihm die Augen der Geliebten vor der Stirne brennen: "hier, wenn ich die Augen schließe, hier in
meiner Stirne, wo die innere Sehkraft sich vereinigt, stehen ihre schwarzen Augen. Hier! ich kann es dir nicht
ausdrücken. Mache ich meine Augen zu, so sind sie da; wie ein Abgrund ruhen sie vor mir, in mir, füllen die Sinne
meiner Stirn." Es unterscheiden sich aus diesen Beispielen bereits zweierlei Formen der objectiven Anschauung: das
lyrische Subject führt uns erzählend, schildernd äußere Objecte vor, aber auch sein eigenes Bild, indem es sich vor
seine und unsere Phantasie in einem bestimmten Zustand
[1327] hinstellt. Die letztere Form ist zwar subjectiv, aber
im Subjectiven noch zu den objectiven Elementen zu zählen. Nun muß aber das in Empfindung versenkte Selbst auch
unmittelbar von sich ausgehend ohne diese Gegenüberstellung seinen Stimmungszustand auszusprechen suchen. Da derselbe
jedoch schließlich unsagbar ist, so wird es auch für diese rein subjective Einkehr in sich abermals nach objectiven
Elementen greifen; es wird nämlich der leibliche Reflex des Seelenzustands dienen müssen, um ein andeutendes Bild von
diesem zu geben. Man betrachte Mignon's Lied: "Nur wer die Sehnsucht kennt": das kranke Herz sucht zu sagen, was es
leidet; da beruft es sich zuerst auf Andere, die dasselbe leiden, die werden es wissen, sagen läßt es sich nicht;
jetzt folgt ein Anschauungsbild der zweiten Gattung der erst von uns aufgeführten Formen: "allein und abgetrennt von
aller Freude seh' ich an's Firmament nach jener Seite"; mit wenigen Worten wird hierauf sächlich die Ursache des
Leidens angegeben: "ach, der mich liebt und kennt, ist in der Weite"; nun aber soll endlich der innere Zustand direct
ausgesprochen werden, da hat das unsagbare Gefühl nur Ein Mittel, es holt ein Bild aus der tiefen Durchwühlung, welche
die Sehnsucht im physischen Leben hervorbringt: "es schwindelt mir, es brennt mein Eingeweide" und hier, wo derjenige,
der das Lyrische nicht versteht, meinen wird, das Eigentliche, die wirkliche Entwicklung des Seelenzustands werde nun
folgen, verhaucht das Lied, es kann nur zum ersten Satze der Berufung auf Andere zurückkehren und schließen. So findet
auch jenes erste Lied Gretchen's kein directes Wort für ihren Zustand, als: "mein Herz ist schwer, mein armer Kopf ist
mir verrückt, mein armer Sinn ist mir zerstückt"; und das zweite greift ebenfalls in die verstörten Tiefen des leiblichen
Lebens, doch nur, um sogleich hinzuzusetzen, daß auch dieß eigentlich unaussprechlich sei: "wer fühlet, wie wühlet der
Schmerz mir im Gebein? Was mein armes Herz hier banget, was es zittert, was verlanget, weißt nur Du, nur Du allein",
dann findet die innere Qual nur das einfache Wort: Wehe, fühlt aber, daß es nicht genügt, und wiederholt es daher dreimal,
auf den Busen deutend: "wie weh, wie weh, wie wehe wird mir im Busen hier"; sie greift wieder zum Objectiven: "ich wein, ich wein',
ich weine", und noch einmal zum physiologischen Bilde: "das Herz zerbricht in mir", dann aber, da dieß Alles unzureichend
bleibt, zu jenen epischen Elementen der Vergegenwärtigung ihrer Leidensgestalt. Clärchen's Sehnsucht langet und banget
in schwebender Pein, jauchzt himmelhoch zum Tode betrübt und kann nicht weiter. Das Objective, in jenem engeren und
diesem allgemeineren Sinne, genügt also nicht und eben das ist die rechte Lyrik, die dieß nicht Genügen, dieß Wortlose
im Worte ausspricht, aber es ist doch der einzige Körper,
an welchem der elektrische Funke des Gefühls hinläuft und
aussprüht. So gewiß ist im Lyrischen ein episches Element, daß es sogar Formen gibt,
[1328] welche scheinbar ganz darin
aufgehen, eine Anschauung zu geben, sei es ein ruhendes Naturbild, Sittenbild oder eine Erzählung. Es ist aber
noch nicht die Rede von diesen besondern Formen, sie sind dem Abschnitte von den Zweigen vorbehalten, hier nur
vorbereitet. Betrachtet man nun das letzte der aufgeführten Mittel des lyrischen Gefühls näher, so ist es eine
Art dunkler Symbolik, wodurch der leibliche Zustand den Seelenzustand reflectirt. Behutsam angewendet gilt ebendieser
Begriff dunkler Symbolik von den objectiveren Anschauungs-Elementen, die vorher aufgeführt sind. Es handelt sich hier
noch gar nicht von der eigentlichen Vergleichung, aber das Angeschaute wird ähnlich wie in dem dunkeln Zusammenfühlen
von Inhalt und Bild im altreligiösen Symbole zu einem Spiegel, verliert seine Selbständigkeit, das Gefühl, hülflos in
seiner Unaussprechlichkeit, hängt sich daran, heftet sich daran, senkt sich hinein, um sich an ihm wie an einem Sinnbilde
zum Ausdruck zu verhelfen. So in Desdemonen's Liede der Refrain von der grünen Weide; das verlassene Mädchen sagt uns
nicht, wie sie unter der Weide sitzt und ihr die grauen, hingegossenen Blätter und Zweige zum Bilde ihres Zustands
werden, der sich ganz in Thränen hingießen möchte, sie vergleicht nicht, es schwebt ihr nur so vor, aber sie muß
immer darauf zurückkommen. Ein andermal sind es Blumen, ein murmelnder Bach, eine neblige Haide, woran das Gefühl
des eigenen Zustandes anschließt. In Göthe's Strophe: "Ueber allen Wipfeln ist Ruh'" haben wie dieß innig symbolische
Hineinfühlen in die Natur oder das Herausfühlen aus ihr in unvergleichlich reiner Form. In Ed. Mörike's Jägerlied
erinnert die zierliche Spur des Vogels im Schnee den Waidmann an die zierlicheren Züge in den Briefchen der geliebten
Hand aus weiter Ferne; nun sieht er einen Reiher hoch in den Lüften und voll von dem Gedanken der Macht der Liebe über
Zeit und Raum ruft er aus: tausendmal so hoch und so geschwind die Gedanken treuer Liebe sind. Ein Anderes ist nun
die eigentliche Vergleichung. Es bedarf keines Beweises, daß das Gefühl aus demselben Grunde, wie nach jenen zunächst
directen Bildern, nach ihr greift, nämlich eben, weil es nicht unmittelbar sich selbst aussprechen kann. Daher spielt
die Vergleichung in der Lyrik eine so wesentliche Rolle wie im epischen Gebiete, ja sie wird noch ungleich häufiger auftreten,
aber in einem ganz verschiedenen Charakter: ein Unterschied, den wir nachher an anderem Orte verfolgen werden; hier
weisen wir auf die Stärke der Geltung dieses Mittels zunächst nur hin, indem wir eine tief bezeichnende Erscheinung
hervorheben: das Bedürfniß, die dunkle Stimmung in einem Andern, Helleren zu spiegeln, dem in's Unendliche sich
verlierenden Hintergrunde das Gegengewicht eines deutlichen Vordergrunds zu geben, ist so stark, daß es die Lyrik
liebt, geradezu eine ganze Empfindung, einen ganzen Gedanken nur an einem Tropus fortlaufend und ihn durchführend
zu entwickeln:
[1329] Erzeugnisse, die man wohl in besonderer Anwendung des Worts allegorische Gedichte genannt hat. So fühlt
Göthe im Schwager Kronos mit den Wechseln einer Wagenfahrt die Wechsel eines Menschenlebens warm und innig
zusammen; er läßt in dem nachgedichteten Volkslied Haidenröslein einen schalkhaften Gedanken durch das Bild vom
gebrochnen Blümchen durchspielen; er spricht einen ernsten und tiefen Gedanken direct als Sinn des Bildes
aus im "Gesang der Geister über den Wassern", so Uhland in der "Ulme zu Hirschau".
Der §. sagt, daß das Gefühl auch zu dem Ausdruck von bestimmten Gedanken und Willensbewegungen fortgehe, um sich eine Sprache zu geben. Wir haben einen Fall des Ersteren in den so eben angeführten Beispielen gefunden, er enthält aber natürlich nicht die einzige Art, sondern in jeder Weise wird der lyrische Dichter ausdrücklich Gedachtes seinem Erzeugniß einflechten. Es ist die Vollendung des Unterschieds von der Musik, daß hier das Gefühl zum wirklichen Betrachten, zum Denken des Allgemeinen sich erschließt, ohne doch seinen Charakter zu verlieren, denn die Gedanken dürfen nur auf seinem Strome schwimmen, müssen in das grundbestimmende Element seines Erzitterns und Schwebens hineingezogen sein, oder richtiger, nur aus ihm aufsteigen, um wieder in ihm unterzutauchen. Allerdings liegt die Abirrung in das Sentenziöse und überhaupt das Philosophische, Lehrhafte nahe, die Probe aber, ob dieß Außerästhetische der Ausgangspunct und das Herrschende, oder nur ein Strahl sein, an dem das Helldunkel der reinen Stimmung Licht sucht, wird nicht schwer sein. Wir kommen auf diesen Punct und die allerdings feinen Grenzbestimmungen anderswo zurück. Dieß gedankenhafte Element bezeichnet der §. kurz als das gnomische, natürlich nicht zu verwechseln mit der besondern Form der gnomischen Poesie. – Auch mit Willensbewegungen verhält es sich so, daß die lyrische Dichtung, während die Musik sie nur anzukündigen scheint, ohne sie aussprechen zu können, sich ihrem wirklichen Ausdruck öffnet; ja es muß eine Lyrik des Willenspathos, des kriegerischen, politischen, ethischen geben, die darum noch nicht Tendenz-Poesie ist, sondern der Bedingung genügt, daß die Empfindung das bestimmende Element bleibe, in welches die Idee, deren Widerspruch mit der Wirklichkeit den Willens-Eifer begründet, erst ganz sich umgesetzt hat. Eine andere, negative Bedingung, die gerade hier besonders zu betonen ist, nämlich die, daß das Pathologische überwunden sei, wird nachher zur Sprache kommen. Uebrigens versteht sich, daß, was wir epische oder Anschauungs-Elemente genannt haben, in der Wirklichkeit von diesen Eintritten in die Welt des denkenden und wollenden Geistes nicht zu trennen ist, daß sie vielmehr insgesammt an und miteinander verlaufen. zurück
2. Die Unterscheidung dieser Elemente, welche überall nach Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft hinweisen, führt auf
die Zeitbestimmung.
[1330] Es ist schon in §. 862 gesagt, daß die lyrische Poesie auf die Gegenwart, wie die epische
auf die Vergangenheit gestellt ist. Es ist dieß nur ein anderer Ausdruck für den Satz, daß das Bestimmende dieser
Dicht-Art die lebendige, alles Object in sich verarbeitende Subjectivität ist. Das Lyrische ist ganz auf diesen
Moment concentrirt: jetzt, eben jetzt empfindet ein lebendiger Mensch die Welt so und nicht anders. Allein der
Moment flieht im Werden und weicht dem folgenden. So ist die Gegenwart nur der stets relative Punct, von welchem
aus der Lyriker die Vergangenheit und Zukunft durchmißt. Von ganz besonderer Stärke ist die Richtung der Vergangenheit.
Wo das Gefühl selbständig waltet, ist die Wehmuth des Rückblicks bestimmender Grundzug, ein Flor, der über Allem, auch
dem Heitern liegt; denn als ein dunkles Schwingungsleben ist das Gefühl wesentlich ein Vernehmen der Zeit,
eigentlich die Zeit selbst als subjectives Vernehmen des ewigen Wechsels; dieser Ton, den wir schon im Epischen
fanden, dieser Zustand, als säße man am Strome der allgemeinen Vergänglichkeit und hörte ihn rauschen, wird im Lyrischen
herrschend und wesentlicher Grundzug. Die Gegenwart weist aber durch Hoffnung oder Furcht nothwendig auch auf die
Zukunft und die Empfindung schwillt in zarterer oder gewaltsamerer Weise nach ihr hin, das Selbst stellt sich in sie
hinaus und schaut dort sein Bild. Den Zug der Wehmuth hebt auch dieß nicht auf, es zieht sich vielmehr etwas hindurch,
ein Klang, der zu sagen scheint, daß auch dieß Zukünftige einst vergangen sein wird. Wie diesen verschiedenen
Beziehungen nun die Elemente der Anschauung, der Betrachtung und der Willensbewegung als Ausdrucksformen dienen,
bedarf keiner Auseinandersetzung.
zurück
Wie die lyrische Dichtung der Zeit nach wesentlich auf den Moment gewiesen ist, so dem Umfange nach, in welchem sie
das Objective ergreift, auf die Vereinzelung: es ist wesentlich dieses Subject, das in dieser Situation von
einem
Punct aus der Totalität der Welt berührt wird; daher ist empirisches Erleben in der Form der Zufälligkeit
vorausgesetzt, daher liegt auch das Pathologische (vergl. §. 393, 2) besonders nahe und muß an dieser Stelle
ausdrücklich wieder abgewiesen werden. Das freie und universale Gemüth, das in Kampf und Schmerz sich mit der
Welt versöhnt hat, legt nun zwar in jedes Einzelne sein ganzes Inneres und das Gefühl des Universums, aber
unentwickelt, und nur die Gesammtheit der lyrischen Aeußerungen gibt das Bild einer Persönlichkeit, eines
Volks, der Völker, der Welt. Die bestimmte Art des Zusammenfühlens der Individualität und der Welt verleiht
dem Gedichte seinen Duft.
Die lyrische Poesie hat über der Innigkeit, die ihr gewonnen ist, das Object zwar nicht so ganz verloren, wie die
Musik; wir haben ihre epischen,
[1331] bildlichen, gnomischen, überhaupt einen Gegenstand nennenden Elemente kennen gelernt; aber sie kann das
Object nicht entwickeln, nicht ausbreiten. Ist ihr zeitliches Element die Gegenwart, also der Augenblick, so ist
in Beziehung auf ihren Verkehr mit den Gegenständen ihr Charakter die Punctualität;
sie ist ein punctuelles Zünden der Welt im Subjecte:
in diesem Moment erfaßt die Erfahrung dieses Subject auf diese Weise. Wir
haben in §. 393, 1.
für alle Phantasiethätigkeit gefordert, daß sie von der zufälligen Anregung durch irgend ein Naturschönes ausgehe,
allein in den andern Gebieten wird an dem so gegebenen Stoffe fortgebildet, bis er ein größeres Weltbild darstellt,
das eine zweite, ideale Natur ist und worüber man den Ausgangspunct rein vergißt; die Musik fällt hier weg, da sie
gar kein Mittel hat, den Anstoß, wovon die erfindende Stimmung ausgegangen, erkennbar durchblicken zu lassen; der
lyrische Dichter aber sagt es recht ausdrücklich, daß er bei dem und dem Anlaß, hier am Fluß, im Gebirge, hier, wo
er die Geliebte zum ersten oder letzten Mal gesehen, wo er am Todtenbette des Freunds gestanden u.s.w., den
Grundgehalt des Lebens so oder so gefühlt hat; wir sehen ihn im Rachen auf dem Strom, über den er vor Jahren schon
einmal gefahren, von den Manen derer, die damals mit ihm waren, begleitet; wir sehen ihn dem Schnee, dem Regen
entgegenstürzen, um die Brust zu kühlen, mit schlagendem Herzen geschwind zu Pferde steigen, das Rebengeländer an
seinem Fenster mit Thränen befeuchten; das Mägdlein steht am Herde, muß Feuer zünden früh, wenn die Hähne kräh'n,
und wie sie in's Feuer blickt, fällt ihr ein, daß sie die Nacht vom treulosen Knaben geträumt hat, die Verlassene
schleicht durch's Wiesenthal als im Traum verloren. So accentuirt der Lyriker die Situation und eben weil er sie als
solche accentuirt, mit einem raschen Lichte beleuchtet, geht er nicht zu der Ausführung fort, worin sie ihre Bedeutung
verlöre. Daher gilt von der lyrischen Dichtart wie von keiner andern
das Göthe'sche Wort, daß ein wahres Gedicht
Gelegenheitsgedicht im höheren Sinne des Wortes sei,
daher konnte aber auch in keinem Kunstgebiete das Wahre dieses
Wortes sich so sehr dahin verkehren, daß man unter Gelegenheit einen Anlaß verstand, von dem nicht freie Gunst der
Muse, sondern die Absicht des Machens, etwa gar auf Bestellung, ausgeht. Die Gelegenheit ist der Zufall des Anlasses,
der die Phantasie absichtslos in Bewegung setzt. Alles ästhetische Erfinden ist zufällig, aber in keinem Gebiete betont
sich der Begriff der Zufälligkeit so, wie im lyrischen, eben weil der außer aller Berechnung liegende Ausgangspunct
als solcher in der Situation premirt und erhalten wird. Die Situation ist der Moment, wo Subject und Object sich
erfassen, dieß in jenem zündet, jenes dieß ergreift und sein Weltgefühl in einem Einzelgefühl ausspricht. Treffende
und feine Bemerkungen über diesen Lebenspunct der ächten Lyrik gibt Gervinus in seiner meisterhaften
[1332] Schilderung des deutschen Volksgesangs (Gesch. d. Nat.-Lit. d. Deutsch. Th. 2, VII, 1). Vermöge dieses
Charakters liegt nun das Pathologische im lyrischen Gebiete näher, als in andern: wir haben es längst besprochen
und abgewiesen und brauchen daher hier nur zu sagen, daß es wegen der stärkeren Versuchung besonders ausdrücklich
zu verwehren sei. Die jambische Poesie der Griechen, so manches von Zorn und Rache glühende Lied der Araber, der
französischen Dichter des Mittelalters, vor Allem aber die neuere Zeit mit ihrer so ungleich vertieften Spannung
der Gegensätze im Subjecte liefert unzählige Proben; was der unmittelbare Natur-Ausbruch der Leidenschaft sei,
zeigt namentlich Bürger in Stellen, wie: "denn wie soll, wie kann ich's zähmen, dieses hochempörte Herz? wie den
letzten Trost ihm nehmen, auszuschreien seinen Schmerz? Schreien, aus muß ich ihn schreien" u.s.w. Die Gefahr,
daß "die Hand, die vom Fieber zittert, das Fieber zu schildern unternehme", hat noch einen bestimmteren Grund, als
den, daß die Forderung des in gegebener Situation lebensfrisch Gefühlten so leicht mißverstanden wird: er liegt in
der falschen Deutung der Wahrheit, daß das Land des Gefühls ein Land der Schmerzen ist. Erleben, erfahren heißt
durch Leiden gehen; die Welt in sich verarbeiten, heißt durch das Meer der Qualen schwimmen. Das Object tritt nicht
kampflos in das Subject ein, um aus ihm verklärt im Glanz und Dufte der Empfindung hervorzusteigen; die naive epische
Freude an den Dingen muß erst bitter vergällt, das Ideal, womit der jugendlich geschwellte Geist an die Welt geht,
mit der rauen Unerbittlichkeit hart zusammengestoßen sein, ehe die Blume der tieferen, gefüllteren Lyrik aus den
Tiefen des Gemüthes sproßt. Die Lyrik hat diesen Lebensprozeß in seiner innersten Spannung auszusprechen und so
unzählige Lieder der unbefangenen Heiterkeit sie geschaffen hat und schafft, so geben doch diese nur zusammengefaßt
mit der weit größeren Summe der schmerzvollen das ganze und wahre Bild dieser Dicht-Art. Aber eben: der Kranke kann
die Krankheit nicht darstellen; nur das Gemüth, das sich zur Seligkeit der idealen Freiheit durchgekämpft hat oder
doch die tiefe Anlage dazu, die Kraft der Gesundheit in sich trägt, um die gefährlichsten Krankheiten in glücklichen
Krisen zu überstehen, wird die einzelne Erschütterung, wie sie so eben noch in ihm nachzittert, verklärt, zur
Allgemeinheit der Idee gereinigt wiedergegeben. Göthe's unverwüstliche Elastizität steht auch in diesem Zusammenhang
als reines Muster da. In seiner Hand wird Alles leicht und frei, verliert die Erdenschwere, schwebt im Aether der
reinen Stimmung und Form. An dem Morgen, da er Wetzlar verläßt, die Flamme einer verzehrenden Leidenschaft, in welche
die Zeitstimmung der Sentimentalität noch ihr Oel gegossen, noch heiß im Herzen, dichtet er "Pilgers Morgenlied";
der Nord des Lebens "zischt ihm tausendschlangenzüngig um's Herz", aber die Liebe des einzelnen Mannes zum einzelnen
Weibe wird ihm zur
[1333] "allgegenwärtigen Liebe, die ihn durchglüht, die ihm gegossen in's frühwelkende Herz
doppeltes Leben: Freude, zu leben, und Muth."
Das einzelne Werk der lyrischen Muse wird durch diese Unendlichkeit, den Ausdruck eines freien, in der Klarheit
des Universalen lebenden Gemüths zum Mikrokosmus. Allein die Kunst im Ganzen und Großen strebt dahin, den
Mikrokosmus in einem entfalteten, größeren Ausschnitte des Makrokosmus niederzulegen; die Lyrik faßt nur einen
kleinen Punct der Welt an und läßt ihm keine Selbständigkeit, entwickelt ihn nicht, sondern eilt, ihm den Klang
des Gemüths zu entlocken; der kleine Punct wird dadurch wohl zu einer Welt, aber doch nicht so unbedingt, wie es
Angesichts des größeren Kunstwerks keine Welt mehr gibt, sondern die ganze Welt jetzt hier,
in diesem Bild enthalten
ist, wir fühlen vielmehr den Vorbehalt durch, daß es unzählige andere Puncte der Berührung und Klänge geben kann,
die erst das Weltbild vollenden. Man muß daher die Erzeugnisse der lyrischen Dichtung summiren, das Bild der ganzen
einzelnen Persönlichkeit und ihrer Weltauffassung entspringt nur aus der Reihe ihrer Lieder; diese Reihe neigt an
sich zu Gruppen, die einen Lebenszustand erst entfalten. Die Gruppen führen wieder aufeinander und schließen sich
zum Gesammtbilde ab. Solche Gruppen sind aber im Großen die lyrischen Poesieen ganzer Völker, wie sie sich unterscheidend
ergänzen, und nur die lyrischen Dichtungen aller kunstsinnigen Nationen zeigen die Welt auf ihren verschiedensten Puncten
von der Subjectivität nach ihren verschiedensten Seiten erfaßt, durcharbeitet, poetisch durchwühlt und so die Welt im
Subject oder umgekehrt. Wir können dieß Alles so zusammenfassen: die lyrische Poesie hat nicht sowohl bestimmten Körper,
als bestimmten Duft. Man vernimmt in ihr die Persönlichkeit und ihre Art, die Gefühlsweise ganzer Nationen, vereinigt mit
der bestimmten Natur der Gegenstände, an die das Gefühl im einzelnen Fall und in herrschender Richtung anschießt, wie
eine spezifische Atmösphäre, die man gern mit einem feinen, aber entschiedenen Eindruck auf den Geruchsinn vergleicht.
Es ist, wie wenn man vom Weine sagt, er habe Blume, eine bestimmte Blume, womit man ausdrücken will, daß man das Erdreich,
worin er gewachsen, die Zone, die ihn gereift, in den feinsten Nerven durchfühle. Es ist vielleicht das höchste, absolute
Lob, wenn man von einem lyrischen Gedichte sagen kann, es habe Duft. Herder hat, wie Wenige, das Organ gehabt, diesen Duft
zu finden und zu unterscheiden.
Der lyrische Styl ist im Unterschiede vom epischen (vergl. §. 869) darauf gewiesen, mehr errathen zu lassen, als
auszusprechen, vom Aeußeren auf das Innere zu deuten und daher
nicht in gemessener Ruhe zu entwickeln, sondern
[1334] rasch, abgebrochen fortzuschreiten. Die Composition verknüpft die Vorstellungen nicht nach ihrer objectiven
Ordnung, sondern liebt Absprünge, die ihren Zusammenhang in der subjectiven Einheit des Gefühls haben und nur entfernt
der relativen Selbständigkeit der Episode sich nähern können. Die wirkliche Einheit liegt darin, daß sie ein organisches
Bild des Verlaufs einer Stimmung gibt, worin eine Bewegung durch drei Hauptmomente (vergl. §. 500, 2) sich vernehmlich
durchziehen wird. Diesem Gange sagt die unterbrechende und abschließende Rückkehr zum Grundtone durch den Refrain zu.
Die Natur des Gefühls fordert Kürze des Ganzen.
Es wird sich zeigen, daß der Unterschied der Style in der lyrischen Poesie nicht in der durchgreifenden Bedeutung
auftreten kann, wie in der epischen; wir erwähnen ihn vorläufig schon hier, um zuzugeben, daß die direct ideale,
plastische Richtung allerdings den stammelnden, sprungweisen, andeutenden Charakter nicht in dem Maaße tragen wird,
wie die naturalistische und individualisirende; allein es wird dieß nur ein sehr relativer Maaß-Unterschied sein,
denn die spezifische Natur des Gefühls ist sich überall gleich: sie kann sich eigentlich nicht in Worten ausdrücken
und wenn sie es doch versucht, muß sie es so thun, daß man den Worten ansieht, es sei immer noch mehr zurück, als
ausgesprochen ist. Je mehr ich mein Gefühl zur klaren Gestalt beredt und in flüssigem Zusammenhang herausbilden kann,
desto mehr hört es schon auf, Gefühl zu sein. Wir haben gesehen, daß epische Anschauungs-Elemente, Gedanken und
Willensbewegungen herbeigezogen werden, um einen Anhalt zu geben, an dem das Unergründliche zur Aeußerung gelange;
es muß aber eben zugleich die Unzulänglichkeit dieses Anhalts zu Tage treten, es sind Lichter, die das Dunkel nicht
ganz erleuchten, sondern wieder zerrinnen und so ein Helldunkel erzeugen. Namentlich muß sich dieß an dem indirect
bildlichen Elemente, den Tropen, bewähren: die lyrische Poesie wird die kühn verwechselnde Metapher dem begründenden,
entwickelnden Gleichnisse vorziehen, das gerne dem Bilde die Ausführlichkeit einer über den Vergleichungszweck
hinausgehenden selbständigen Schönheit zuwendet. Es bleibt also dabei, daß das ahnungsvoll nach innen Deutende,
Springende, Unentwickelte recht im vollen Gegensatze gegen das Epische den allgemeinen lyrischen Stylcharakter bildet.
Man sehe darauf jenes Lied und lied-artige Gebet Gretchen's in Göthe's Faust an und beobachte, wie hier das ächt
lyrische Gefühl von jedem Versuche der Entfaltung, der Ausbreitung wieder in seine unerschöpfliche Tiefe zurücksinkt.
Dieß Stylgesetz wird sich am meisten da bewähren, wo es am meisten in Gefahr sein wird, nämlich in den Formen, die
innerhalb der lyrischen Poesie episch zu nennen sind, also die Aufgabe haben, im Zusammenhang erzählend darzustellen;
hier wird der lyrische Charakter der scheinbar
[1335] ablenkenden Aufgabe zum Trotz, also gerade mit doppeltem Nachdrucke
sich geltend machen. Der allgemeine Satz führt sogleich zu der Frage nach der Composition und
hier bewährt sich, was
von der Schwäche des Unterschieds der Style gesagt ist, daran, daß gerade der direct ideale, classische Styl auf seiner
Höhe am vollständigsten ausgebildet hat, was man die lyrische Unordnung nennt. Sie hat sich vorzüglich in der Ode
festgesetzt; Pindar componirt wahrhaft labyrinthisch, knüpft Fäden an, läßt sie wieder fallen und flicht sie erst am
Ende so zusammen, daß die Bedeutung klar wird (vergl. u.A. Otfr. Müller Gesch.
d. griech. Lit. B. 1, S. 409 ff.). Diese
vielbesprochene Art der Anlage, das Abspringen zu weit von einander entlegenen Gegenständen, das scheinbar gesetzlose,
der bloßen Einbildungskraft angehörige Spiel der Verknüpfung der Vorstellungen erklärt sich leicht daraus, daß die
wirkliche Ordnung eine subjective ist und die objectiven Elemente aus dem Einen Gesichtspuncte der Stimmung verbindet.
Diese schwebt über der Welt, wie ein Magnet, an den auf Kosten des sächlichen Zusammenhangs Jedwedes anschießt, was eine
wesentliche Seite der Beziehung zu ihm hat, oder sie kann mit dem schwebenden Vogel im Anfange von Göthe's Harzreise im
Winter verglichen werden: "Dem Geier gleich, der auf schweren Morgenwolken mit sanftem Fittig ruhend nach Beute
schaut, schwebe mein Lied!" Man wird sich hierüber klare Rechenschaft geben, wenn man an sich selbst beobachtet, wie
im Zustande entschiedener Gefühlsstimmung die Phantasie umherschweift, als handle sie, vom Denken nicht überwacht, ganz
willkürlich für sich; man wird sich zuerst wundern, wenn man sich darauf besinnt, bei wie fremdartigen Gegenständen sie
herumgeirrt ist, hernach aber sich überzeugen, daß sie im Dienste des Einen Grundgefühls gehandelt hat. Der Wahnsinn als
fixe Idee ist ein krankhafter Verlust des ganzen Geistes in diesen Zustand, dem die Kunst als einen Zustand unter andern
freie ästhetische Form gibt: er sieht alle Dinge außerhalb der richtigen Ordnung nur im Zusammenhang mit Einer habituell
gewordenen Vorstellung, Empfindung; Blitz, Donner, Sturm und Regen, Edgar's Erscheinung, Gloster's feinen Hut und alles
Andere bezieht Lear nur auf den Undank seiner Töchter. Die Phantasie kann auf dieser scheinbaren Irrfahrt bei diesem oder
jenem Bild auch länger verweilen, als der sprungweis bewegte Charakter der Dichtung es zuzugeben scheint, und man kann
dieß Episode nennen. Dahin gehören z.B. die mythischen Erzählungen Pindar's, wie die des Argonautenzugs im Pythischen
Gedicht auf den Kyrenäischen König Arkesilas, allein das herrschende Gefühl ruft die Phantasie von diesem Verweilen doch
ungleich rascher zurück, als die epische Anschauung; so im gegebenen Beispiele, wo jenes Bild nur dient, die Größe des
Kyrenäischen Königsgeschlechts durch den Ruhm der Argonauten, von denen es abstammt, zu verherrlichen. In der modernen
Lyrik werden solche
Episoden-[1336]ähnliche Stücke weit kürzer sein, weil der subjective Charakter hier überhaupt das
Anschauungs-Element weit mehr in die Enge zusammenzieht, man kann sagen, weil sie ächter lyrisch ist. Die Einheit des
lyrischen Gedichts ist denn wesentlich Ton-Einheit und es gleicht jener Richtung in der Malerei, welche nicht nur die
Schönheit der Zeichnung, sondern überhaupt den Werth der Gegenstände gegen den Stimmungston zurückstellt. Wir sind aber
jetzt im Elemente des zeitlich Bewegten: die Ton-Einheit muß also in Ton-Unterschiede successiv auseinandergehen und
kann als Einheit von diesen ebensosehr Bewegungs-Einheit heißen. Ein bestimmtes Gefühl soll im Liede den Weg gehen, den
ihm seine Natur vorschreibt, und nicht ruhen, bis es erschöpft ist. Es bedarf keines Beweises, daß auch hier der
Dreischlag von Anfang, Mitte, Schluß, wie wir ihn für alle Composition als organisch gegeben aufgestellt haben, das
Grundgesetz der Gliederung bilden wird: Anschwellen, Ausbrechen, sich Beruhigen ist der natürliche Verlauf jeder
besonderen Stimmung. Doch können diese Elemente verschiedene Stellungen zu einander eingehen und zu der Verschiedenheit
dieser Stellung kommt noch die Verschiedenheit der Mischung des Gefühlsklangs mit den Anschauungs-Elementen, dem
Gedankenmäßigen (Gnomischen) und dem Hindringen gegen den Willens-Entschluß. Das letzte der drei Momente, die Beruhigung,
kann natürlich die mannigfaltigsten Formen annehmen, ist nicht nothwendig eigentliche Besänftigung, besteht aber wesentlich
immer darin, daß das Gefühl eben in der Selbstdarstellung sich läutert, idealisirt. Pilgers Morgenlied von Göthe
(Nachgel. W. B. 16), das wir oben in anderem Zusammenhang angeführt, enthält den Dreischlag der Momente in der einfachen
Weise, daß im ersten Satze der Anblick von Lila's Wohnung, obwohl im Morgennebel verhüllt, Bilder seliger Erinnerung im
Dichter weckt; nun folgt ein zweiter Satz, zuerst episch der ersten Begegnung gedenkend, dann rasch zu dem Gefühle der
rauhen Wildheit des Trennungsschmerzes übergehend und diesem Schmerze kühn den männlichen Willen entgegenstellend, im
letzten Satze aber beruhigt sich dieser Sturm nicht im Erlöschen der schmerzvollen Stimmung, sondern im Verklären
derselben zur allgegenwärtigen Liebe. Dieß ist allerdings die einfachste, allgemeinste Form des Verlaufs; allein die
Beruhigung kann auch in einem vollen, stürmischen Ausbruch des Gefühls liegen und dann haben wir die Umstellung, daß
das zweite der drei Momente, wie sie oben aufgeführt sind, an den Schluß tritt; so schließt Gretchen's Lied "Meine Ruh'
ist hin" mit dem stürmischen Wunsche, an den Küssen des Geliebten, zu dem die wühlende Sehnsucht sie drängt, zu vergehen:
vorher zurückgehalten, gepreßt, erstickt stürzt hier das Grundgefühl gewaltsam wie durch eine Schleuse hervor, die sich
dadurch geöffnet hat, daß die arme Verlassene das Bild des Geliebten im vollen Glanze, wie die Liebe schaut, sich
vergegenwärtigt hat. Dieß ist nun
[1337] freilich keine Beruhigung im gewöhnlichen Sinn, aber als höchster Ausdruck der
Sehnsucht doch ein idealer Abschluß. In Mignon's Lied "Kennst du das Land" steigert sich die Sehnsucht in
ununterbrochener Folge; in drei Strophen stellt sich einfach die Dreigliederung dar; die erste malt die Natur Italiens,
die zweite seine Kunst, und hier hängt sich an das vorschwebende Bild die dunkle Erinnerung der dort verlebten Kindheit;
dadurch befeuert sich in der letzten Strophe die Sehnsucht, die Phantasie sucht den Weg zu dem Ziele derselben und findet
ihn in einem der Alpenpässe, dessen wilde Gebirgswelt recht der zum Gipfel angelangten Heftigkeit des Wunsches
entspricht, und mit diesem beschleunigten Pulse schließt das Lied. Dagegen stellt sich in Göthe's Gedicht
"Rastlose Liebe" der stürmische Ausbruch an den Anfang, bildet den ersten Satz: der Dichter möchte dem Gefühl einer
neuen Liebes-Anziehung sich entreißen, stürzt dem Schnee, dem Regen, dem Wind entgegen; im zweiten Satze gibt er sich
davon Rechenschaft, aber wir ahnen schon, daß die Schmerzen, denen er entfliehen will, nicht so unwillkommen sind:
"alle das Neigen von Herzen zu Herzen, ach! wie so eigen machet das Schmerzen!", und im dritten Satze hat er sich in
das Glück ohne Ruh' ergeben und erkennt der Liebe, aus der es kommt, die Krone des Lebens zu: erst jetzt, mit diesem
Geständniß ist ausgesprochen, was dem Anfange noch verschwiegen zu Grunde liegt. Diese Winke mögen hinreichen, zum
weiteren Nachdenken über die lyrische Composition und die mancherlei Umstellungen ihrer Glieder anzuregen; sie wären
leicht zu vermehren, namentlich wenn wir auf die Form eingehen wollten, die eine Handlung erzählt und hiemit an das
Aristotelische "Anfang, Mitte und Schluß" in ähnlicher Bestimmtheit gewiesen ist wie Epos und Drama. Wesentlich ist
aber hier noch das Moment einer wiederkehrenden Unterbrechung des lyrischen Verlaufs, die denn auch am Abschlusse noch
ihr Recht behauptet, hervorzuheben: es ist der Refrain, wie ihn besonders das germanische Volkslied und die durch es
verjüngte Kunstpoesie liebt. Er ist zunächst überhaupt Ausdruck davon, daß das Gefühl sich in Worten eigentlich nicht
auszubreiten, darzustellen vermag; so wird in Gretchen's schon besprochenem Liede: "Meine Ruh' ist hin" der erste Vers,
der das Thema hingestellt hat, zum wiederkehrenden Strophen-Abschluß, zum Refrain: es ist ein mattes Zurücksinken von
dem Versuche einer ausführenden Schilderung des Zustandes einer liebenden Seele, die ihr Centrum verloren hat, aber am
Schlusse kann er hier nicht wiederkehren, da, entstammt am Bilde des Geliebten, das Gefühl sich Luft gemacht hat und
in's Weite ergießt. Dagegen in Gretchen's Gebet faßt er als Anfang und Schluß das Ganze ein; hier ist er der Ausdruck
davon, daß die Verzweiflung nur bei der göttlichen, mitfühlenden Liebe Hülfe suchen kann, er ist aber am Schluß etwas
verändert, ein heftigeres Flehen. Der Refrain trägt durch feine
[1338] Einschnitte zu der sogenannten lyrischen Unordnung
bei, denn unvermittelt durchbricht er die Versuche des Gefühls, zur objectiven Anschauung überzugehen; aber in Wahrheit
stellt er wie eine wiederkehrende Melodie die Einheit des Grundtones aus den Wechseln und Unterschieden her; zugleich ist
er ein Ruhepunct: das Gemüth hält sich an ihm fest in dem bodenlosen Wogen der Empfindung. Allerdings kann er auch aus
bloßen Naturlauten, Interjectionen bestehen; die Bedeutung eines durchgehenden Bandes zum Festhalten der Grund-Empfindung
bleibt ihm dann in dunklerer, der Musik enger verwandter Weise. Das Kinderlied und Handwerkslied spielt gerne mit dieser
Form, um eine Körperbewegung auszudrücken, die der Gesang begleitet; die Kunstpoesie wird in Nachbildungen leicht
kindisch. Daß die lyrische Dichtung auf Kürze angewiesen ist, geht aus der Natur des Gefühls hervor,
wie wir auf sie
dieselbe Forderung schon in der Lehre von der Musik §. 764 begründet haben.
Die lyrische Poesie ist durch ihre Bedeutung als Wiederkehr des Standpuncts der empfindenden Phantasie in der dichtenden
besonders eng auf die rhythmische Form gewiesen; sie führt ihrer Natur nach zum Strophenbau,
bildet ihn kunstreich zu
einer Vielfältigkeit verschlungener Gliederungen fort, verbindet Strophen zur Strophengruppe, deren Composition
naturgemäß zu einer Gliederung von drei Sätzen neigt, endlich Strophengruppen zu größeren Ganzen. Die Grundforderung aber
ist, daß Ton und Gang der Stimmung sich in der äußern Form treu ausspreche, und dieses Verhältniß soll nicht unter allzu
viel Kunst leiden. Wesentlich entspricht dem Charakter der lyrischen Dichtung der Reim. Die Verwandtschaft mit der
Tonkunst wird in ihr zur wirklichen Verbindung durch musikalischen Vortrag.
Die lyrische Dichtung ist enger an den Gehörssinn gewiesen, weil sie an das Bewußtsein zwar anknüpft, aber ihren
Gefühls-Inhalt ihm nicht völlig zu erschließen vermag, der Ton und seine Kunstbildung aber eben die Sprache des Gefühls
ist. Doch führt dieß nicht unmittelbar auf den eigentlich musikalischen Vortrag; die rhythmische Form in ihrem
Unterschiede von der Musik und ihrer tiefen Verwandtschaft mit derselben ist eben der Punct, worin der Antheil des
Bewußtseins, durch den jene Kunst dem Gefühle Wort-Ausdruck gibt, mit dem reinen Bewegungsleben des Gefühls geeinigt
erscheint. Die verschlungenen, mit Bild und Gedanke durchschossenen Wege und Gänge des Gefühls führen nun naturgemäßer
zu kunstreichen rhythmischen Gebilden; es tritt an die Stelle der fortlaufenden epischen Versreihe eine Verbindung von
Reihen zu selbständigen kleineren Ganzen,
[1339] zu Strophen, und eine Aufeinanderfolge von Strophen wie dort von
einfachen Reihen. Von jeher haben die Strophen dazu geneigt, den Weg des Gefühls dadurch bestimmter darzustellen, daß
sie durch eine nach Länge oder Kürze überhaupt oder auch metrisch ungleiche Zeile ihre zusammengestellten Reihen
abschlossen und damit das Ausathmen des Gefühls schlechthin oder das Ausathmen mit einem kurzen neuen Aufschwunge
darstellten. Es war zuerst der Pentameter, der im elegischen Versmaaße zum Hexameter trat als "melodisches Herabfallen
der flüssigen Säule, die im Herameter gestiegen ist," es war dann der Epodos in verschiedenen Formen. Allein der
Doppelschlag von Steigen und Sinken ist nur die allgemeinere Seite des Gefühlslebens; die Stimmung hat ihren innern Verlauf
und wir haben in §. 887 auch von ihm gesagt, daß sich derselbe naturgemäß durch drei Momente bewegen wird. Als sich die
Lyrik in der dorischen Chorpoesie immer kunstreicher ausbildete, stellte sich denn auch die Dreigliederung in den drei
Sätzen: Strophe, Antistrophe und Epode dar. Die Minnepoesie des Mittelalters hat dieselbe Kunstform in den zwei Stollen,
die der Aufgesang hießen, und dem Abgesang ausgebildet; unter den neueren Bildungen sind es namentlich mehrere
italienische, die in der Verschlingung ihrer melodischen Bänder den Abschluß durch einen zwei vorangehenden Sätzen
ungleichen Satz lieben, so die achtzeilige Stanze und das Sonett. Die antike Lyrik ist nun zu äußerst kunstreichen
Bildungen in der einzelnen Strophe fortgegangen und hat Gruppen von Strophen mit andern zu Einer großen verbunden: eine
Höhe, die jedoch bedenklich die Grenze des richtigen Maaßes berührt. Es ist nämlich der Consequenz, zu welcher der erste
Theil unseres §. führt, ihre Schranke zu setzen; denn bis auf einen gewissen Grad getrieben ist das Kunstreiche der
rhythmisch-metrischen Form nicht mehr Ausdruck, sondern Abzug, Ableitungskanal der Innigkeit der Empfindung: die Form
wächst nicht mehr mit dem Inhalt, sondern fordert Interesse für sich und stiehlt ihm seine Wärme. Die Alten, bei denen
überhaupt die äußere Kunstform mehr als eine selbständige Welt der Schönheit bestand (vergl. §. 859), konnten hierin
ungleich weiter gehen, als die Neueren, ihr Formgefühl war als solches so warm, daß sie, wenn sie auch die Form mit
Verlust an Interesse für den Inhalt fühlten, doch innig fühlten. Wir werden zudem sehen, mit welchen andern Seiten des
unterscheidenden Charakters ihrer lyrischen Poesie dieß zusammenhängt. Dagegen schlug die ähnlich kunstreiche Ausbildung
der lyrischen Formen im Minnegesang auf der Höhe, zu der sie sich steigerte, in unzweifelhafte Erkältung des Gefühls,
in conventionelles Spiel und stabilen Cultus bestimmter Empfindungen um und es bedurfte der ganzen Schlichtheit des
später aufblühenden Volksliedes, um zur Wahrheit zurückzukehren. Die Künstlichkeit der romanischen und muhamedanisch
orientalischen Formen wird uns nöthigen, dieser Lyrik ihre
[1340] Stelle jenseits der Mitte wahrer Innigkeit anzuweisen.
Was namentlich die größeren Strophensysteme betrifft, so tritt an ihre Stelle in der neueren Poesie natürlicher das
Cyclische, der Kranz von Gedichten, den der gemeinschaftliche Inhalt einer umfassenden Gefühls-Situation oder Lebensepoche
an geistigem Bande zusammenhält. Das einfach Wesentliche bleibt immer, daß der Stimmungston im Rhythmus reinen Ausdruck
finde. Wir zeigen die rechten Wege durch einen Blick auf Göthe'sche Balladen. "Der Fischer" ist durchaus <antithetisch>
gebaut; jede Strophe besteht aus zwei kleineren vierzeiligen. Das Maaß ist jambisch, also anwachsend, andringend, aber
je auf eine längere Zeile folgt eine kürzere: ein Zweischlag, der auf die Anschwellung ein Gefühl des Zurücksinkens folgen
läßt; die meisten der Langzeilen aber zerfallen durch eine Diärese in zwei Dipodien, z.B.: "das Wasser rauscht, das
Wasser schwoll;" "halb zog sie ihn, halb sank er hin." So geht durch das Ganze das Gefühl des anschlagenden und
zurücksinkenden Wellenspiels, recht das Gefühl des Wassers und des süß, schwindlicht Verlockenden, was es hat. "Der
Gott und die Bajadere" besteht aus Strophen, die je wieder aus zwei vierzeiligen gebunden sind, aber auf jede ganze
Strophe folgt eine dreizeilige, die sich zu jener wie der Abgesang zum Aufgesang mit seinen Stollen verhält, übrigens
durch den Schlußreim, welcher mit dem der größeren Strophen gebunden ist, sich an diese anflicht. Jene sind trochäisch
und drücken durch dieses Maaß bald das Hohe der Herabkunft des Gottes, bald das sicher Continuirliche des Fortschrittes
von den ersten Anlockungen und Erweisungen der Liebe bis zum tragischen Ende aus. Die kürzeren Abschlußstrophen dagegen
bestehen aus längeren daktylischen Zeilen mit Vorschlag und trochäischem Schluß; sie schießen hervor, als habe das Gefühl
in den Hauptstrophen nicht genug Raum gehabt, sich zu dehnen; in der ersten bezeichnet dieser Rhythmus nur das schnell
Wechselnde in Mahadöh's Erdreisen, in der zweiten schlägt er zum lieblichen Tanz und Zymbel-Klang als beschleunigter
Puls, in der dritten drückt er die dienstwillige Geschäftigkeit des Mädchens und die Freude des Gottes aus, in der
vierten klingt er ängstlich anwachsend im Gefühle der steigenden Schärfe der Prüfungen, in der fünften athmet er
befriedigte Luft, in der sechsten bricht er stoßweise durch wie die Verzweiflung, womit die Bajadere unter die Begleiter
des Leichenzugs stürzt, in der siebenten scheint er unter dem tragischen Inhalte des Priestergesangs in dunkler
Bangigkeit zu zittern, in der achten ist er ganz Klage und in der neunten schwebt er mit dem verklärten Paare
beschwingt zum Himmel empor. Dagegen betrachte man die Braut von Korinth; ihre Atmosphäre ist schwüle Bangigkeit,
es liegt wie ein bleierner Druck auf ihr; zwei kürzere Zeilen vor dem Schlusse der Strophen scheinen unter diesem
Drucke nicht weiter zu können, den wiederholten Ansatz zu hemmen, den Athem einzuhalten, der dann, wie wenn der
[1341] Eintritt eines erwarteten Schrecklichen ihn befreite, in einer abschließenden längeren Zeile, doch, wie die
andern, in schweren trochäischen Wellen, aushaucht, und erst in der letzten Strophe wird die Recitation diesem
rhythmischen Ende einen leichteren, schließlich entlastenden Ton geben. Aehnlich verfolge man, wie die kurzen
Zwischenstrophen im "Zauberlehrling" bald die unwillkommene Stetigkeit des Fortwirkens der Zauberkräfte, bald die
drollig angstvolle Hast des Lehrlings, bald den ordnenden Befehl und die Lehre des Meisters ausdrücken. Wir haben
hier überall Strophenbildungen, die das Einfache verlassen, ohne zu verwickelt zu werden und namentlich ist es der
Reim, der die übersichtliche Haltung sichert. Es erhellt aus Allem, was über den Charakter des Lyrischen gesagt ist,
daß er in dieser Dichtart die Bedeutung, die ihm in §. 860, 3 zuerkannt ist, im engsten Sinne behauptet. Er ist
wesentlich stimmungsvoll und man kann sagen, daß die lyrische Form ihren Beruf, ganz Kunst der poetischen Stimmung
zu sein, erst mit ihm erreicht habe. Das Verhältniß der lyrischen Dichtung zur Musik ist schon in §. 839, 3 berührt.
Das Epos ist zum recitirenden Vortrag, das Lied zum Gesange bestimmt. Die innige Analogie zwischen diesen ist in aller
Volkspoesie wirklicher, untrennbarer Bund. Die griechische Lyrik hob ihn auch als Kunstpoesie nicht auf, sondern wuchs
und vervollkommnete sich durchaus zugleich mit der musikalischen Kunst, mit den Instrumenten, und in der chorischen Form
trat der Tanz hinzu, der die schwierig verschlungenen Maaße auch in die räumliche Figur übersetzte und dem Auge vortrug.
Man muß sich dieß veranschaulichen, um sich klar zu machen, welche Fülle stimmungsvollen Genusses dem Griechen schon in
der Form lag. Namentlich hatten Strophe, Antistrophe und Epodos die Tanzfigur der Evolution, ihrer Abwicklung und des
Stillstands zur Grundlage. Nachdem nun die moderne Bildung das Band gelöst hat, ist die Lyrik der Kunstpoesie zunächst
zum Lesen bestimmt, doch ist hier die Trennung vom Sinnlichen ungleich härter, als im Epischen, wie es vom öffentlichen
Platze, wo einst der Rhapsode horchenden Volksmassen mit heller Stimme vortrug, in die Stube zurückgetreten ist.
Mindestens gut declamirt wollen wir das lyrische Gedicht hören; allein je stimmungsvoller, je ächter lyrisch, desto
weniger freilich kann dieß genügen, ja desto weniger paßt es. Es gibt eine lyrische Poesie und wir werden ihr ihre
Stelle anweisen, die declamatorischen Charakter hat, aber
wer keine Erzeugnisse aufzuweisen hat, die wie Gesang klingen,
zum Gesang auffordern, dem Componisten entgegenkommen, der hat sich nicht wahrhaft als lyrischer Dichter bewährt; seine
Werke wurzeln nicht im reinen Elemente der Stimmung. [1342]
Der Eintheilungsgrund für die Arten der lyrischen Poesie liegt in den verschiedenen Schritten des Prozesses, durch
welchen das Gemüth den Weltinhalt in sein inneres Leben verwandelt; der Unterschied des Objectiven und Subjectiven
tritt also hier in eigenthümlicher Bedeutung auf und begründet drei Formen: eine Lyrik des Aufschwungs zum
Gegenstande,
eine andere des reinen Aufgehens des letzteren im Subjecte und eine dritte der beginnenden und
wachsenden Ablösung aus
ihm oder der Betrachtung. Die andern Eintheilungsmomente (vergl. §. 864), namentlich das auf den Unterschied der Style
begründete, berühren sich vielfach mit diesem entscheidenden, ohne mit ihm zusammenzufallen, sie treten vielmehr
wesentlich auch neben ihm in Geltung.
Der innere Grund der bekannten Schwierigkeit der Eintheilung des lyrischen Gebiets ist natürlich der Mangel des
eigentlich Objectiven: wo ein gegenständliches Weltbild gegeben wird, treten eingreifende Unterschiede des Standpuncts
mit dem Erfolg auf, daß die Welt in verschiedenem Ausschnitt, Umfang, daher in erkennbar festem Unterschiede der
Composition, der Behandlung, der ganzen Form zur Darstellung kommt; wo dagegen das Subject nur die Welt in sich,
als in Empfindung verwandelte ausspricht, da geräth Alles in's Fließende und ist die nothwendige Folge eine
unübersehliche Vielheit der Formen, deren jede Stimmung in jedem Moment eine neue erfinden kann. Die Stimmungen
selbst aber sind unendlich nach Individuen und Momenten und jede einzelne wieder unendlich gemischt; nur Ein großer
Haupt-Unterschied läßt sich aufweisen, nämlich eben derjenige, den der §. aufstellt und den wir sogleich erläutern,
aber mit dem Vorbehalte, daß die genauere Benennung der Formen nicht eine bestimmte Gestalt, sondern nur einen Ton,
einen Charakter bezeichnen kann: das Hymnen-, das Lieder-artige u.s.w. Wir haben die epische Poesie nach dem
Unterschiede der Style eingetheilt und dadurch gewonnen, daß die logische Folge im Allgemeinen zugleich als die
geschichtliche erschien. In einer Kunstform ohne eigentliche Objectivität kann der Styl-Gegensatz eine so durchgreifende
Bedeutung nicht haben. Es wird ein solcher natürlich auftreten: der plastisch-ideale Styl wird objectiver in seiner
ganzen Haltung sein und ebendarum mehr entwickelnd, weniger unruhig verfahren, mehr
[1343] Gedanken-Elemente beimischen,
er wird vermöge dieser Eigenschaften seinen Standpunct weniger in jener Mitte einnehmen, wo der Inhalt rein in lauter
Stimmung aufgeht, sondern mehr in der ersten und dritten unter den Formen des Prozesses, die der §. unterscheidet,
wogegen der charakteristische Styl recht entschieden der rein lyrischen Mitte angehören wird; dieser Unterscheid wird
sich also mit unserer auf das Allgemeine des innern Prozesses gegründeten Eintheilung berühren, aber nur theilweise in einer
Art, worin die logischer Ordnung zugleich die historische ist, er wird nicht mit ihr zusammenfallen, vielmehr es wird
sich zeigen, daß, obwohl die eine Stylrichtung mehr auf dieser, die andere auf jener Stufe des Prozesses ihre Stellung
hat, doch auf jeder Stufe jede von beiden auftritt und Unterschiede innerhalb derselben begründet. – Es könnte sich
fragen, ob nicht der Unterschied der Auffassungs-Arten der Phantasie (bildend, empfindend, dichtend), welcher die
Eintheilung der Zweige überhaupt bedingt, hier, im Lyrischen, auch als Grund für die Unter-Eintheilung einzuführen sei.
Allein die Subjectivität bildet zu sehr den Charakter des ganzen Zweiges, als daß dieser Unterschied hier von
durchgreifender Kraft sein könnte. Es wird sich allerdings finden, daß die erste der Formen, wie sie sich nach unserer
Eintheilung unterscheiden, mehr epische Elemente hat, von der zweiten erhellt bereits, daß sie im engsten Sinne lyrisch
zu nennen ist, die dritte durcharbeitet das Gefühl mit der überwachsenden geistigen Besinnung und könnte so in gewissem
Sinn als dichtend bezeichnet werden; allein im Ganzen und Wesentlichen ist dieser Unterschied demjenigen, den wir aus
dem Prozesse der Empfindung entnehmen, nur verwandt und ähnlich, keineswegs gleich. Dieß ergibt sich, wenn wir den
letzteren nunmehr genauer, wiewohl nur in vorläufiger Kürze, ansehen. Vorbereitet ist die Sache schon in §. 864, wo
gesagt ist, daß in der Unter-Eintheilung auf einem Puncte der Unterschied des Objectiven und Subjectiven in neuer,
eigenthümlicher Bedeutung sich geltend mache. Wenn im engsten Sinne lyrisch diejenige Form ist, in welcher der
gegenständliche Inhalt des Lebens ganz in Empfindung verwandelt aus dem Subjecte spricht, so wird diese reine Mitte
naturgemäß zwei Extreme neben sich haben: auf dem einen wird die Verwandlung noch nicht ganz vollzogen sein, auf dem
andern nicht mehr in ihrer vollen Reinheit bestehen; was aber zunächst als Zeitbezeichnung erscheint, wird sich, wie
überall in den wesentlichen Sphären des Geistes, zugleich als bleibende, nothwendige Form fixiren. Die eine dieser
Formen, welche vor die Mitte fällt, ist objectiv in dem Sinne, daß das Subject nicht wagt, nicht vermag sein Object
ganz in sich hereinzuziehen, daß es nur zu ihm sich erhebt, an es hinsingt, zu ihm aufsingt. Man sieht, daß hier
Objectivität etwas Anderes bedeutet, als gegenständliche Darstellung im Sinne der bildenden Phantasie; es ist darunter
allgemein
[1344] zu verstehen, daß bei aller Begeisterung der Gegenstand außer und über dem Subjecte bleibt; allerdings
aber wird in der Behandlung die Objectivität in diesem Sinn Objectivität in jenem Sinne mit sich bringen. In der
mittleren Form dagegen singt der Inhalt, ganz Gefühl, Stimmung geworden, so unmittelbar, als wäre sein Prozeß der
Durchdringung vorhergegangen, aus dem Subjecte heraus. Diese Form ist also die schlechthin Subjective. Es wird sich
zwar zeigen, daß sie das Objective im Sinne der bildenden Phantasie, des Epischen, nicht ausschließt, daß vielmehr
gewisse Gebilde der lyrischen Dicht-Art, worin dieß Element recht bestimmte Gestalt annimmt, gerade ihr angehören;
aber eben hier, wo der Stoff objectiv gesetzt ist, wird die Behandlung um so entschiedener den rein subjectiven
Empfindungscharakter tragen. Da sowohl demnach jene erste, als auch diese zweite, mittlere Form epische
Anschauungs-Elemente zur Ausbildung bringt, freilich jede auf ganz andere Weise, so leuchtet ein, daß die Eintheilung
der Hauptformen nicht auf dieses Moment gegründet werden kann, vielmehr objectiv und subjectiv hier etwas Anderes
bedeutet, als bildend und empfindend. Im andern Extreme, in der dritten Form, klingt das Gefühl aus, fühlt sich leise
zur Betrachtung ab, allein solche Auflockerung gegen den Gedanken hin ist doch etwas spezifisch Anderes, als was wir
dichtende Phantasie nennen; diese stellt die Welt als eine im engsten Sinn geistig bewegte dar, aber das intensiv
Geistige dieser Auffassungs-Art ist an sich durchaus nicht mit dem Verhalten zu verwechseln, worin die Betrachtung
die Oberhand gewinnt. Es erräth sich nun leicht, daß diese Formen in enger Beziehung auch zum Unterschied
der Stoffe
stehen, doch kann auch der Zweifel nicht eintreten, ob nicht auf dieses Moment die Eintheilung zu gründen sei; denn
wiewohl die eine Form mehr zu dieser, die andere mehr zu jener Sphäre von Stoffen neigt, so greift dieß doch keineswegs
durch, vielmehr umgekehrt, die Formen greifen durch den Unterschied der Stoffe wieder durch und wenn z.B. die Lyrik
des Aufschwungs nicht wohl anmuthigen, leichten, zierlichen Inhalt behandeln kann, so eignet sich doch die Lyrik der
reinen Empfindung sehr wohl erhabenen an und die der vortretenden Betrachtung dehnt sich ohnedieß offenbar über jederlei
Gegenstand aus. Hiemit haben wir auch bereits den Unterschied der Grundgegensätze im Schönen (Stimmungs-Unterschiede
der Phantasie im allgemeineren Sinne: einfach schön, erhaben, komisch) berührt; da aber trotz der sichtbaren Beziehung
der ersten Form auf das Erhabene, der zweiten auf das Anmuthige schlechthin einleuchtet, daß die zweite auch erhaben sein
kann und daß doch zugleich sie vorzüglich das Komische ergreifen wird, und daß die dritte sich über die Stimmungen wie
über die Stoffe frei verbreitet, so gibt es auch keine etwaige Meinung zu widerlegen, welche das Lyrische nach diesem
Prinzip eintheilen wollte. Was endlich die geschichtliche Ordnung
[1345] betrifft, so bringt es der Charakter des Lyrischen mit sich, daß sie in der logischen Eintheilung zerworfen
wird. Am meisten wird dieß mit dem Orientalischen der Fall sein, das in der Lyrik eine ganz andere Stelle einnimmt,
als in den Hauptgebieten der Kunst im Großen, wogegen die successive Folge des Classischen und Neueren mit der logischen
mehr, aber keineswegs consequent, zusammenlaufen wird. Wir bemerken nur noch, daß Hegel's Eintheilung einen Ansatz der
unsrigen enthält, ihn aber nicht vollzieht, da in ihr die dritte Form, die betrachtende Lyrik, als Unterabtheilung
dessen auftritt, was wir als mittlere Form setzen, nämlich des Liederartigen, dagegen die Ode, die wir ganz anders
stellen werden, den mittleren Platz einnimmt (s. Aesth. Th. 3, S. 458. 465).
1.
In der Lyrik des Aufschwungs erscheint der Inhalt dem Subjecte
wesentlich als ein erhabener,
so daß es ihn nicht in
sich hereinzuziehen und ganz in Gefühlsleben umzusetzen vermag; er bleibt außer ihm, also objectiv, und es singt, in
seinen Tiefen mächtig bewegt, zu ihm hinauf: das Hymnische.
2.
Diese Form entspricht vorzüglich der classischen
Poesie;
ihr direct idealer, plastischer Styl bildet hier das epische Element nebst dem gnomischen in der breitesten Entwicklung
aus, welche das Lyrische zuläßt. Dieß verändert sich auch in den spezielleren Formen des Dithyrambs
und der Ode nicht,
in welchen der subjective Prozeß zu der Trunkenheit der ersten Aneignung des übergewaltigen Inhalts und dann zu der
kunstvollen Bemeisterung dieses Zustands fortgeht.
3.
Die orientalische Hymnik ist ungleich subjectiver und ebenso, obwohl in anderem
Tone, die romantische und die moderne.
1. Der Inhalt "erscheint als ein erhabener", d.h.: das Hymnische gehört dem Bewußtsein an, das die Kräfte, welche die Welt bewegen, ihrer Ausbreitung und Zerstreuung im einzelnen Wirklichen entnimmt und als absolute Mächte, als Wesen für sich, als Hypostasen sich gegenüberstellt. Es erhellt sogleich, daß die Form der lyrischen Poesie, welche sich darauf gründet, vorzüglich dem Götter-glaubigen, dem mythischen Bewußtsein angehört, aber keineswegs allein; vielmehr kann auch der Geist, der durch die Aufklärung die Welt entgöttert hat, jenen großen, zusammenfassenden, eine Idee von ihrer Verwirklichung im Einzelnen getrennt für sich hinstellenden Act vornehmen; ein solches modernes Gedicht wird uns eigentlich factisch zeigen, wie der Götterglaube entstanden ist, mag es nun zur eigentlichen Personification fortgehen oder nicht. Sei es die Freundschaft, die Freude, jede große sittliche Empfindung, sei es eine Naturkraft, die als eine selbständige Macht angeschaut wird, ohne daß eine eigenthümliche [1346] Personbildung einträte: die Vollziehung dieses Schrittes scheint immer in nächster Nähe zu schweben, wie in Hölderlin's herrlicher Hymne an den Aether ohne ausdrückliche Personification die Alles umspannende, nährende, labende Naturpotenz zu einem Gott wird. Dieß verändert sich nicht, wenn Fürsten, Helden, Landschaften, Städte, Handlungen, furchtbare Ereignisse, einzelne gewaltige Natur-Erscheinungen besungen werden: sie wachsen in der ganzen Auffassung und Behandlung, sowie durch die speziellern Anknüpfungen an absolute Mächte, an Götter, selbst zu Göttern an, der Weg ist nach dieser Seite hin nur so zu sagen analytisch, bei der unmittelbaren Wendung an das Göttliche synthetisch. Keineswegs wird nun durch die Objectivität in diesem Sinn einer erhabenen Form das Lyrische aufgehoben; vielmehr gerade weil vor der Uebermacht des Gegenstands das Subject zu verschwinden droht, weil sie auf sein Empfindungsleben drückt, so ringt dieß, in seinen Tiefen erschüttert und aufgeboten, um so gewaltiger und schwellt sich an, dem Gegenstande näher zu kommen und ihn so zu bewältigen, daß seine unendliche Größe als ganz vom Dichter empfunden erscheint, es bewegt sich um ihn, häuft Prädicat auf Prädicat, muß aber doch am Ende gestehen, daß es ihn nicht erschöpft hat, wie Haller am Schlusse seiner Hymne auf die Ewigkeit von dieser sagt: er ziehe die Millionen Zahlen ab und sie stehe ganz vor ihm; so löst sich der Versuch der Bewältigung schließlich in die reine Ausrufung auf und das Verstummen in dieser ist eben ächt lyrisch. Es bleibt bei einem Hinan- und Hinaufsingen an den Gegenstand. Dieß ist ein Tadel, wenn man vom Lyrischen überhaupt spricht, nicht, wenn es in besonderem Sinne von einer seiner Formen aussagt. Nur wo diese Form einseitig in einer ganzen Epoche, wie in der Zeit nach Klopstock herrscht, erscheint sie als Mangel. Sie hat das ganze Recht des Erhabenen. zurück
2. Es folgt zunächst aus dem mythischen Charakter des Hymnischen, daß
dasselbe vorzüglich der classischen Lyrik als naturgemäßes Element entspricht. Der Begriff des Objectiven, wie er dieser
Gattung des Lyrischen zu Grunde liegt, ist zwar, wie wir zum vorh. §. gezeigt haben, von der allgemeinen ästhetischen
Bedeutung, wie wir ihn sonst anwenden, verschieden, allein unbeschadet dieses Unterschieds tritt hier nothwenig ein
inniger Zusammenhang ein: eine Lyrik, die dem Verhalten des Bewußtseins nach ihren Inhalt objectiv außer und über sich
behält, wird vorzüglich von demjenigen Kunststyle ausgebildet werden, der überall im Sinne der bildenden Kunst, und zwar
der Sculptur, und im Sinne der bildend dichtenden Phantasie, also der epischen Form, auf klare Gestaltung und Schönheit
der einzelnen Gestalt dringt. Es kann sich fragen, ob eine solche Art der Phantasie überhaupt Beruf zur lyrischen Dichtung
habe, die Antwort wird aber sein, es werde sich ähnlich verhalten, wie mit der Malerei, welche diesem
[1347] Ideale nicht verschlossen war, aber im plastischen Geiste behandelt wurde; nur ist nicht zu vergessen, daß die
Poesie als die geistigste Kunst in allen ihren Sphären den verschiedenen historischen Standpuncten der Auffassung offener
sein muß, als andere Kunstformen, daß also auch die Griechen in der Innerlichkeit, die sich im Wort ausdrückt, tiefer
mußten gehen können, als in der, welche sich durch die Farbe ausdrückt. Doch nicht so tief, als die Gattung in der
ganzen Intensität ihres Begriffes es fordert, und so blieben sie denn in der Lyrik episch und sagte ihnen ebendaher
diejenige Form besonders zu, worin der Durchdringungsprozeß des lyrischen Verhaltens sich auf seiner ersten Stufe
befindet. Die erste, im engsten Sinn episch lyrische Gestalt tritt in den sog. Homerischen Hymnen auf; die Form des
Anrufs ist kurz, der Hauptkörper besteht in der Erzählung der Thaten des Gottes. Es waren ursprünglich Proömien
rhapsodischer Gesänge, die sich dann ablösten und als selbständige Form ausgebildet wurden; so haben wir hier einen
Rest jenes Keimes, in welchem anfangs das Epische und Lyrische noch ungesondert lagen. Von da schritt die Lyrik der
Griechen durch die elegische und jambische Dichtung der Jonier zur melischen und zur chorischen der Dorier fort. Es ist
die letztere, welche hieher gehört; die elegische werden wir zu dritten Stufe ziehen, die melische entspricht dem
Lieder-artigen und ihr Charakter wird sich insofern als ächter lyrisch erweisen; allein auch diese beiden hatten doch
ungleich mehr epische Färbung, als dasjenige, was ihnen in der neueren Lyrik entspricht, und, was das Wichtigste ist,
die Krone des Fortschritts war eben jene chorische Form der dorischen Dichtung, welche bei aller innerlichen Erregung
doch die epischen Elemente gerade am stärksten ausbildete. Dieser Gesang, der seinen Gipfel in Pindar erreichte, war
seinem ganzen Geiste nach objectiv, monumental. Er sprach dieß schon in seiner Form aus, denn er wurde unter Begleitung
von Musik und Tanz bei öffentlichen Veranlassungen, Gottesdienst, Empfang und Begleitung der Sieger in den öffentlichen
Spielen stets von ganzen Chören vorgetragen. Der Inhalt konnte wohl auch der Sphäre des schönen Lebensgenusses angehören,
aber die höhere, wahre und herrschende Bestimmung dieser feierlichen Formen waren doch die Götter, die Helden, das
Vaterland: es ist hymnische Dichtung. Der reiche und kunstvolle Bau der Strophe, ihrer Gliederung in Strophe, Antistrophe
und Epode war das Prachtgewand für diesen gewaltigen Inhalt, für die breiten und tiefen Wellen der Erschütterung, womit
er das Gemüth bewegte. Nun ist allerdings gerade in dieser Gattung die sogenannte lyrische Unordnung, die als ein
Hauptmerkmal der Ode angesehen wird, heimisch geworden, aber wir sehen zunächst von dieser "labyrinthischen Composition"
ab, wie sie ja in der That auch erst durch Pindar ihre Ausbildung erhielt; sie hob ohnedieß, so sehr sie damit in
Widerspruch zu stehen scheint, den Grundzug
[1348] keineswegs auf, welchen diese höchst reife Lyrik mit jenen homerischen
Hymnen immer noch gemein hatte. Dieß war denn eben die epische Haltung. Es wird eine Reihe hoher Sculpturbilder
aufgestellt, der Gott, der Held, die Stadt, die Landschaft durch Darstellung der Thaten, Schicksale in reiner Formenpracht
aufgezeigt. Der Dichter trägt aus allen Sphären, die in Verbindung mit seinem großen Gegenstande stehen, epische
Glanzpartieen herbei, wirft auf ihn ihre vereinigten Strahlen. Die einzelnen epischen Theile sind selten lang, aber sie
laufen doch an dem gegebenen Bilde episch fort. Sie entwickeln, und wenn wir vom lyrischen Style gesagt haben, daß er
wesentlich nicht entwickle, so müssen wir nun hinzusetzen, daß der lyrische Styl der Griechen
eben hiedurch im Lyrischen
das Epische behält. Zu diesem Entwickeln gehört aber auch das Fortgehen von einem epischen Bilde zum andern; mag es
immerhin zunächst noch so sehr als ein Sprung erscheinen; es ist doch ein Entwickeln im Sinne des Ansammelns vieler
Bilder, um den Gegenstand mehr für das innere Auge, als für das Gefühl, in volles Licht zu setzen. Hiezu kommt nun
ein anderer Zug: die starke Herrschaft des Gedanken-Elements, des Gnomischen. Sie ist so bedeutend, daß die Frage
entstehen könnte, ob wir nicht die gesammten Formen der ausgebildeten Lyrik des classischen Alterthums in jene
Sphäre verweisen sollen, welche wir Lyrik der Betrachtung nennen. Was nicht einen bestimmten Gehalt ausgesprochener
ernster Lebensweisheit enthielt, hätte dem Griechen nie als ein Gedicht höherer Gattung gegolten. Daran knüpft sich
von selbst das Ausmünden nach der Seite der Willensbestimmung: Rath, Warnung, Aufforderung. Dennoch schwimmen diese
Einträge in einem hinreichend starken Elemente gewaltiger Erregung, um den Wärme-Grad des lyrischen Charakters zu
retten. Ein ganz organischer Gang der Fortbildung stellt sich nun dar, wenn wir diese hymnische Dichtung von den
homerischen Hymnen, dann von den noch nicht so labyrinthisch, wie von Pindar, componirten Kunstwerken der chorischen
Poesie zu den Dithyramben und von da zu jener Fixirung der kühn abspringenden Compositionsweise begleiten, wie sie
sich als Hauptmerkmal der Ode im späteren Sprachgebrauche festgesetzt hat. Wir dürfen nämlich den
Dithyramb als diejenige
Form des lyrischen Prozesses betrachten, wo der Inhalt in das Subject herübertritt, aber das ihm nicht gewachsene Gefäß
in's Wanken bringt und überfluthet. Er wird Stimmung des Subjects, aber dieses ist von dem zu starken Trunke berauscht,
mit der innern Betäubung kommt die technische Form in's Schwanken und schweift ungebunden in den verschiedensten Rhythmen
hin und her. In Griechenland hatte dieß die bestimmte Bedeutung, daß der Dithyramb dem Dionysos galt, der Gottheit, die,
wie keine andere, eine tief mystische Einwohnung des All-Lebens in das innerste Seelen- und Nervenleben des Menschen
darstellte. Das epische Element blieb allerdings auch hier, indem
[1349] ein Vorsänger die Thaten und Leiden des Gottes
vortrug: nach der andern Seite ein Keim des Dramatischen, woraus bekanntlich die Tragödie entstand. Was aber den Griechen
Dionysos war, das ist uns jeder Moment der leidenschaftlich dunkeln Erregung, worin das Höchste und Bedeutendste uns
erfüllt, ohne unser eigenster Besitz zu werden, ohne zum stillen, freien und klaren Leben des Gefühls, worin wir ganz
uns selbst haben, sich abzuklären. – Ode heißt in dem intensiven Sinne, wie der Sprachgebrauch sich festgesetzt hat,
ein hoch erregter Gesang wesentlich erhabenen Inhalts in kunstreichen Strophen und kühn abspringender Composition. Man
darf dann streng genommen die leichteren Formen und kürzeren Strophen mit menschlich vertrauterem, exotischem und
verwandtem Inhalt, wie sie der melischen Poesie, der Aeolischen und Anakreontischen, angehörten, nicht Oden nennen;
will man auch das eine jener Merkmale, die kunstvoll reiche Strophenbildung (und den Tanz) fallen lassen, so bleibt
doch das andere stehen und man wird demnach unter den Horazischen Gedichten und den neueren Nachahmungen nach dieser
genaueren Bezeichnung nur das Ode nennen, was erhabenen Inhalt, angespannt hohen Ton und die sogenannte lyrische
Unordnung in der Compositon hat. Es gibt keine scherzende, leichte Ode, man müßte denn schließlich an dem Merkmale des
Anrufs, des antiken Tons und Rhythmus, wie er eine selbständige Klang-Schönheit darstellt, überhaupt sich genügen
lassen, um den Begriff der Ode zu bestimmen und jene wesentlichen Bedingungen ganz aufgeben. Was nun die Absprünge in
der Compositionsweise betrifft, so haben wir allerdings diesen Zug schon in der Darstellung des lyrischen Charakters
überhaupt aufgenommen, um an ihm den Gegensatz der objectiven und der lyrischen Ordnung zu zeigen. Allein diese kann
ihre Eigenthümlichkeit, ihren schweifenden Charakter in einem ungleich bescheideneren Maaße des Abspringens genugsam
offenbaren; es ist Zeit, sich zu gestehen, daß die Pindarische Methode etwas höchst unabsichtlich Entstandenes mit einem
Uebermaaße der Absicht fixirt. Die gar zu weiten Sprünge sind eine Nachahmung jenes Irrens der Phantasie, das der
bacchischen Trunkenheit, dem Dithyramben, angehört, und halten mit Bewußtsein das recht eigentlich Unbewußte fest,
machen es zur Manier. Die Ode im strengeren Sinne des Worts, wonach eben die lyrische Unordnung ein wesentliches Merkmal
des Begriffs bildet, zeigt daher einen inneren Widerspruch, durch den sie genau an die Grenze des Hymnischen fällt und
eigentlich zur Lyrik der Betrachtung fortleitet, die wir aber aus höheren Eintheilungs-Gründen noch nicht unmittelbar
folgen lassen. Hegel sagt demnach (a.a.O. S. 458) richtig, sie enthalte zwei entgegengesetzte Seiten: die hinreißende
Macht des Inhalts und die subjective poetische Freiheit, welche im Kampfe mit dem Gegenstande, der sie bewältigen will,
hervorbricht; Gluth und unläugbarer Frost sind in ihr verbunden.
zurück
[1350] 3. Der erhabene Inhalt kann tiefer in das Gemüth
steigen, jener Ton des Schütterns und Dröhnens im Innersten, der dem Hymnischen eigen ist, kann wärmer, inniger erklingen,
ohne daß darum das Verhalten zu einem außer und über dem Subjecte schwebenden Gegenstande sich verändert. Das epische und
gnomische Element tritt zurück, der Styl entwickelt ungleich weniger in Erzählungsform, sondern häuft kürzere Bilder in
rascher Folge wie Brillanten auf das angestaunte Object. In der alt-orientalischen Welt waren es die Semiten, welche ein
tieferes subjectives Empfindungsleben führten, als die andern Völker (vgl. §. 433,3). Die Unruhe der lyrischen Bewegtheit
bildet den Charakter ihrer Poesie. Da nun aber die Grundstimmung auch hier die erhabene ist, so ergibt sich von selbst
eine bedeutende Entwicklung des Hymnischen im Lyrischen. Es tritt nirgends so stark und schön hervor, als in den Psalmen
der Hebräer. Hegel hat (a.a.O. S. 456) das Aufjauchzen und Aufschreien der Seele zu Gott aus ihren Tiefen, das
prachtvolle unruhige Bilderhäufen in kräftiger Kürze charakterisirt. Das Mittelalter beginnt mit seinen lateinischen
Hymnen wieder in objectiverem Style, der doch so viel gefühlter ist, als der antike (Stabat mater u. And.); die Hymnen
auf die Maria, auf die Dreieinigkeit in der mittelhochdeutschen Poesie dagegen sind episch nur im Sinn eines
unersättlichen Drangs, an dem unerschöpflichen Gegenstande der mystischen Verzückung jede mit irgend einer Pracht des
Bildes darstellbare Seite zu erschöpfen, der gefühltere Styl wird ganz zum heißen Tone der Inbrunst (man sehe z.B.
Gottfrieds von Straßburg Hymnen auf die Maria). – Die moderne Zeit hat hohe Wahrheiten, sittliche Gesetze,
Natur-Anschauungen zunächst ohne Personification zum natürlichen Gegenstand hymnischer Begeisterung. Obwohl hier
die Objectivität im Sinne gegenübergestellter Persönlichkeit wegfällt, bleibt sie doch, wie oben bemerkt, stehen im
Sinne stets vorschwebender Nähe einer Götter-artigen Anschauung, aber die Rationalität der Auffassung führt diese hohe
Lyrik unserer Zeit doch sachte, enger oder ferner an die Grenze der betrachtenden Poesie. So Göthes edle Hymnen:
Gesang Mahomet's, Gesang der Geister über den Wassern, das Göttliche, Grenzen der Menschheit, Meine Göttinn,
Hölderlins schon erwähntes: An den Aether, ferner: das Schicksal, an den Genius der Kühnheit. Ein Theil dieser
Gedichte nennt schon Götter oder setzt vernehmlicher an, die Idee, die den Haupt-Inhalt bildet, zu vergöttlichen,
vollzogen ist der Schritt in den herrlichen zwei Gebeten der Göthischen Iphigenie: "Du hast Wolken, gnädige Retterinn"
und "Es fürchte die Götter das Menschengeschlecht", in Hölderlin's hoch classisch und ewig wahr gefühltem "Schicksalslied
Hyperions". In Göthe's "Prometheus" dreht sich das Hymnische merkwürdig so, daß die Hoheit der Götter eigentlich in den
sie antrotzenden Helden herübertritt. Daß das Dithyrambische eine bleibende
Seelen[1351]stimmung ist, zeigt die neuere Poesie in "Wanderers Sturmlied" und "Harzreise im Winter" von Göthe. Hier
sieht man die Sprünge des Dithyramben, wie sie die Ode künstlich methodisirt hat, in wahrhafter Trunkenheit der Stimmung.
Der moderne Dichter wird hier in der rhythmischen Form sich fesselloser bewegen, als der antike, der im wilden Wechsel
doch die einzelne rhythmische Gruppe strenger maß. Die Ode nun ist vielfach und schön von den Deutschen nachgebildet,
freilich mehr so, daß in der Form die kürzern alcäischen und sapphischen Maaße gebraucht sind, die wir nur der Ode im
ungenauen Sinne des Worts zuerkennen, während dagegen der Inhalt meist hoch geht, wie es die Ode im engeren Sinne will.
Klopstock, Hölderlin, Platen haben hierin das Schönste geleistet. Wir haben solche Erzeugnisse zu beurtheilen wie moderne
Sculpturwerke, welche im classischen Idealstyle Götter nachbilden, oder richtiger, wie moderne Gemälde, die den
classischen Mythus mit seinen reinen Formen, aber einem Anhauch moderner Seele behandeln: sie werden den feiner
Gebildeten und ihrem Klanggefühle immer eine Quelle reinen Genusses sein, aber niemals sich wahrhaft einbürgern,
niemals der Nation geläufig werden.
zurück
Die wahre lyrische Mitte, worin der Inhalt rein im Subject aufgeht, so daß dieses ihn ausspricht, indem es frei und
einfach sich und seinen augenblicklichen Stimmungszustand ausspricht, begreift die große Masse des Liederartigen.
Alle
Grundzüge des Lyrischen (§. 884-886) gelten vorzüglich von dieser Form. Unmittelbarkeit, Schlichtheit, Leichtigkeit,
Sangbarkeit ist seine Natur. Demnach sagt ihm menschlich vertrauter, anmuthender Inhalt zu, doch keineswegs ist es darauf
beschränkt, es kann die höchsten Gegenstände behandeln, die tiefsten Kämpfe des Herzens, die tragischen Leiden des
Einzelnen und des Gesammtlebens so gut, als jede Freude und inniges Naturgefühl, wenn sie nur ganz in subjective
Empfindung eingegangen sind. Aber auch das Komische gehört in vollerer Ausdehnung nur diesem lyrischen Gebiete. Vom
Individuellen neigt das Lied nothwendig zum Geselligen.
Hier namentlich ist die Schwierigkeit fühlbar, daß es keine bestimmten Formen gibt, von denen man sagen kann: dieß
sind Lieder. Es ist der Ton, aus dem die Gattung erkannt werden muß, und hiezu gibt den nächsten und einfachsten
Anhalt die Vergleichung mit dem Hymnischen. Will man den Unterschied von diesem recht deutlich wahrnehmen, so halte
man Schiller's Hymne an die Freude und Göthe's Tischlied: "Mich ergreift, ich weiß nicht wie" zusammen; jener singt
die Freude an, bewegt sich um sie und zählt ihre Wirkungen auf (ob gut oder nicht gut, geht uns hier nicht
[1352] an),
aus diesem singt, ganz Stimmung, ganz Gegenwart und Augenblick, die Freude heraus. Es bedarf keines Beweises mehr, daß in
diesem Gebiete die lyrische Poesie allein ganz sie selbst ist und daß auf ihm der Dichter seinen Beruf zu ihr bewähren
muß. Schiller hat kein einziges reines Lied und im Lyrischen kann wirklich nicht die Frage sein, wer spezifisch mehr
Dichter sei, er oder Göthe. Was jene Grundmerkmale des Liedes heißen wollen, daß es frischweg, leicht, im Entstehen
schon wie gesungen, einfach, naiv hervorfließe, kann man an Göthe's Liedern wie an einer reinen Norm ersehen. Vom Liede
wird denn namentlich auch gelten, was in §. 886 über die Situationsfarbe des Lyrischen gesagt wurde: man muß durchsehen,
wie in einer bestimmten Lage dieser Stimmungszustand entstanden ist, in bestimmtem Augenblicke die Welt so und nicht
anders im Dichtergemüthe gezündet hat, das innig und ewig Wahre muß doch ganz den Charakter der Zufälligkeit tragen und
das ganz Freie den Charakter des nicht anders Könnens, denn der Dichter ist hier erzeugender Geist und reines Naturkind,
Stimmungskind, ganz in Einem. – Sehen wir nun nach dem Stoff- Unterschiede, so verhält sich hier das Lied nicht
ausschließend wie das Hymnische. Es wird natürlich mit dem breiteren Theile seiner Basis sich auf dem Boden des
heiteren Lebensgenusses festsetzen, Liebe, Wein, Tanz, gesellige Lust, Naturgenuß wird sein liebstes Thema sein,
denn das menschlich Vertraute, Kampflose schlüpft natürlich leichter ganz in das Herz, wird ganz Stimmung, als das
Hohe, Monumentale; der holde Leichtsinn in Göthe's Vanitas Vanitatum Vanitas stellt eigentlich diese reine, freie,
widerstandslose Bewegung in normaler Reinheit dar. Allein auch das Erhabene entzieht sich dem Liede nicht, denn es
kann volle Immanenz im Gemüthe des Subjectes werden. Dieß gilt denn zuerst von dem absolut Erhabenen: es tritt als
Andacht in die Seele und wird zum Liede. Andacht ist nun freilich auch die Stimmung der Hymne, allein wir müssen hier
das Wort in dem engeren Sinne nehmen, der diejenige Religion voraussetzt, welche die Idee der Immanenz im Begriffe der
göttlichen Liebe besitzt und die Bewegung der Andacht zu Gott zu einer Bewegung der Liebe im reinen und hohen Sinne des
Wortes erhebt; die Diremtion zwischen dem absoluten Gegenstand als einem außerweltlich persönlichen und dem Subjecte
bleibt der Vorstellung nach stehen, wird aber der That nach durch die Innigkeit der Andacht wie durch einen milden Strom
wieder ausgeglichen; in diesem harmonischen Flusse ist jene Erschütterung des Hymnischen und Dithyrambischen, wobei
immer eine herbere Entgegensetzung zu Grunde liegt, verschwunden und kann so der schlichte Erguß des innigen Liedertons
eintreten. Das Lied schließt denn natürlich auch menschlich erhabenen Inhalt nicht aus, es feiert Kämpfe des Staats,
Freiheit, Vaterland, große Helden und Thaten, wenn nur immer der Stoff ganz Fleisch und Blut des subjectiven
[1353] Gefühls geworden ist. Noch weniger natürlich sind dem Liede die tiefen inneren Brüche des individuellen Lebens
fremd, die Tragödie des Herzens in der ganzen Tonleiter vom wildesten Sturme der Leidenschaft bis zum hinschmelzenden
Seufzer der Wehmuth. Jene dunkeln Abgründe der Seele in den Liedern Mignon's und des Harfners sind doch in die reine
Farbe des Liedes getaucht. Der Kampf im Innern ist ein Dornenweg durch die schwersten Brechungen, Vermittlungen, allein
auf seinen Stadien schwillt die dunkle Summe derselben zur einfachen Unmittelbarkeit und elementarischen Gewalt des
Gefühles an, wie es im Liede durchbricht. Noch ist hervorzuheben, daß von den Stoffgebieten nun auch das landschaftliche
bestimmter wieder auftritt. Es ist dieß die einfache Umkehrung des Satzes, daß das Landschaftgemälde wesentlich lyrisch
ist (vergl. §. 698,1), und nach dem dort Ausgeführten bedarf es keines weiteren Beweises, daß das Gefühl auch ohne
Vermittlung der bildenden Phantasie an die Betrachtung der Natur anschießt, wie sie uns das Gegenbild unserer Stimmungen
darbietet. Ja dasselbe kann darauf werden wir zurückkommen ganz, ohne von sich zu reden, in einem Landschaftbild
aufgehen. Mit der Ausdehnung über alle Stoffsphären ist nun aber auch die andere über die großen Grundgegensätze des
Schönen so gegeben, daß neben dem Anmuthigen und Erhabenen die Welt des Komischen in freier Fülle sich öffnet. Ist ja
doch das Komische die im engsten Sinn subjective unter den Formen des ästhetischen Widerstreits, ganz Wohlsein des
Subjects, also ganz Stimmung. Es fragt sich nur, ob das Lyrische nicht überhaupt zu wenig Objectivität habe, um dem
Lachen erst den Anhalt des komischen Vorgangs zu geben; allein es besitzt ja das Wort und ist daher in diesem Gebiete
natürlich nicht so beschränkt wie die Musik. Der Vorgang muß nicht ein Ereigniß in der Außenwelt sein, er kann auf
innern Widersprüchen beruhen, die der Witz aufdeckt, und dieser, wenn nur getragen vom warmen Flusse der Stimmung,
hebt keineswegs den Charakter des Liedes auf. Wir werden aber bald sehen, daß das Lied sogar im Sinne der Erzählung
objectiv verfahren, also auch einen äußern Vorgang komischer Art darstellen kann; vorläufig weisen wir nur auf Göthe's
ächt komische Schlagwirkung in "Schneider-Courage". – Das Gefühl ist sympathetisch; am meisten das schlichte und naive;
ertönt der Hymnus in vollster Kraft als chorischer Gesang, so muß noch gewisser das Lied zur vollen Strömung vereinigter
Empfindungsflüsse, zum Ausdrucke des Gemeingefühls neigen. Diese Seite tritt hier mit solcher Stärke hervor, daß sie sogar
eine Unter-Eintheilung in individuelle und gesellige Lieder nahe legt, und die letzteren sprechen entweder die momentane
Gesammtstimmung Solcher aus, die zu Andacht, Trauer, Genuß, oder die eingewurzelte Solcher, die bleibend in einem Stande
vereinigt sind, beides natürlich in Anknüpfung an eine bestimmte Situation.
[1354] Welche Stände am meisten im Liede vertreten sein werden, ergibt sich aus §. 327, 3 und §. 330. Das Lied gewinnt
durch diese anschmiegende, umfassende, vorzüglich sympathetische Natur unabsehliche Bedeutung für das Leben, schließlich
für die Geschichte einer Nation; es spricht Grundgefühle aus, die in jeder Brust leben, verstärkt sie rückwirkend, führt
in Schlachten, tröstet in Niederlagen, weckt vom politischen Schlummer auf, knüpft sich an Alles, begleitet jede
Thätigkeit, jeden Genuß.
1.
Es folgt aus der Stellung des Liedes in der reinen Mitte des Lyrischen,
daß sein Styl vorzugsweise der in §. 887
angegebene ist. Doch kehrt innerhalb dieses Charakters der Unterschied eines verhältnismäßig mehr objectiven
darstellenden, offenen und hellen und eines mehr innerlichen, abgebrochenen, dunkeln und verschleierten Styls zurück.
Jener gehört der classischen, beziehungsweise der romanischen, dieser der germanischen Poesie an.
2.
Derselbe Styl-Unterschied
macht sich aber noch in anderer, bleibender Weise geltend, nämlich in dem Verhältnisse zwischen der
Volkspoesie, deren eigentliche Lebensform das Lied ist, und der Kunstpoesie.
1. Es ist schon im vorh. §. gesagt, daß die Grundmerkmale des Lyrischen keiner andern Form in so vollem Sinn eignen können, als dem Liede; die Anwendung dieses Satzes auf den Styl wurde ihrer Wichtigkeit wegen hieher verschoben. Es ist aber der Lieder-Styl eben als ächt lyrischer mit diesem schon geschildert und setzt sich jetzt nur dadurch näher in's Licht, daß die Unterschiede beleuchtet werden, die innerhalb dieses Charakters wieder eintreten. Dem Liederartigen entspricht bei den Griechen das, was im engeren Sinne Melos hieß: d.h. der Form nach, was, in gleichen kurzen Verszeilen oder leichteren, kürzeren Strophen gedichtet, von einem Einzelnen mit der Begleitung der Lyra vorgetragen wurde, dem Inhalte nach, was wohl auch politisch, kriegerisch und überhaupt ernst sein konnte, vorzüglich aber der individuellen Erregung durch Wein, Liebe oder irgend einer andern Leidenschaft galt, und dem Tone nach, was ganz und wesentlich Stimmung war. Diese Form ist von der Aeolischen Lyrik ausgebildet; zu Alcäus und Sappho ist, obwohl Jonier, Anakreon zu stellen. Die Innigkeit, die den Styl des Liedes bedingt, kann bei den Griechen freilich nicht in jene Tiefe gehen, wie bei den neueren Völkern, denen die innere Unendlichkeit sich erschlossen hat; das Innerlichste erscheint wie eine nach innen geworfene Sinnlichkeit, das Seelenvollste glüht und wallt in einem heißen Elemente der Leidenschaftlichkeit, die sich ganz und unreflectirt in den Moment versenkt. Bei Anakreon allerdings wird die tiefe Bebung der Leidenschaft zum leich[1355]teren, lebensfrohen Spiele, zum freieren Schweben. Dieser ächt lyrische Ton des classischen Styls ist nun aber schon darum mehr mit episch objectiven Elementen getränkt, weil jede Lebensmacht in Göttern angeschaut wird, im Gott aber die innere Erregung immer wieder als herausgenommen aus dem Innern des Menschen, als gegenständliche Erscheinung sich hinstellt. Freilich fallen die ausdrücklich epischen Theile der hymnischen Poesie, die entwickelten Schilderungen weg, aber das Gefühl selbst entfaltet sich an dem Bande der klaren Göttervorstellung in bestimmtem, hellem Bilde, deutet nicht, zurücksinkend von dem Versuche, sich auszusprechen, dunkel träumend auf noch unausgesprochene, unerschöpfliche Tiefen, es verläuft plan, bis es in seiner Darstellung gesättigt ist. Ebendarum ist das Gedanken-Element auch hier durchaus stärker, als in dem neueren Liede, es spricht sich über Zeitläufe, Göttermacht, Lebensgrundsätze direct in Sätzen aus, die wie feste Pfeiler im lyrischen Wellenspiele stehen. Der sympathetische Trieb des Liedes sprach sich unter And. in der besondern Form der Lieder beim geselligen Mahle, den Skolien, aus. Der lyrischen Poesie der romanischen Völker werden wir ihren bedeutendsten Platz an einer andern Stelle anweisen; doch fehlt ihnen nicht das rein gefühlte, frischweg gesungene Lied, obwohl es in der Kunstpoesie, wenigstens Spaniens und Italiens, durch Ausbildung jener verschlungenen Formen, die einen andern Ton, als den des Liedes, mit sich bringen, frühe fast ganz verschwindet. Was man nun hier ächt liederartig nennen kann, hat allerdings auch das schöne Helldunkel, das träumerisch Andeutende, was die Empfindungssprache der neueren Völker von jener der alten unterscheidet; wir erinnern statt unzähliger anderer Züge nur an das italienische Lied, das Göthe im "Nachtgesange" nachgebildet hat, und seinen so ächt lyrisch ins dunkel Gefühlte verschwebenden Refrain: dormi, che vuoi di piu? Doch verbirgt sich auch in diesem Gebiete die Verwandtschaft der romanischen Völker mit der classischen Anschauung nicht; es ist im Ganzen und Großen Alles mehr heraus am hellen Sonnenlichte, schon die Sprache bringt den offenern Klang, das vom Innern gelöstere Bild, und der Vers neigt doch überall schon zu den Verschlingungen, die ein Wohlgefallen an der Form für sich ausdrücken. Die Franzosen bewegen sich auch in der Kunstpoesie anmuthig im leichten Liede, im chanson, aber die Leichtigkeit hat hier auch die Bedeutung des spielenden Leichtsinnes, der nichts tief nimmt. Der liebenswürdige Béranger, lebensheiter wie Anakreon und doch warm für jedes Große, vor Allem für die Freiheit, aber bei alledem ohne eine gewisse letzte Resonanz, die nur das Gemüth der germanischen Völker kennt, ist das reinste Bild der französischen Gefühlsweise. Die ganze Gewalt der dunkel verzitternden Tiefe gehört dem deutschen und englischen Liede und zwar dem Kunstliede wie dem Volksliede. Solche hingehauchte Strophen, solches tiefe Ahnen wie in Göthe's "Wonne der [1356] Thränen", in den beiden: "Wanderers Nachtlied" und "ein Gleiches (Ueber allen Gipfeln ist Ruh' u.s.w.)", wie in jenen Liedern, die wir als Grundtypen lyrischen Charakters in §. 885 und 886 näher betrachtet haben, solches dämmernde Beschleichen wie in Jägers Abendlied oder "An den Mond" haben ähnlich nur die Engländer und Schotten aufzuweisen in dem eigenthümlich beflorten, wie in Nebeln verzitternden Tone, der aus ihrem Volkslied in die neuere Kunstpoesie Byrons's, Moore's, Shelley's, Burn's, Campbell's und der Dichter der sog. Seeschule übergegangen ist. Man kann namentlich hier die ergreifende Wirkung des Refrains erkennen, denn er ist der brittischen und schottischen Poesie besonders eigen. Wir haben uns hier nicht ausdrücklich über das Mittelalter ausgesprochen: nicht als hätten wir vergessen, daß seine Phantasie vorherrschend die empfindende war; aber die ganze Bildungsform war doch noch so weit episch, daß dieser Zweig überwog und das Lyrische, freilich zum Schaden des Gattungscharakters, sich in ihn warf. Zugleich war es allerdings die wirkliche Lyrik, worin die Knospe des neu aufgegangenen Gemüthslebens sich erschloß; die Minnepoesie, aus dem älteren Volkslied hervorgegangen, ist eine Erscheinung voll Lieblichkeit, allein sie wird bald monoton durch die Wiederkehr desselben Inhalts, conventionell in dem methodisirten Cultus der Frauen und des Frühlings und die kunstreiche Form leitet, wie schon früher bemerkt wurde, alsgemach die Innigkeit der Stimmung nach der Seite des Gefäßes ab. Hier erkennt man, daß das Bewußtsein des Mittelalters zu weltlos arm, noch zu wenig von vielseitigen Beziehungen des Lebens geschüttelt war, und ein Walter von der Vogelweide steht an Reichthum der Persönlichkeit und ihrer Interessen für die reale Welt fast einzig da; das Volk, trotzdem, daß sein inneres Leben noch einfacher sein mußte, als das des ritterlichen Standes, war doch in unbefangnerem Verkehr mit der Wirklichkeit, als dieser, den der Geist der Kaste abschloß, und was seinem Seelenleben an Reichthum der Saiten fehlte, ersetzte die Frische und Fülle der Reize, die von jener ausgiengen. Wie daher die Minnepoesie aus der Volkspoesie herkommt, so muß sie, nachdem sie sich in Künstlichkeit ausgelebt, der letzteren wieder weichen, denn der Geist des Volkes ist inzwischen, gegen das Ende des Mittelalters, ungleich erfahrungsreicher und aufgeweckter geworden und am Ende des fünfzehnten, Anfang des sechszehnten Jahrhunderts tritt die herrliche Blüthe des Volkslieds ein, auf dessen bestimmtere Auffassung wir längst hingeleitet sind. zurück
2. Der Unterschied der Volks- und Kunstpoesie ist schon in §. 519 aufgestellt. Hier, im lyrischen Gebiete, hat er seine eigentliche Stelle; denn das Epische im ursprünglichen Volksgesange verewigt sich, wie wir schon ausgeführt, nur, indem es aus dem Schooße des Lyrischen heraus und in die Hände einer höheren, auf der Schwelle der Kunstpoesie stehenden Bildung übertritt, und es bleibt dem Volke das, was einst ein Theil des Ganzen [1357] war, das Lyrische, zur stillen Pflege, die, in ihrem Thun wesentlich um keine Belauschung wissend, endlich doch belauscht wird und ihr schönes, heimliches Werk in den Garten der Oeffentlichkeit hinübergetragen sieht. Was heißt Volk, wenn man vom Volksliede spricht? Es ist ursprünglich, ehe diejenige Bildung eintrat, welche die Stände nicht nur nach Besitz, Macht, Recht, Geschäft, Würde, sondern nach der ganzen Form des Bewußtseins trennt, die gesammte Nation. Da ist kein Unterschied des poetischen Urtheils; dasselbe Lied entzückt Bauern, Handwerker, Adel, Geistliche, Fürsten. Nachdem nun diese Trennung eingetreten ist, heißt der Theil der Nation, der von den geistigen Mitteln ausgeschlossen ist, durch welche die Bildung als die bewußtere und vermitteltere Erfassung seiner selbst und der Welt erarbeitet wird, das Volk. Allein dieser Theil ist das, was einst Alle waren, die Substanz und der mütterliche Boden, worüber die gebildeten Stände hinausgewachsen sind, aus dem sie aber kommen. Von denjenigen, die in unbestimmter Mitte stehen, nicht mehr naiv und doch nicht gründlich gebildet oder durch Noth abgestumpft und verwildert sind oder das Raffinirte der Bildung ohne ihr Gegengift sich angeeignet haben, ist nicht die Rede, sondern von der Masse, die in der alten, einfachen Sitte wurzelt, die ihre Bildung auch hat, aber eine solche, welche der die Kluft bedingenden Bildung gegenüber Natur ist. Diese ganze Schichte lebt ein vergleichungsweise unbewußtes Leben und weil die lyrische Poesie wesentlich ein Erzeugniß nicht des hellwachen, sondern des als Seele in Natur versenkten, ahnenden Geistes ist, so liegt gerade hier ein besonderer Beruf zu dieser Dichtart, dessen reichere Erfüllung nur wartet, bis die dämmernde Volksseele vom schärferen Geiste der Erfahrung angeweht wird, ohne doch ganz zum Tageslichte der Reflexion aufgerüttelt zu werden. In diesem Boden erwächst nun jene Kunst ohne Kunst, deren Grundzug die Schönheit der Unschuld ist, die "nicht sich selbst und ihren heil'gen Werth erkennt". Sie ist nur möglich in unmittelbarer Verbindung mit der Musik, das Volkslied wird singend improvisirt, pflanzt sich nur mit seiner Melodie fort, denn hier wird nicht geschrieben und gedruckt. Der Dichter tritt nicht hervor, wird nicht genannt, Niemand fragt nach ihm, er hat im Namen Aller gesungen, das Subject isolirt sich ja auf der ganzen Bildungsstufe nicht, es gibt nur Ein Gesammtsubject, dieß ist das Volk, und das Volk ist eigentlich der Dichter, es gibt keinerlei literarisches Interesse, Interessantsein und Interessantseinwollen, kein kritisches Urtheil; was schön ist, erfreut, weil man es an der Rührung fühlt. Dieß ist das Waldesdunkel, wodurch in §. 519 die wahre Geburtsstätte des Volkslieds bezeichnet ist. Lieder aus der Sphäre der bewußten Bildung, welche populär werden und, weil sie dem Volkstone gut nachgefühlt sind, selbst in Volksmund übergehen, sind darum nimmermehr Volkslieder zu nennen. Daher nun die in dem genannten §. aufgestellten Züge [1358] des Volkslieds, seine Mängel und seine Schönheiten, zu denen in §. 886 noch der weitere der überall lebendig fühlbaren Situation, der Lebenswahrheit gefügt worden ist. Man kann die Mängel in dem Bilde zusammenfassen, daß das Volkslied durchaus einen Erd- und Wurzel-Geruch mit sich führt, daß man die Blume nie ohne diesen Beigeschmack bekommt, dafür hat sie selbst um so frischeren Duft. Die Kunstdichtung, die nicht periodisch aus dem frischen Boden dieser Waldblume sich verjüngt, bildet nur seidene Blumen. Sie wird vor Allem sich zu sehr dem entwickelnden, hell beleuchtenden Styl hingeben, ausmalen, beweisen, rationell aufzeigen; dort lernt sie den ächten, helldunkeln, springenden Styl, wie er freilich bis zum unkünstlerisch Verworrenen, Unverstandenen, Zusammenhangslosen fortgeht, an spezifischen Taktlosigkeiten leidet, der Volkstracht ähnlich, die in so vielen Gegenden nicht weiß, wo die Taille hingehört, die aber auch nie gemacht, immer wahre Natur ist. Das Volkslied ist Gemeingut aller culturfähigen Völker; außer den schon genannten ist namentlich die slavische Nation reich, die weichen und wehmüthigen Klänge ihrer verschiedenen Stämme haben aber nicht das Mark der germanischen. Die Verjüngung der Kunstpoesie durch die Volkspoesie geschieht namentlich auch durch Wechselwirkung der Literaturen, durch die Erkenntniß, daß die Dichtkunst "eine Welt- und Völkergabe" ist. Kein Moment der Einwirkung des Volkslieds auf die Kunstdichtung war so bedeutend, als der, da Percy's Sammlung in England, stärker und früher noch entscheidend in Deutschland zündete, die Göttingerschule zu den ersten frischeren Lauten geweckt wurde, Bürger die erste wahre Ballade dichtete, Herder die Stimmen der Völker sammelte und Göthe's Genius sich zu diesem frischen Borne beugte, um zu trinken. zurück
1.
Es widerspricht dieser Natur des Liedes nicht, daß es bestimmte objective Formen
hervorbringt, vielmehr sie zeigt sich
gerade dadurch, daß sie das Gegentheil des Subjectiven setzt und doch ganz in ihren Stimmungston taucht.
2.
Die eine Art
der Objectivität besteht darin, daß der Dichter einen Gemüthszustand nicht als den seinigen, sondern den einer andern
Person ausspricht, oder daß er in eigener Person vortragend ein Sittenbild oder ein Naturbild gibt;
3.
die andere ist episch
in dem bestimmten Sinne des Worts, daß eine ergreifende Handlung als vergangen erzählt wird, wobei der Gegensatz der Style
an die schwankende Unterscheidung von Ballade und Romanze sich unbestimmt anlehnt und das Lyrische
als Dialog durchbrechend
auch dem Dramatischen sich nähert.
4.
Die meisten dieser Formen,
namentlich die letzte, gehören sowohl der Volkspoesie, als der Kunstpoesie an.
[1359] 1. Es kann auffallen, daß wir diese Gruppen von objectiven Formen zum Liede rechnen, das im
engsten Sinne subjectiv ist. Man unterscheide aber die Objectivität, von der es hier sich handelt, wohl von derjenigen,
welche dem Hymnischen zu Grunde liegt: in diesem Gebiete blieb das Subject außerhalb des Gegenstands und wandte sich nur,
obwohl tief bewegt, an ihn, im gegenwärtigen setzt das Subject den Gegenstand als einen solchen, der erst durch sein
Inneres gegangen ist; nicht als handle es sich um einen Act reiner Fiction, vielmehr der Dichter hat sich ganz und ohne
eigenes Bewußtsein über jene tiefste Bedeutung des Lyrischen, wonach sich in ihm die Subjectivität als Centrum der Welt
erweist, an das Object hingegeben, von ihm durchziehen lassen, ebendadurch aber, indem er ganz passiv scheint, es mit
seinem Innern ganz durchdrungen, ganz in Stimmung umgewandelt, und indem er es wiedergibt, kommt es nun zu Tage ganz
getaucht in lauter Bebung des Gefühls. Man sieht den Prozeß nicht mehr, der Erfolg tritt ganz als unmittelbare Thatsache
auf. So erscheint der ächt lyrische Charakter des Liedes gerade da in seiner vollen Kraft, wo er sich an seinem
Gegentheile geltend macht, indem er im Objectiven und Vermittelten eben recht subjectiv und unmittelbar ist.
zurück
2. Die Objectivtät tritt in zweierlei Form auf, immer als Gegenstand, welcher der Anschauung geboten wird, aber in der einen Gruppe gegenwärtig, wiewohl dabei eine Succession von Momenten sich abwickeln kann, in der andern vergangen. Die erstere, die wir zunächst in's Auge fassen, scheint viel unzweifelhafter lyrisch, denn die Vergangenheit begründet ein stärkeres Zurücktreten des Subjectes vom Object. Dieß gilt jedenfalls von der ersten Form dieser Gruppe: es ist die einfache Form der Verkleidung, wo der Dichter aus der Maske einer zweiten Person oder, wie in so vielen geselligen und Standes-Liedern, aus einer Vielheit von solchen spricht; er hat sich völlig in den Zustand der andern Persönlichkeit hineinempfunden, so stellt er doch ganz seinen eigenen Stimmungszustand dar und liegt daher das Lied, das auf diesem Acte beruht dem objectlos reinen Lied am nächsten. Man braucht gar kein besonderes Gewicht darauf zu legen, daß die Stimmung oft in dem engeren Sinn die eigene des Dichters ist, wie im Mignon-Liede: "Kennst Du das Land", wo Göthe mit der fremden seine eigene Sehnsucht nach Italien ausspricht, oder in so unzähligen Liedern, wo der Dichter Empfindungen so allgemeiner Art, daß er sie sicher auch persönlich erlebt, wie unglückliche Liebe, Weinlust, in einer bestimmten Maske, als Hirt, Jäger, Musikant u.s.w. und mit einer bestimmten Situation ausspricht: er kann sich in spezifischere Lebensformen, Zustände, Situationen versetzen, welche nie seine eigenen sein konnten, und sie doch so tiefgefühlt wie eigene und selbsterlebte wiedergeben. Wir erinnern statt vieler Beispiele nur an jenes Gebet Gretchen's im Faust, an die Lieder des [1360] Harfners im W. Meister, an Heine's "Hirtenknaben". Rein menschlicher Gehalt ist natürlich auch im Spezifischen vorausgesetzt. Vielleicht die ganze Hälfte des lyrischen Parnasses gehört dieser einfachen Uebertragungsform an. Auch in die Natur kann der Dichter sein Inneres legen und aus ihr sprechen lassen, wie Göthe in: "der Junggesell und der Mühlbach" oder wie Anakreon durch seine Taube sagen läßt, wie es sich bei ihm lebt. Die zwei andern Formen dieser Gruppe sind viel weniger unmittelbar: der Dichter gibt ein kurzes Sittenbild, kleines Landschaftgemälde; er tritt nicht im eigenen, auch nicht im Namen eines Andern auf, er zeigt ein Object, aber ein gegenwärtiges, auf und läßt dasselbe so ohne alles weitere Zuthun für sich sprechen. Es scheint nichts einfacher, als ganz auf den eigenen Vortrag des Gefühls zu verzichten, es ganz in den Gegenstand zu versenken, aber dieß Verzichten geschieht mit mehr Bewußtheit, als es scheint, und zugleich hängt die Richtung mit denselben Ursachen zusammen, aus welchen in der neueren Zeit das Sittenbild und die Landschaft in der Malerei eine so bedeutende Rolle spielt: dem Interesse für die Aufdeckung immer neuer Länder, Zonen, den ethnographischen, naturwissenschaftlichen Neigungen, und allerdings zugleich der Sehnsucht nach Frischem, von der Sündfluth der Reisenden nicht Abgelecktem, also in Culturmüde, in idyllischem Bedürfnisse. So sind denn diese Formen sehr modern. Bei Heine hatten sie entschieden noch subjectiveren Ton, wie sein unheimliches Bild des Jägerhauses "Die Nacht ist feucht und stürmisch" (Heimkehr N. V), des Pfarrhauses (N. XXVIII) "Der bleiche, herbstliche Halbmond", das Völkerbild: "Wir saßen im Fischerhause" (N. VII), das rührende kleine Gemälde: "Das ist ein schlechtes Wetter" (N. XXIX), die liebliche Berg-Idylle aus dem Harze, diese nur leider mit dem blasirten cremor tartari stark vermischt; ebenso die vielen tief bewegten Landschaftbilder; die berühmten Strophen von der Fichte und Palme gehören nicht der vorliegenden, sondern jener ersten Form an, weil sie, obwohl in schlagend einfacher Objectivität, doch durch eine poetische Fiction einem Naturgegenstande ganz menschliches Empfinden leihen. Lenau's Bilder magyarischer Zustände und Haiden entwickeln bereits mehr das Object an sich und Freiligrath wird ganz zum glühenden, aber auch seinen Pinsel sehr bewußt führenden Maler menschlichen, thierischen, landschaftlichen Lebens aus der Wildniß, wohin der Fuß der Cultur nicht getreten. Das sanfte und schöne Gemüth C. Mayer's liebt es besonders, mit völliger Verzichtung auf ein Wort im eigenen Namen kleine Bilder friedlich heimlicher Landschaft aneinanderzureihen. Recht und Fug solcher lyrischen Objectivität kann nach dem Obigen nicht bestritten werden, nur wechsle sie öfter mit directem Aussprechen der Stimmung, denn schließlich ist sie doch ein Zurückhalten, das im Fortgang ermüdet, weil man der Natur der Gattung nach darauf wartet, die Menschenstimme selbst zu vernehmen. zurück
[1361] 3. Die Ballade und Romanze sind Abkömmlinge der alten Heldenlieder, die zuerst
einzeln gesungen, dann zum Epos fortgebildet und zusammengefügt wurden: sie leiten also zu jener mehrfach erwähnten
elementarischen Form zurück, wo das Lyrische und Epische noch im Keime vereinigt lagen. Allein nachdem das Letztere
sich zu einer eigenen Gattung ausgesondert hat, ist der Theil des gemeinschaftlichen Keimes, der diesem Zuge nicht
folgte, ein anderer geworden: er hat, obwohl dem Stoffe nach episch, lyrischen Charakter angenommen. Episch ist vor
Allem das Moment der Vergangenheit, wodurch diese Form von der vorhergehenden Gruppe sich unterscheidet; aber
es bewirkt
jetzt nicht mehr die frei über dem Gegenstand schwebende, ausführlich zeichnende Haltung des Dichters, sondern dieser legt
sich mit seiner Empfindung ganz in den Gegenstand, als ob derselbe, zwar als ein vergangener erzählt, zeitlich wie
räumlich gegenwärtig wäre; die Zeichnung wird dem Tone untergeordnet, der ganze Hauch und Wurf wird subjectiv, bewegt,
der Gang übersteigt rasch die retardirenden Elemente und eilt zum Schlusse, der Rhythmus baut sich musikalisch in
lyrischen Strophen, das epische Lied entsteht mit der Melodie oder nach einer vorhandenen Melodie, lebt im Volksgesange
oder muß doch, wenn es ächter Kunstpoesie angehört, den Charakter des Sangbaren tragen. Dem alten Heldenliede sieht man
ferner die Neigung an, sich als Glied in ein größeres Ganzes zu fügen, es setzt die Kenntniß einer umfassenden Sage
voraus; Ballade und Romanze dagegen stellt einen Stoff für sich, ähnlich wie die Novelle im Unterschied von dem Roman
eine Situation, abschlossen hin, behandelt daher auch nicht leicht mehr Theile der Heldensage, sondern vereinzelte
Ereignisse und Handlungen, Mordgeschichten, Schicksale der Liebe, Kriegsauftritte u.s.w., die aber allerdings den
ächten Inhalt vorzüglich dann liefern, wenn sie vorher von der Sage poetisch zubereitet sind, wohl auch Elemente des
Mährchenhaften, Geisterhaften aufgenommen haben, worin tiefer und rein menschlicher Sinn eingehüllt ist. Die nähere
Geschichte ist noch zu stoffartig und prosaisch versetzt und führt mehr zur poetischen Erzählung. Alle diese Merkmale
weisen der epischen Lyrik im Unterschiede vom Epos den ahnungsvoll charakteristischen, nicht entwickelnden Styl zu;
dennoch ist es natürlich, daß auch innerhalb dieses Bodens der Gegensatz eines relativ helleren, subjectiv klaren, mehr
gegenständlich ausführenden und in diesem Sinne plastisch idealen Styls gegen einen im engeren Sinne malerisch helldunkeln
sich von Neuem erzeugt. Die classische Dichtung bietet nichts für diese Stelle, im Alterthum blieb nach der Ausscheidung
des Epos keine epische Form von lyrischem Charakter zurück. Dagegen tritt der Unterschied der Stylprinzipien in der
neueren Poesie zunächst als ein nationaler auf und lehnt sich so an die Namen Romanze und Ballade. Ballade ist zwar
ein italienisches Wort und bezeichnet ein
[1362] Tanzlied, das ursprünglich die bestimmte rhythmische Form von drei
verschlungenen Strophen mit Refrain hatte, allein wie es in England stehend wurde als Name für das epische Lied, wie
es dort und in Schottland sich ausbildete, so verband sich damit der Sinn eines bestimmten Charakters der Behandlung,
in dem wir ein reines Bild jener zweiten Stylrichtung haben, und die rhythmische Form bewegte sich frei in heimischen
Maaßen. Es ist die nordische Stimmung mit ihrem bewegteren, ahnungsvolleren, mehr andeutenden, als zeichnenden Ton,
ihrem stoßweisen, Mittelglieder überspringenden Gange, es ist, was Göthe die mysteriöse Behandlung nennt, welche der
Ballade zukomme. Der Name Romanze hat sich in Spanien für das epische Lied festgesetzt und das äußere, rhythmische
Merkmal ist der Trochäus, gewöhnlich in Tetrametern, welche fortlaufend assoniren. Es ist aber nur natürlich, daß
wir mit dem Namen auch den Begriff einer bestimmten Behandlung verbinden und zwar derjenigen, wie sie dem romanischen
Völkergeist entspricht und eben in den spanischen Romanzen vorzüglich sich zeigt: nämlich jener helleren,
durchsichtigeren, ruhigeren, mehr episch entwickelnden, mehr plastischen. Besteht nun dieser Gegensatz zunächst
als ein nationaler, so hindert nichts, denselben, wie er innerhalb der Literatur einer Nation, namentlich der
deutschen, jederzeit wieder auftreten und bestehen wird, mit jenen Namen zu bezeichnen, nur geschehe es mit dem
Vorbehalte, daß man damit nicht ängstlich ausmessen und abstract Alles eintheilen will; sonst thäte man besser,
mit W. Wackernagel, der (Schweiz. Archiv f. histor. Wiss. B. 2, S. 250) die Unterscheidung rein auf das Metrische
zu beschränken. Der Ballade kommt vermöge des oben bezeichneten Charakters ihrer Bewegungsweise genauer das Merkmal
des dramatischen Ganges zu und dieß widerspricht keineswegs dem rein Lyrischen, Beschleierten, Beflorten ihres Tons,
das sich wie Moll zu dem Dur der Romanze verhält. Das Drama beschleunigt, wie wir sehen werden, seinen Gang, wirft
die Hemmungen rascher nieder, als das Epos, motivirt tiefer aus dem Innern, weniger umständlich und nur bedingt aus
dem Aeußern; dieß thut es, weil es die Welt als eine von innen heraus bestimmte darstellt; die lyrische Poesie aber
ist, wie sie nach der einen Seite vom Epos herkommt, nach der andern eben hierin der Durchgang, aus dem das Drama
hervorgeht; hier wird die Welt in's Innere gezogen, zur Bewegung von innen heraus bearbeitet, zubereitet, durch
Lichter aus dem Innern beleuchtet. Wirft sich nun das Lyrische episch auf Erzählungsstoff, so wird es also gerade je
intensiver lyrisch, desto mehr diesen Stoff in einer Weise innerlich durchwärmen, daß seine wallende Bewegung auf
die Nähe des Dramatischen hinweist. Es ist keineswegs ein blos äußerlicher Zug, daß dieser Styl ungleich mehr, als
der Romanzenstyl, die dialogische Form liebt. Hier werden die Sprechenden nicht weiter genannt, der Dichter hat sich,
wie
[1363] der dramatische, in sie verwandelt; Momente der Handlung sind zwischen den Reden verschwiegen, es ist
vorausgesetzt, daß man sie sich vorstelle, die Anschauung derselben aus dem Gesprochenen sich erzeuge, wie im Drama,
sofern die Schauspielkunst es nicht ergänzt. In der bekannten schottischen Ballade Eduard ist z.B. nicht erzählt,
daß der Mörder mit blutigem Schwerte vor seine Mutter tritt, es geht sogleich aus der Anrede hervor: "warum ist dein
Schwert von Blut so roth?" In diesem Ueberspringen, Ahnenlassen liegt etwas Banges und so ist mit solchem Style auch
die Neigung zu tragischen Stoffen gegeben; man kann sagen, daß das Nibelungenlied in seiner Stimmung als tragisches
Epos eben zugleich mehr balladenartig sei, als das Homerische Heldengedicht, und es ist merkwürdig, daß in England
zu der Zeit von Shakespeares's Auftreten beliebte Volksballaden den Stoff zu manchen Dramen gaben. Doch wurden auch
heitere Balladen zu Komödien verwendet, und unser Satz will nicht sagen, daß die Ballade nothwendig tragisch sei, so
wenig, als der Romanze blos heiterer Inhalt zugeschrieben werden soll. Ja der Ballade sagt ausdrücklich auch das
Komische zu, denn die subjectivere Durchschüttlung des Objectiven erzeugt mit ihren raschen Beleuchtungen den komischen
Contrast, wie den erhabenen. Die vordrängenden Jamben und Anapäste, welche namentlich die schottische, englische Ballade
liebt, entsprechen dieser springenden nordischen Unruhe, wie die fallenden Trochäen der romanischen Ebenmäßigkeit und
stetigeren Beleuchtung der Dinge, aber der relative Fortbestand des innern Gegensatzes innerhalb einer National-Literatur
kann nicht weiter nur an diese Formen gebunden sein. Auch die Neigung zum Geisterhaften, die jenem helldunkeln Tone näher
liegt, als diesem klaren, hängt mit unheimlich düsterem Inhalt zwar gerne, doch nicht schlechtweg zusammen, die
wunderbaren Mächte können auch neckisch, hülfreich wirken. Selbst die reinste, anmuthvolle Heiterkeit des Inhalts hebt
den Balladencharakter nicht auf: der Junggesell und der Mühlbach, der Edelknabe und die Müllerinn von Göthe weisen sich
durch die völlige Versenkung des Gefühls in den Stoff, die ihn dialogisch selbst sprechen läßt und alle Mittelglieder
überspringt, noch genugsam als Balladen aus. Es ist aber noch eine andere Seite des Unterschieds hervorzuheben, die
dem Bisherigen auf den ersten Blick zu widersprechen scheint. Viele spanische Romanzen sind von der Art, daß sie den
Schritt zum Epischen, d.h. jetzt zunächst einfach zum Erzählen, nur halb vollziehen: der Dichter redet seine Personen
an, spricht sein Gefühl über sie, über ihr Schicksal direct aus, erzählt im Präsens und gibt oft statt einer ganzen
Begebenheit nur eine Situation. Man lese nun von Uhland: der Traum, Sängers Vorüberzieh'n, der nächtliche Ritter, der
kastilische Ritter, S. Georgs Ritter, Romanze vom kleinen Däumling, Ritter Paris, der Räuber und was in der Sammlung
folgt bis zu Bertran de Born, so wird man das
[1364] eine oder andere dieser Merkmale oder die sämmtlichen zutreffen sehen. Noch bestimmter wird man dieß Verweilen
im Subjectiven, das nur einen Ansatz zum Erzählen nimmt und den Stoff wieder in lyrischen Klang zurückzieht, in den
Gedichten Heine's finden, die er Romanzen nennt; Balladen, wie die "Grenadiere", "Belsatzar", durcherzählende Romanzen,
wie "Don <Ramiro>", mehreres Lieder- und Sonett-artige ist leicht auszuscheiden; wir bezeichnen als Beispiele für den
Charakter, von dem hier die Rede ist, I, II, III, IV, V, VII, VIII, XI, XII, XIII, XIV, XV. Wir haben die Ballade
reiner lyrisch genannt, als die Romanze; ziehen wir nun zu dieser die in Rede stehende Form, welche zum Erzählen
nicht ernstlich fortgeht, so scheinen wir in Widerspruch zu gerathen, denn dieß ist ja vielmehr ein Stehenbleiben im
Lyrischen. Allein beide Male ist Lyrisch in anderem Sinne genommen: im Balladenstyle bedeutet es den Act der subjectiven
Empfindung, der sich an seinem geraden Gegentheile, der vollen Objectivität, so stark erweist, daß er sie ganz in
lauter Ton, Stimmung umsetzt, das anderemal die Subjectivität, die den allgemeinen Begriffscharakter des Lyrischen so
einhält, daß sie bis zu voller Objectivtät gar nicht fortschreitet, nur halbe Anstalten zum Erzählen macht.
Hiemit haben wir Linien zu einer Grenzbestimmung zwischen Ballade und Romanze zu geben versucht. Daß dieselben in der Anwendung durchaus Lücken haben müssen, folgt nothwendig aus der innern Natur des Lyrischen; wo es sich um so zarte Potenzen handelt, für die wir nur den Namen Behandlungston haben, kann am allerwenigsten bei Schuh und Zoll ausgemessen werden. Der Sprachgebrauch ist daher locker und schwankend. Göthe nennt alle seine erzählenden Lieder Balladen und mit Recht. Angesichts der Vollständigkeit der Versenkung, der Umtauschung des eigenen Ich gegen die Personen und das Ereigniß, des bewegungsreichen Ganges, der ganzen wallenden Natur dieser Lieder kann man zu dem Schlusse kommen, Göthe sei mehr Dramatiker, als Schiller; allein seine Dramen leiden bei aller übrigen Vollendung an einem Mangel gegenüber dem Spezifischen der Dichtart, sie sind zu seelisch und haben zu wenig Handlung; er ist dagegen im Epischen so Homerisch klar und so ganz, wie es die Dichtart will, rein zeichnend und entwickelnd, daß man den Meister des lyrischen Helldunkels der Empfindung nicht in ihm erwarten sollte. Wir überlassen diesen Knoten dem Leser zur Auflösung; sie wird sich daran knüpfen müssen, daß Göthe doch auch als Epiker keinen straff männlichen, sondern lauter rein menschliche, weiblich seelische Stoffe behandelt hat. Schiller nennt nur seinen Kampf mit dem Drachen Romanze, alles Andere Balladen; sonderbar: thut er es wegen der lichten Deutlichkeit und beredten Entwicklung im Style, so hätte er alle seine episch lyrischen Gedichte Romanzen nennen können außer dem Taucher, denn dieser hat trotz den beredten Schilderungen [1365] doch viel von dem tief dunkel bewegten, springenden, dramatischen Style der ächten Ballade, und etwa noch außer dem Handschuh, wo ähnliche Bewegung waltet. Wählt er den Namen wegen des glücklichen Ausgangs im Gegensatze mit der tragischen Schicksals-Idee in den andern, so wären der Gang nach dem Eisenhammer, der Graf von Habsburg, die Bürgschaft auch Romanzen zu nennen. Das Richtige wird sein, von Schiller's sämmtlichen episch lyrischen Gedichten zu sagen: sie haben von der Ballade den stark bewegten dramatischen Gang, aber nicht das Helldunkel des reinen Empfindungstons, der immer eine Verwandtschaft mit dem Volksliede auch in der Kunstpoesie bewahrt, vielmehr neigen sie durch ihre lichte Bewußtheit und Sentenziosität noch über die Helle der Romanze hinüber in die betrachtende Lyrik; zugleich aber seien sie durch die Fülle und Pracht ihrer Schilderungen episch über das Maaß dieser Eigenschaft hinaus, wie wir sie ebenfalls der Romanze zuerkannten, ja auch über das Maaß des Epos, nämlich mit zu fühlbarer rhetorischer, declamatorischer Haltung; ein Verhältnis der Kräfte, mit dem man sich, so oft der Mangel des Naiven, ächt Liederartigen sich bis zum Ueberdruß aufzudrängen droht, doch immer wieder versöhnt durch die Entschiedenheit des Einen Grundzugs, der dramatischen Energie, die ganz den wirklich dramatischen Dichter ankündigt.
Wir haben bis hieher abgesehen von den Begriffsbestimmungen, welche Echtermeyer in der Abh.: "Unsere Balladen- und Romanzenpoesie" Hall. Jahrb. 1839, N. 96 ff.) gegeben hat, um weder unsere Entwicklung, noch die Beurtheilung zu verwirren. Er geht vom Inhalt aus und erklärt die Ballade für die Form, worin der noch natürlich bestimmte Volksgeist, der Geist in seiner Naturbedingtheit sich ausspreche, wie er entweder den Gewalten der äußeren Natur unterliegt, oder seinen eigenen dunkeln Trieben anheimfällt und von ihnen verschlungen wird, – die Nachtseite des Geistes, die denn eine düstere Stimmung und eine tragische Wendung begründe; die Romanze dagegen soll, nicht mehr an einen bestimmten Volksgeist gebunden, der rein menschlichen Bildung angehörig, das ideale Selbstbewußtsein, die freie sittliche Macht des Geistes verherrlichen. Daraus leitet er dann den Styl-Unterschied ab und faßt ihn ähnlich unserer Bestimmung. Es scheint dieß eine klare und einleuchtende Entscheidung der schwierigen Frage; sieht man aber näher zu, so wird man finden, daß dieser Schein täuscht. Für's Erste wird nicht Alles eingetheilt, was einzutheilen ist: wohin soll die ganze große Welt des Gemüthslebens fallen, die weder der düstern Nachtseite des unfreien, noch dem vollen Tage des sittlich selbstbewußten und wollenden Geistes angehört? Vor Allem die Welt der Liebe, sofern sie nicht in ideales Denken erhoben und doch in sich frei, schön und heiter ist? Der nordische Styl wird sie dunkel, ahnungsvoll, der südliche wird sie licht und klar behandeln, dort wird eine Ballade, hier eine Romanze [1366] entstehen. Der Styl-Unterschied, wie er historisch auf Nationalitäten zurückführt, ist es also, was entscheidet, nicht der Inhalt. Für's Zweite: es ist umgekehrt in dem Style, welcher mit herkömmlicher nationaler Beziehung den Namen der Romanze führt, viel finster blutiger, nächtlicher Stoff behandelt und man kann nur sagen, der dunkle, liederartig bewegte Styl verbinde sich lieber und naturgemäßer dem düstern Inhalte, der lichte dem klaren und freien, wie denn dieß auch der Stimmungs-Unterschied der Völker ist, von denen beide Style ausgiengen, es sei dieß aber nicht nothwendig. Auch ganz sittlich lichter Inhalt kann in Balladenstyl behandelt werden; der Ton in Göthes's Gott und Bajadere hat so ganz den tief erzitternden Charakter, daß wir dieses Gedicht nimmermehr Romanze nennen könnten, und der Inhalt gehört doch unzweifelhaft der sittlichen Lichtwelt an. <Echtermeyer> hat, dieß ist die dritte und wichtigste Einwendung, bei dem, was er als Inhalt der Romanze bestimmt. durchaus Schillers's philosophisch gebildetes Bewußtsein im Auge gehabt und stoffartig auf den ethischen Werth der Idee der Freiheit gesehen. Das Wahre ist, daß, je durchsichtiger solches sittliches Bewußtsein, desto schwerer es wird, sowohl eine ächte Romanze, als eine ächte Ballade zu dichten. Das Gefühl ist in der Romanze heller, als in der Ballade, aber nicht so gedankenhaft durcharbeitet. Für den ästhetischen Maaßstab ist diejenige Bildung des modernen Dichters die höchste, die von dem zu hellen Lichte ihres Selbstbewußtseins sich in die dämmernden Stimmungen umsetzen kann, aus welchen die ächte Romanze, noch mehr die ächte Ballade hervorgeht. Die bedeutendsten Producte der neueren erzählenden Poesie sind Balladen, vor Allem die Göthe'schen. – <Echtermeyer> hat eine dritte, mittlere Form aufgestellt, die er Mähre oder Rhapsodie nennt und welcher er als Inhalt die Heldenwelt zuweist, wie sich durch sie die Völker in energischer That von ihrer ersten dunkeln Unmittelbarkeit befreien: eine ursprüngliche Kraft, die schon in die Licht- und Tagesseite des Geistes, in die Geschichte, hereinragt. Uhland's vaterländische Balladen namentlich würden in diese Gattung fallen und es erscheint zweckmäßig, sie aufzustellen. zurück
4. Es versteht sich, daß die hier aufgeführten Formen, das rein objective Sitten- und Naturbild ausgenommen, ihren ursprünglichen Boden recht in der Volkspoesie haben, vor Allem aber Ballade und Romanze. Hier vorzüglich ist die Stelle, wo die Kunstpoesie neues, ächt lyrisches Leben aus ihr getrunken hat. Nachdem aber diese Verjüngung vor sich gegangen war, mußte eine episch lyrische Kunstpoesie möglich werden, die den ächt lyrischen Ton einhält und doch in der ganzen Behandlung zeigt, daß ebensosehr die classische Bildung auf uns eingewirkt hat, die aber darum nicht zu der allzu lichten und glänzenden Beredtsamkeit fortgeht, welche einmal unlyrisch ist; diese Art episch lyrischer Gedichte entzieht sich am meisten der [1367] Eintheilung Ballade und Romanze und warnt uns, Alles eintheilen zu wollen. Man hat unsern in diesen Formen so reichen Uhland als den Classiker der Romantik bezeichnet; am Marke des Volkslieds genährt, eine gediegene, einfach körnige Natur, die sich doch mit offener Seele den verschiedenen Stimmungen der nord- und südfranzösischen, spanischen Romantik, des classischen Alterthums, wie der dunkleren, härteren, biderben altdeutschen Welt öffnet, führt er überall einen scharfen Meisel, der jedem Gesteine klar bestimmte, reine Gestalt gibt. In der Deutlichkeit des Umrisses, welche auch ein ahnungsvoll dunkler Inhalt hiedurch erhält, wird denn die Grenze zwischen Ballade und Romanze, jetzt abgesehen von jener subjectiveren Nebenform der letzteren, der wir einen Theil dieser Gedichte bereits zugewiesen haben, nothwendig ungewiß werden. Da, wo mehr Volksliedston ist, kann kein Zweifel sein; aber wohin sollen wir z.B. Ver sacrum zählen und mit ihm die ganze Welt episch lyrischer Gedichte, die im Inhalte bald finster, bald heiter, im Ton und Gang bald dramatisch bewegter, bald milder und heller fließend, doch in der ganzen Form zu classisch durchgebildet sind, zu sichtbar auf classischem Kothurne gehen, um unter Begriffe eingereiht zu werden, die doch immer an die Naivetät der Volkspoesie erinnern? Es bleibt also dabei, daß hier keine zu erschöpfender Eintheilung ausreichende Terminologie besteht. zurück
1.
Die Lyrik der Betrachtung
steht auf dem Punct einer beginnenden Auflösung des reinen Gefühlszustands, worin derselbe in
eine beschauende und beschaute Seite auseinandergeht, die in ein Wechselspiel treten, in welchem die Empfindung mit
verhüllter oder ausgesprochener Wehmuth ihrer eben noch warmen und eben verkühlenden Schönheit nachblickt und näher oder
entfernter bereits den denkenden Geist durchscheinen läßt. Unter den classischen Formen gehört hieher die Elegie, aus
dem Oriente in verschiedener Beziehung die indische und die kunstreichen Bildungen der muhamedanischen Lyrik, aus der
romanischen Literatur die verschlungenen Strophen des Sonetts u.a.
2.
An der Grenze der Prosa liegt als besondere Form
das Epigramm
und mit ihm eine große unbestimmte Masse, die sich unter dem Namen der schönen Gedankenpoesie zusammenfassen
läßt und namentlich der modernen Zeit und der deutschen Poesie angehört.
1. Wir könnten das Wesen dieser Form auch als eine bis an die Grenze der ästhetischen Einheit fortschreitende Entbindung
des Gnomischen bezeichnen, wenn wir nicht eben hier der gnomischen Poesie im engeren Sinn uns näherten, die wir doch
als besondere Form in den Anhang vom Didaktischen verweisen und mit welcher wir das vorliegende Gebiet nicht
[1368] verwechselt sehen möchten. Um was es sich handelt, zeigt sogleich die Elegie. Es ist bekannt,
daß man unter ihr
nach der antiken Bedeutung des Worts durchaus nicht blos ein Lied der Wehmuth und Klage zu verstehen hat, daß diese
erste Form, in welcher sich bei den Joniern die lyrische aus der epischen Poesie herausbildete, anfänglich politischen
und kriegerischen Inhalts war, daß sie denselben, auch nachdem sie sich anderem zugewandt, nicht so bald aufgab.
Allerdings darf man behaupten, daß es Zeichen eines unreifen Zustandes war, wenn Kallinos und Tyrtäos so starken Inhalt
in solchem Gefäße niederlegten, daß dieß nur geschah, weil es überhaupt die erste lyrische Form war, die man gefunden
und in die nun zuerst der noch ganz von heroisch mannhaften Gefühlen geschwellte, noch wenig lyrisch erweichte Sinn
sich warf; denn indem das elegische Versmaaß dem gewaltig und feierlich vorstrebenden Hexameter den zurückweichenden,
verathmenden, Grenze setzenden, abschließenden Pentameter hinzufügte, war auch für den Inhalt ein sanftes Nachlassen
gefordert, der verhauchende Vers sollte das Verhauchen der Seelenbewegung darstellen. Es liegt in dieser Bewegungsweise
ein Abschiednehmen von der Empfindung, sie ist eben noch warm und fühlt sich eben ab. Dieß ist das eigentliche Wesen der
Elegie; Wehmuth und Trauer in bestimmtem Sinn ist damit zunächst noch gar nicht ausgesagt, denn dieß wäre ein
Abschiednehmen vom Inhalte der Empfindung, vom schönen Gegenstande. Dagegen ist allerdings zunächst eine stärkere
Entbindung des gedankenhaften Elements hiemit gegeben, denn Auskühlung des Gefühls und Uebergang desselben in das
denkende Betrachten, Beruhigung durch allgemeine Wahrheiten fallen nothwendig zusammen. So diente denn das elegische
Maaß, das Distichon, früher namentlich bei Solon, überhaupt aber jederzeit auch dem eigentlich Gnomischen, dem
Aussprechen allgemein gültiger Lebensweisheit. Aber auch dieß directe Lehren entspricht seinem wahren Charakter
nicht und soll durch die Behauptung, daß das Austönen des Gefühls ein Aufsteigen des Gedankenmäßigen sei, vielmehr
nur ein erstes Durchscheinen des Letzteren gerechtfertigt werden. Die Elegie begriff ihre Bedeutung erst, als sie
sich seit Archilochos in die schönen Empfindungen des von Seele durchdrungenen Lebensgenusses, auf Wein und Liebe
und jede andere Stimmung warf, in welcher die Gegenwart, der Augenblick im Schimmer des Idealen aufglänzt, und sie
konnte noch einmal zu voller Blüthe erwachsen, als im Verfall des öffentlichen Lebens die römische Welt das kurze
Glück im leidenschaftlichen, subjectiv entzündeteren Genusse des schönen Momentes suchte (vergl. §. 445,1). So heiß
nun aber das Gefühl in diesen Stimmungen erglühen mag, so bringt doch eben jener Charakter des Rhythmus, das regelmäßige
Absinken nach dem steigenden Herameter, einen Ton des Verglühens nothwendig mit sich; das Gemüth ist noch ganz in
seinen Zustand versenkt und beginnt
[1369] doch schon, ihm zuzusehen, frei über ihm zu schweben; der Liederdichter fühlt, der elegische bespricht,
was er fühlt; das Gefühl mag noch so heiß sein, es verdunstet in der Elegie eben im Aufsprühen. Dieß führt uns
denn auf den Ausgangspunct und zu dem Begriffe der Wehmuth und Trauer zurück. Nur im unbestimmteren Sinne des
Worts liegt ein Zug derselben zunächst in jenem Abschiednehmen von der Empfindung; es erhellt aber, wie nahe der
Schritt gelegt ist, in den bestimmteren Ton der Klage überzugehen, der nun ein Abschiednehmen vom schönen Gegenstand
ausspricht. Ich blicke auf meine Empfindung wie auf eine flüchtige, entschwindende: so wird mir ja die Empfindung
selbst zum schönen Gegenstande, an dem ich erfahre, daß die Momente der höchsten Lebenserregung kurz und vergänglich
sind, und es ist nur natürlich, wenn ich nun von der Empfindung den Gegenstand und Inhalt derselben unterscheide und
die Flüchtigkeit des Glückes auch objectiv mit entschiedener Stimmung der Trauer betone. Dann wird die Elegie zu dem,
was man sich in der neueren Zeit gewöhnlich unter ihr vorstellt, zum Gedichte der Klage um verlorenes schönes Gut des
Lebens, sie ist es gerne, und sie ist es ja auch schon im griechischen Alterthum gewesen, aber jener Klang der Wehmuth
durchzieht sie wie ein Ton der Aeolsharfe, auch wenn sie ganz nur von Freude und glücklicher Gegenwart singt. Es ergibt
sich nun, daß dieser Form aus dem tieferen Grunde die Stelle an der nahen Grenze der ungemischten Poesie anzuweisen ist,
weil sie eigentlich weiß, daß das Ideal nur momentan in das Leben eintritt. Der schöne Moment, auf den sie selbst mitten
in seiner Feier schon wie auf einen fliehenden zurückblickt, ist in Wahrheit nichts Anderes, als die ideale Verklärung
des Lebens, welche in der empirischen Wirklichkeit ohne den Zauber der Kunst nur scheinbar und rasch entschwindend
eintritt, denn dieß ist ja der Charakter alles Naturschönen, welche aber von der Kunst bleibend vollzogen wird; die
Elegie steht also nicht rein inmitten der idealen Phantasie, sondern sehnt sich von dem Standpuncte der Wirklichkeit
nach dem Ideale, welches dem ungetheilten ästhetisch idealen Bewußtsein ein stetiges Diesseits ist, als nach einem
Jenseits, das nur vorübergehendes Diesseits wird, und trauert dem flüchtigen Eintritte desselben nach. Sie trauert
eigentlich um die ideale Phantasie selbst; eine Poesie, die so eben nicht mehr ganze Poesie ist, trauert um die ganze.
Schiller stellt in der Abhandlung über naive und sentimentale Dichtkunst die Elegie als eine Form der letzteren auf;
was er aber sentimentale Dichtkunst
nennt, ist diejenige, welche das Wirkliche und die Idee nur aufeinander bezieht, und so gesteht er damit, daß die
Elegie den einen Fuß schon auf der Grenze der Poesie hat. Er selbst hat in den Gedichten: die Ideale und: das Ideal
und das Leben dieß geradezu bestätigt und die Elegie im Grunde verrathen: im ersteren, indem er sich zum Schlusse rein
prosaisch mit der Befriedigung
[1370] tröstet, die in der Beschäftigung liegt, im zweiten, indem er die wahre Erhebung aus den Enttäuschungen des
Lebens im Himmel der Phantasie sucht, den uns die volle Poesie, ohne ihr Geheimniß zu gestehen, durch die That auf
die Erde senken soll. Die ächte Elegie schwatzt aber doch nicht so ihr Geheimniß aus, weiß es selbst kaum und ihre
Betrachtungen decken in aller Trauer über die Flüchtigkeit des Schönen nicht so ausdrücklich die Kluft auf, welche
die ganze und volle Kunst schweigend ausfüllt; das heißt von der Phantasie sprechen, statt in Phantasie thätig sein.
Doch wir verdanken Schiller auch wahre Elegieen. Pompeji und Herculanum, der Spaziergang gehören zu den schönsten
Erscheinungen dieses Gebiets und führen verglichen mit Göthe's herrlichen römischen Elegien, auf einen Unterschied,
den wir noch zu berühren haben. Dort breitet sich das Ideale in dem Bilde der verschütteten Städte, das wunderbar
wieder an den Tag der Gegenwart getreten in den Landschaftsbildern, an denen der Spaziergänger sich fortbewegt,
als objectivere Anschauung vor dem betrachtend fühlenden Geist aus; hier blickt der Dichter auf persönliches Glück
zurück, das sich wohl wie eine Rose an die Trümmer der großen Vergangenheit der alten Weltstadt schlingt, wo einst
Amor, der dem Liebenden die Lampe schürt, seinen Triumvirn denselben Dienst gethan hat, wie jetzt dem nordischen
Gaste, das aber wesentlich sein Genuß, sein subjectives Erlebtes ist. Es treten also eine mehr
objectiv epische
und eine mehr subjectiv lyrische Form einander gegenüber. Das antike Versmaaß der Elegie ist hier beibehalten;
im Allgemeinen folgt übrigens einer Nöthigung hiezu aus dem nicht, was über dessen Charakter gesagt ist; die
modernen Strophenbildungen haben der absinkenden und austönenden Form genug, um dem elegischen Stimmungscharakter
seinen Ausdruck zu geben. – Nicht immer ist es leicht, das Elegische vom Liedartigen zu unterscheiden; wesentlich ist,
daß man immer den betrachtenden Charakter in's Auge fasse, wehmüthiger Ton allein, selbst ausgedrückter Gedanke
wehmüthigen Inhalts macht noch keine Elegie, wenn er nur kurz hervorbricht, keine Entwicklung hat. Uhland's "Kapelle"
z.B. ist ein Lied, keine Elegie.
Es kann Widerspruch erregen, daß wir hier die lyrische Poesie Indiens aufnehmen. Sie
versenkt sich mit berauschter Wonne in eine Natur, deren Ueppigkeit alle Sinnen umstrickt, in das Entzücken der Liebe,
eine seelenvolle Sinnlichkeit, fern von der tieferen Sammlung, welche dem betrachtenden Momente, das wir doch in
dieser Dicht-Art für so wesentlich halten, eine Entfaltung zuließe; sie hat in ihrer trunkenen Versenkung einen
primitiven Charakter, wie alles Orientalische, und scheint daher mindestens vor die classische Elegie gestellt
werden zu müssen. Allein in dieser Trunkenheit wohnt doch eine selige Müde, ein Hinschwinden in die Naturtiefen,
ein süßes Kranksein vor lauter Lust, die in ihrer Schönheit sich badet und
[1371] wohl fühlt, daß sie zu schön ist, um zu bleiben. Der elegische Ton liegt daher im Ganzen, auch wo er sich
nicht direct ausspricht, er tritt aber doch auch wirklich und sogar herrschend hervor und kann als das Bezeichnende
der indischen Lyrik angesehen werden. Ihre schönsten Erzeugnisse sind eigentlich elegisch; das herrliche Gedicht:
die Jahreszeiten ist mit Mahnungen an die Flüchtigkeit des schönen Augenblicks durchzogen; sehnsuchtvolle Liebesklage
ist der beliebteste Ton, der sich mit dem wunderbar träumerischen Naturgefühle vereinigt und seinen ergreifendsten,
reichsten Ausdruck in dem Wolkenboten von Kalidasas gefunden hat. Mit dem Elegischen tief verwandt ist das Idyllische,
wie sich aus der Erörterung desselben (§. 874. 883) ergibt; man kann es die epische Elegie nennen, denn indem der
idyllische Dichter das schöne Bild naturvollen Menschenlebens in der ländlichen Stille aufsuchen muß, gesteht er
dessen Flüchtigkeit; das Ideal ist noch da, aber nur eben noch da, wird eben noch ferner vom großen Menschengetümmel
aufgefunden und erhascht. Mit richtigem Sinne stellt daher Schiller (a.a.O.) Elegie und Idylle nebeneinander. So
knüpft sich denn das Elegische an ein idyllisches Motiv in dem anmuthvollen indischen Gedichte Gitagowinda, das die
Liebe des Krishna zu der Hirtin Radha besingt. Es fehlt jedoch in dieser Poesie auch an Sprüchen der Erfahrung und
Lebensweisheit nicht, die dem Elemente der Betrachtung, freilich ohne die ethische Sammlung des classischen Occidents,
noch mehr ohne die concentrirte Innerlichkeit der neueren germanischen Zeit, im elegischen Elemente sein Recht sichern.
Voranstellen aber mußten wir hier die Form, die am deutlichsten den Begriff darstellt. Trotz dem großen Sprunge ist
es nur natürlich, an die Seite der indischen die muhamedanische Lyrik zu ziehen, wie sie im dreizehnten und vierzehnten
Jahrhundert ihre höchste Blüthe in Persien getrieben hat. Der Pantheismus, der in der indischen Poesie noch trunkenes
Naturgefühl war, ist hier durch reiche Vermittlungswege so durchgebildet, daß er sich mit vollem und ausgesprochenem
mystischem Bewußtsein in den Genuß des Einzelnen versenken kann; Dschelaleddin Rumi stellt die reine Mystik, Saadi den
Uebergang zur Einlebung derselben in das Gefühl des sinnlichen Augenblicks, Hafis die reine und ungetheilte Versenkung
dar. Hier hat sich das Gemüth von jeder Fessel der Scheinwelt losgemacht, in das ewig Eine hingegeben und ist völlig
frei von jeder besonderen Bestimmtheit, heiter in der Bedürfnißlosigkeit des Derwisch, gepäcklos wie Diogenes. Das ewig
Eine ist aber auch in jedem Wirklichen gegenwärtig; dem freien Gemüthe steht es ganz frei, sich in eine Form seiner
Realität, wie in seine gestaltlose Unendlichkeit, aufzulösen, und es wird diejenige Form wählen, welche durch Hingabe
des Ich an ein zweites oder an die Tiefen des Naturgeistes ein sinnliches Symbol desselben Wegs ist, wie er in Askese
und Speculation vollzogen wird. In seeligem
[1372] Liebesrausche gibt sich nun der Dichter unter Wohlgerüchen von
Veilchen, Jasmin, Rosen und Moschus der Geliebten, in deren Wangengrübchen der Weltengeist gefallen ist, dem Weine
hin, in dessen Feuer das ewige Geheimniß glüht; er ist aber in dieser Hingebung ganz frei, denn das Welttrunkene Gemüth
ist dasselbe, das sich auch rein geistig mit dem Unendlichen versöhnt und in der Reinheit dieser Versöhnung nur von
jedem Dogma und Sektenvorurtheil befreit hat; er taucht sich ganz in den Genuß und schwebt doch frei und heiter über
ihm und er spricht mit hellem Bewußtsein die Einheit der beiden Wege des Aufgehens in der Unendlichkeit überall und in
immer neuen Wendungen aus. Diese Form ist daher in aller ungeheuchelten Fülle der Sinnlichkeit doch zugleich betrachtend,
das Gefühl selbst löst sich hier besonders sichtbar in die zwei Seiten des Seins in der Sache und der heiteren
Beschauung dieses Seins auf; es ist dieß durchaus elegisch und man wird auch an die Flüchtigkeit des schönen Augenblicks
oft genug so ausdrücklich gemahnt, als es die Elegie im engeren Sinne des Worts nur thun kann. Diesem Spiele mit der
stetigen Wiederkehr zum mystischen Centrum entspricht das reiche Formenspiel und namentlich das Ghasel mit seinem
durchgehenden Reimbande. In den einzelnen Mitteln ist diese Dichtung die vorherrschend bilderreiche; sie bedarf es
aber auch, denn sie dreht sich schließlich doch immer um Eines. Göthe's heiteres Greisenalter hat in der entsprechenden
Stimmung des freien Schwebens und Betrachtens in diesen Formen gedichtet und sie noch einmal zur Wahrheit gemacht.
Auch der weitere Sprung zu der subjectiven Lyrik der romanischen Völker läßt sich unschwer rechtfertigen.
Hier ist eine Welt
der Innigkeit aufgegangen, wie sie der Orient und das Alterthum nicht kannte, der platonische Idealismus und die Mystik
fließt als Element in den ethisch gesammelten occidentalischen Geist ein und vereinigt sich mit einem Volksnaturell, das
doch flüssiger, weltlich freier, sinnlich biegsamer ist, als der noch tiefere, aber weltlosere, härter in sich gedrängte
germanische Charakter. Allein dieser Genius theilt auch mit dem antiken die Eigenschaft, daß ein großer Theil der innern
Wärme nach der Seite der Form hindrängt, um sich hier als eine Schönheit für sich niederzuschlagen; dieß ist nun natürlich
in der ursprünglichen Art der Stimmung gesetzt und wirkt ebensosehr in der Ausführung wieder auf sie zurück: die reich
verschlungenen Formen des Sonetts, der Canzone, Terzine, Sestine, der achtzeiligen Stanze, des Trioletts, Rondeau's,
Madrigal's u.s.w. stellen ein Spiel der Verschiebungen dar wie maurische Arabesken; das Gefühl des Dichters kann in der
Künstlichkeit dieses Spiels die Unmittelbarkeit nicht bewahren, sondern wird nothwendig zu einem Witze der Empfindung,
wiewohl im guten und ernsten Sinne des Worts; er schaukelt sich wie ein geschickter Ruderer mit
kunst[1373]fertigen Wendungen auf ihren Wellen und sieht mit reiner Betrachtung ihrem plätschernden Wellenspiele zu.
Es sind vorzüglich die Italiener, die uns diese Formen gebracht haben, und es verhält sich wie mit der Herrschaft der
melodischen Schönheit bei relativ verminderter Ausdruckstiefe in ihrer Musik. Das deutsche Gemüth wird sich aber nie
ganz frei und heimisch in ihnen bewegen.
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2. Wir können in der unbestimmten Masse, die wir enger an die Grenze der Prosa
schieben, nur Eine benannte Form aufführen: das Epigramm. Wenn alles Lyrische aus einer Situation entspringen soll,
so gilt dieß vom Epigramm in dem ganz speziellen Sinne, daß es auf ein einzelnes äußeres Object gerichtet ist, dem
der Dichter gegenübertritt, das er aber nicht in das rein innere Leben des Gemüths umsetzt, sondern nur so weit auf
das Subjective bezieht, daß er einen schönen Gedanken darüber ausspricht, und zwar ohne weitere Entwicklung, in
schlagender Kürze. So ist die Lyrik an ihrer Grenze noch einmal ganz punctuell, aber jetzt nicht mehr rein empfindend
und nicht mehr in den Ring der besonderen Stimmung die Welt fassend, sondern Einzelnes durch einzelne Gedankenlichter
beleuchtend;
es sind die zerstreuten erkaltenden Funken der Flamme, welche die volle Lyrik in gedrängter Wärme
zusammenhält; der Prozeß der Verklärung der Welt im Subjecte hält eine Nach-ärndte, geht weit und breit in der Welt
um und wirft auf die einzelnen Dinge, ohne ihre Objectivität aufzuheben, seine geistigen Blitze. Wir haben den Ausdruck
gebraucht: schöner Gedanke.
Dieß heißt nicht nur ein Gedanke von reinem, edlem Gehalte, sondern ein solcher, der im
idealen Gefühls-Element empfangen und geeignet ist, von ihm umfangen zu bleiben. Wir schließen damit das Epigramm,
das eine satyrische Spitze hat, vom gegenwärtigen Zusammenhang aus; es gehört mit allem Satyrischen in den Anhang.
Das Gefühls-Element hat seinen Anhalt darin, daß das Epigramm ein gegebenes Object zum unmittelbaren Ausgangspunct hat,
das geeignet sein muß, unmittelbar in einen Stimmungszustand zu versetzen, aus dem sich eine bedeutende Betrachtung
entwickelt. Es ist ursprünglich bestimmt, dem Gegenstand als Aufschrift zu dienen, der also ein sinnlich gegebener ist,
dieses Band löst sich, es genügt, daß der Gegenstand der Vorstellung gegeben sei, wenn er nur den Charakter eines
vorgefundenen, Erlebten hat, woran sich tiefe Lebensbeziehungen knüpfen. Daraus ergibt sich die Art der Composition im
Epigramm: es erregt zuerst durch Nennung des Objects, Anlasses eine kurze Erwartung, dann läßt es in rascher Wendung
den Aufschluß, die Pointe hervorspringen. Der Uebergang in die satyrisch witzige Form liegt daher nahe genug, man kann
aber von einem Witze des schönen Gedankens reden und dabei die Satyre noch völlig ausschließen. Wir verweisen auf die
unendlichen schönen Epigramme der Alten, unter den Neueren nur auf einen
[1374] großen Theil von Göthe's und Schiller's
Xenien, auf Uhland's Sinngedichte, zu denen er zwei Strophen nicht rechnet, die doch zu den schönsten Epigrammen aller
Zeit gehören: "Verspätetes Hochzeitlied" mit dem Schlusse: des schönsten Glückes Schimmer erglänzt euch eben dann,
wenn man euch jetzt und immer ein Brautlied singen kann. Das Epigramm nun ist der kleine benannte Punct in einer
ganzen weiten Welt von Dichtungen, die keinen Namen haben und die wir als Poesie des schönen Gedankens bezeichnen;
sie verhalten sich zum Epigramme wie das Ausgeführte zum Zusammengezogenen. Es ist die schwer zu bestimmende Form,
die auch Hegel (a.a.O. S. 465) zuletzt, aber gewiß unrichtig als eine Art des Liedes aufführt. Er weist auf Schiller
hin, dessen Gedichte im Ganzen und Großen eine eigentlich normale Erscheinung dessen sind, was wir schöne Gedankenpoesie
nennen; die neuere, namentlich deutsche Literatur, hat aber überhaupt in weiter Ausdehnung dieß Feld angebaut, und Namen
wie G. Pfitzer, Geibel sind fast ausschließlich nur hier zu treffen. Der moderne Geist hat seinen unendlich reichen,
vielseitigen und verwickelten Inhalt in das philosophische Bewußtsein erhoben, das sich auf unzähligen Wegen der
allgemeinen Bildung mitgetheilt hat; so ist dieses längst eine untrennbare Form seines Wesens und wird durch seine
Gegensätze und Kämpfe selbst wieder zu einem Theile seines realen Lebens, seiner Erfahrungsmasse. Unmöglich kann eine
solche von Gedanken durchsäuerte Welt nach ihrem Umfang und ihrer Tiefe in die liederartige Form der Unmittelbarkeit
umgesetzt werden; viel eher noch in den hymnischen Ton, von dem schon oben gesagt ist, daß er sich mit der Poesie der
Betrachtung berühre. Der Trotz des freien Menschengeistes ist in Göthe's Prometheus, der Werth der Phantasie in:
"Meine Göttinn," die Kleinheit des Menschen gegen das Unendliche in "Grenzen der Menschheit," Edelmuth und Wohlwollen
als höchste Zierde des Menschen in "das Göttliche" wirklich so ganz in hoch gehender reiner Stimmung ausgesprochen,
daß der ächt lyrische Hymnenton erklingt. Es ist aber solche Umsetzung gedankenmäßigen Gehaltes nur dem höchsten Talente,
seltenen Augenblicken und einem kleinen Theile der unabsehlichen Gedankenwelt gegönnt. Es muß eine Poesie geben, welche
den Gedanken merklicher in Gedankenform ausspricht, aber doch noch auf so starker Grundlage pathetischer Stimmung, daß
wir sie noch nicht zum Didaktischen zählen dürfen. Sie wird aller hohen Anerkennung werth sein, wenn sie ihre Stellung
an der Grenze der Poesie, wenn sie ihren Glanz, ihren rhetorisch declamatorischen Styl als einen Schmuck zugesteht,
dessen sie um ihres innern Mangels willen bedarf. Die Grenze zwischen dem, was dem ächt Poetischen näher und was ihm
ferner liegt, wird hier schwebend und ist nicht weiter zu verfolgen. Schiller bleibt, wie gesagt, Vorbild und reinstes
Muster.
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Erstdruck und Druckvorlage
Friederich Theodor Vischer: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen.
Zum Gebrauche für Vorlesungen.
Dritter Theil. Zweiter Abschnitt: Die Künste.
Fünftes Heft: Die Dichtkunst.
Stuttgart: Mäcken 1857, S. 1322-1374.
Die Textwiedergabe erfolgt nach dem ersten Druck
(Editionsrichtlinien).
URL: http://digitalisate.bsb-muenchen.de/bsb10574827
URL: http://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik030205_1857
Kommentierte Ausgabe
Werkverzeichnis
Verzeichnisse
Reck, Alexander: Art. Vischer.
In: Internationales Germanistenlexikon, 1800 – 1950.
Bd. 3. Berlin u.a.: de Gruyter 2003, S. 1953-1956.
Jacob, Herbert (Bearb.): Deutsches Schriftstellerlexikon 1830 – 1880.
Bd. St-V. Berlin: Akademie Verlag 2007.
S. 457-471: Art. Vischer.
Vischer, Friedrich Theodor: Ueber das Erhabene und Komische,
ein Beitrag zu der Philosophie des Schönen.
Stuttgart: Imle & Krauss 1837.
URL: https://mdz-nbn-resolving.de/bsb10574819
URL: https://archive.org/details/ueberdaserhaben00viscgoog
PURL: https://hdl.handle.net/2027/wu.89054194667
URL: https://books.google.fr/books?id=QNg1AAAAMAAJ
Vischer, Friedrich Theodor: [Rezension zu:]
Maler Nolten. Novelle in zwei Theilen von Eduard Mörike.
In: Hallische Jahrbücher für deutsche Wissenschaft und Kunst.
Jg. 2, 1839:
Nr. 144, 17. Juni, Sp. 1145-1149
Nr. 145, 18. Juni, Sp. 1153-1157
Nr. 146, 19. Juni, Sp. 1161-1168
Nr. 147, 20. Juni, Sp. 1175-1176.
URL: http://www.ub.uni-koeln.de/cdm/search/collection/hallische
URL: https://catalog.hathitrust.org/Record/000542560
Aufgenommen in
Friederich Theod. Vischer: Kritische Gänge.
Bd. 2. Tübingen: Fues 1844; hier: S. 216-242.
URL: https://archive.org/details/kritischegnge06viscgoog
PURL: https://hdl.handle.net/2027/uc1.$b612261
URL: https://books.google.fr/books?id=TW8HAAAAQAAJ
Vischer, Friedrich Theodor:
[Rezension zu:]
Gedichte von Eduard Moerike.
Stuttgard u. Tübingen, 1838. Verlag der Cotta'schen Buchhandlung.
In: Jahrbücher für wissenschaftliche Kritik.
1839, Juli:
Nr. 14, Sp. 108-112
Nr. 15, Sp. 113-120
Nr. 16, Sp. 121-127
Nr. 17, Sp. 129-136.
URL: http://opacplus.bsb-muenchen.de/title/530379-5
URL: https://catalog.hathitrust.org/Record/008697370
URL: https://de.wikisource.org/wiki/Jahrbücher_für_wissenschaftliche_Kritik
Aufgenommen in
Friederich Theod. Vischer: Kritische Gänge.
Bd. 2. Tübingen: Fues 1844; hier: S. 243-281.
URL: https://archive.org/details/kritischegnge06viscgoog
PURL: https://hdl.handle.net/2027/uc1.$b612261
URL: https://books.google.fr/books?id=TW8HAAAAQAAJ
Vischer, Friedrich Theodor: Der Triumph der Religion in den Künsten,
von Friedrich Overbeck.
In: Deutsche Jahrbücher für Wissenschaft und Kunst.
Jg. 4, 1841:
Nr. 28, 3. August, S. 109-111
Nr. 29, 4. August, S. 113-114
Nr. 30, 5. August, S. 117-120
Nr. 31, 6. August, S. 121-124
Nr. 32, 7. August, S. 125-128.
URL: http://www.ub.uni-koeln.de/cdm/search/collection/hallische
URL: https://catalog.hathitrust.org/Record/000542560
Aufgenommen in
Friederich Theod. Vischer: Kritische Gänge.
Bd. 1. Tübingen: Fues 1844; hier: S. 163-206.
PURL: https://hdl.handle.net/2027/uc1.$b612260
URL: https://books.google.fr/books?id=9m4HAAAAQAAJ
Vischer, Friedrich Theodor: [Rezension zu:]
Gedichte eines Lebendigen. Mit einer Dedication an den Verstorbenen.
Sechste Auflage, 1843. Zürich, Literarisches Comptoir.
In: Jahrbücher der Gegenwart.
1843, Juli:
Nr. 1, S. 3-4
Nr. 2, S. 7-8
Nr. 3, S. 11-12
Nr. 4, S. 15-16
Nr. 5, S. 18-20.
URL: http://opacplus.bsb-muenchen.de/title/532250-9
Aufgenommen in
Friederich Theod. Vischer: Kritische Gänge.
Bd. 2. Tübingen: Fues 1844; hier: S. 282-315.
URL: https://archive.org/details/kritischegnge06viscgoog
PURL: https://hdl.handle.net/2027/uc1.$b612261
URL: https://books.google.fr/books?id=TW8HAAAAQAAJ
Vischer, Friedrich Theodor: [Rezension zu:]
Gedichte eines Lebendigen. Zweiter Band.
Zürich u. Winterthur: Verlag des litterarischen Comptoirs 1844.
In: Friederich Theod. Vischer: Kritische Gänge.
Bd. 2. Tübingen: Fues. 1844, S. 316-340.
URL: https://archive.org/details/kritischegnge06viscgoog
PURL: https://hdl.handle.net/2027/uc1.$b612261
URL: https://books.google.fr/books?id=TW8HAAAAQAAJ
Vischer, Friedrich Theodor: Shakspeare,
in seinem Verhältniß zur deutschen Posie, insbesondere zur politischen.
In: Literarhistorisches Taschenbuch. Hrsg. von R. E. Prutz.
Jg. 2, 1844, S. 74-130.
PURL: https://hdl.handle.net/2027/hvd.32044100912658
URL: https://books.google.fr/books?id=yrtKAAAAcAAJ
Vischer, Friedrich Theodor: Noch ein Wort darüber, warum ich von der jetzigen Poesie nichts halte.
Zur Entgegnung auf eine Aeußerung von Hrn. A. Stahr.
In: Jahrbücher der Gegenwart.
1844, Februarheft, S. 165-177.
URL: http://opacplus.bsb-muenchen.de/title/532250-9
Vischer, Friedrich Theodor: Politische Poesie.
In: Jahrbücher der Gegenwart.
1845, Märzheft, S. 237-253.
URL: http://opacplus.bsb-muenchen.de/title/532250-9
Vischer, Friederich Theodor: Aesthetik oder Wissenschaft des Schönen.
Zum Gebrauche für Vorlesungen.
3 Bde. Reutlingen u. Leipzig: Mäcken; Stuttgart: Mäcken 1846-1857.
URL: https://www.deutschestextarchiv.de/vischer_aesthetik01_1846
URL: https://catalog.hathitrust.org/Record/001389282
URL: https://www.zvdd.de/dms/esuche/
Vischer, Robert (Hrsg.): Briefwechsel zwischen Eduard Mörike
und Friedrich Theodor Vischer.
München: Beck 1926.
Vischer, Friedrich Theodor: Über das Erhabene und Komische und andere Texte zur Ästhetik.
Hrsg. von Willi Oelmüller.
Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1967.
Vischer, Friedrich Theodor: Kritische Skizzen.
Hrsg. von Hermann Bausinger.
Tübingen: Klöpfer & Meyer 2009 (= Eine kleine Landesbibliothek, 6).
Hundt, Martin (Hrsg.): Der Redaktionsbriefwechsel
der Hallischen, Deutschen und Deutsch-Französischen Jahrbücher (1837 – 1844).
3 Bde. Berlin: Akademie-Verlag 2010.
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Baillot, Anne: Friedrich Theodor Vischers Auseinandersetzung mit der Solgerschen Kunstphilosophie.
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Begemann, Christian / Bunke, Simon (Hrsg.): Lyrik des Realismus.
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Brandmeyer, Rudolf: Das historische Paradigma der subjektiven Gattung.
Zum Lyrikbegriff in Friedrich Schlegels "Geschichte der Poesie der Griechen und Römer".
In: Wege in und aus der Moderne. Von Jean Paul zu Günter Grass.
Herbert Kaiser zum 65. Geburtstag. Hrsg. von Werner Jung u.a.
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