Text
Editionsbericht
Literatur: Uhland
Literatur: Poetologische Lyrik
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Lieder sind wir, unser Vater Schickt uns in die offne Welt, Auf dem kritischen Theater Hat er uns zur Schau gestellt. Nennt es denn kein frech Erkühnen, |
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Leiht uns ein geneigtes Ohr, Wenn wir gern vor euch Versammelten Ein empfehlend Vorwort stammelten! Sprach doch auf den griech'schen Bühnen Einst sogar der Frösche Chor. |
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Anfangs sind wir fast zu kläglich, Strömen endlos Thränen aus, Leben dünkt uns zu alltäglich, Sterben muß uns Mann und Maus. Doch man will von Jugend sagen, |
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Die von Leben überschwillt; Auch die Rebe weint, die blühende, Draus der Wein, der purpurglühende, In des reifen Herbstes Tagen, Kraft und Freude gebend, quillt. |
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[4] Und, bei Seite mit dem Prahlen! Andre stehn genug zur Schau, Denen heisse Mittagsstralen Abgeleckt den Wehmuthsthau. Wie bei alten Ritterfesten |
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Mit dem Tode zog Hanswurst, Also folgen scherzhaft spitzige Und, will's Gott! erträglich witzige. Aechtes Leid spaßt oft zum besten, Kennt nicht eiteln Thränendurst. |
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Lieder sind wir nur, Romanzen, Alles nur von leichtem Schlag, Wie man's singen oder tanzen, Pfeifen oder klimpern mag. Doch vielleicht, wer stillem Deuten |
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Nachzugehen sich bemüht, Ahnt in einzelen Gestaltungen Größeren Gedichts Entfaltungen Und als Einheit im Zerstreuten Unsres Dichters ganz Gemüth. |
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Bleibt euch dennoch Manches kleinlich, Nehmt's für Zeichen jener Zeit, Die so drückend und so peinlich Alles Leben eingeschneit! Fehlt das äußre freie Wesen, |
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Leicht erkrankt auch das Gedicht; Aber nun die hingemoderte Freiheit Deutschlands frisch aufloderte, Wird zugleich das Lied genesen, Kräftig steigen an das Licht. |
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[5] Seyen denn auch wir Verkünder Einer jüngern Brüderschaar, Deren Bau und Wuchs gesünder, Höher sey, als unsrer war! Dies ist, was wir nicht geloben, |
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60 |
Nein! vom Himmel nur erflehn. Und ihr selbst ja seyd Vernünftige, Die im Jetzt erschaun das Künftige, Die an junger Saat erproben, Wie die Frucht einst wird bestehn. |
Erstdruck und Druckvorlage
Gedichte von Ludwig Uhland.
Stuttgart und Tübingen: Cotta 1815, S. 3-5.
URL: https://mdz-nbn-resolving.de/bsb10121838
PURL: http://resolver.staatsbibliothek-berlin.de/SBB00018E9A00000000
PURL: https://hdl.handle.net/2027/ien.35556007344138
URL: http://www.deutschestextarchiv.de/uhland_gedichte_1815
Die Textwiedergabe erfolgt nach dem ersten Druck
(Editionsrichtlinien).
Entstehung: 28./29. August u. 12. September 1814.
Vgl. J[ulius] Hartmann (Hrsg.): Uhlands Tagbuch 1810 – 1820.
Aus des Dichters handschriftlichem Nachlaß.
2. Aufl. Stuttgart: Cotta 1898, S. 141 u. 143.
URL: https://archive.org/details/bub_gb_M5kuAAAAYAAJ
Kommentierte und kritische Ausgaben
Literatur: Uhland
Alexandre, Didier: Recueil.
In: Dictionnaire du lyrique. Poésie, arts, médias.
Hrsg. von Antonio Rodriguez.
Paris 2024, S. 307-310.
Decker, Jan-Oliver: Selbstreflexion der Ballade in der Ballade.
Uhlands Des Sängers Fluch (1815) und Goethes Ballade (1820.
In: Selbstreferenz in der Kunst.
Formen und Funktionen einer ästhetischen Konstante.
Festschrift für Claus-Michael Ort.
Hrsg. von Nikolas Buck u. Jill Thielsen.
Baden-Baden 2020, S. 151-164.
Dehrmann, Mark-Georg: Des Sängers Fluch.
Philologie und Dichtung bei Ludwig Uhland.
In: Poeta philologus. Eine Schwellenfigur im 19. Jahrhundert.
Hrsg. von Mark-Georg Dehrmann u.a.
Bern u.a. 2010
(= Publikationen zur Zeitschrift für Germanistik; N.F., 22), S. 83-100.
Dehrmann, Mark-Georg: Studierte Dichter.
Zum Spannungsverhältnis von Dichtung und philologisch-historischen Wissenschaften im 19. Jahrhundert.
Berlin u.a. 2015.
Doerksen, Victor G.: Ludwig Uhland and the Critics.
Columbia, SC 1994.
Hahn, Hans Joachim: Ludwig Uhland und der Vormärz.
In: Das Politische und die Politik im Vormärz.
Hrsg. von Norbert Otto Eke u. Bernd Füllner
Bielefeld 2016, S. 131-146.
Klenner, Andreas: Vom romantischen Volkslied zur Vormärzlyrik.
Poetische Entwicklungslinien bei Kerner, Uhland und W. Müller. Berlin 2002.
Knödler, Stefan: Schwäbische philologische Romantik.
In: Romantik in Württemberg.
Hrsg. von von Nicole Bickhoff u. Wolfgang Mährle.
Stuttgart 2020, S. 151-172.
Lombez, Christine: La traduction de la poésie allemande en français
dans la première moitié du XIXe siècle.
Réception et interaction poétique.
Tübingen 2009 (= Communicatio, 40).
Uhland passim.
Paefgen, Elisabeth K.: Uhland – Goethe – Geibel.
Anmerkungen zur lyrischen Kanonentwicklung im "Echtermeyer" des 19. Jahrhunderts.
Volkstümlichkeit – Klassik – Nationales.
In: Literaturdidaktik – Lektürekanon – Literaturunterricht.
Hrsg. von Detlef C. Kochan
Amsterdam 1990 (= Amsterdamer Beiträge zur neueren Germanistik, 30), S. 251-287.
Pott, Sandra: Poetiken.
Poetologische Lyrik, Poetik und Ästhetik von Novalis bis Rilke.
Berlin u. New York. 2004.
Potthast, Barbara (Hrsg.): Provinzielle Weite.
Württembergische Kultur um Ludwig Uhland, Justinus Kerner und Gustav Schwab.
Heidelberg 2014 (= Beihefte zum Euphorion, 71).
Singh, Stephanie: Art. Uhland.
In: Internationales Germanistenlexikon, 1800 – 1950.
Bd. 3. Berlin u.a.: de Gruyter 2003, S. 1918-1920.
Uhland, Ludwig: Das Stylisticum.
Hrsg. von Helmuth Mojem u. Stefan Knödler.
2 Bde. Göttingen 2022.
Waldmüller, Monika: Bibliographie Ludwig Uhland.
Selbständige und unselbständige Drucke zu Lebzeiten 1806-1862.
In: Ludwig Uhland 1787 – 1862. Dichter, Germanist, Politiker.
Hrsg. von Walter Scheffler u.a.
Marbach: Deutsche Schillergesellschaft 1987 (= Marbacher Magazin, 42), S. 77-95.
Zimmer, Ilonka: Uhland im Kanon.
Studien zur Praxis literarischer Kanonisierung im 19. und 20. Jahrhundert.
Frankfurt a.M. 2009 (= Siegener Schriften zur Kanonforschung, 8).
Edition
Lyriktheorie » R. Brandmeyer