Albrecht von Haller

 

Halle

 

Text
Editionsbericht
Literatur: Haller
Literatur: Göttingische gelehrte AnzeigenHaller

 

Hemmerde hat mit vorgesezten Jahre 1747. gedruckt Samuel Gotthold Langens Horazische Oden, nebst Georg Friedrich Meyers Vorrede von dem Wehrt der Reime. in 8. auf 174. Seiten. Endlich bricht die ächte Dichtkunst in Deutschland durch die Hindernisse durch, die das Vorurtheil, die Mittelmäßigkeit und die Gewohnheit ihr vorgelegt gehabt. Die matten und gedankenlosen Linien, die Reime, worinn man das Wesentliche der Verse gesezt, die furchtsame Enthaltung neuer Worte, Gedanken, Schwünge und Silbenmasse, alle diese Ursachen der Verächtlichkeit bei den meisten deutschen Dichtern, verfallen in ihre verdiente Geringschätzung. Die mit lauter Lästerungen streitende und einer wahren Critik unfähige Zunft kleiner Geister verstummt mehr und mehr, und die glänzenden Beispiele der neuesten Dichter verdringen die schläfrigen Gesetze der Mechanischen Poesie. Gleim hat angefangen Verse zu machen, daran man den Reim nicht vermißt, seine scherzende Muse hat dem Neide selber den critischen Dolch mit Lächeln ausgewunden. Hr. Lange folgt dem glüklichen Beispiele. Er zeigt in den Oden, die wir vorhaben, daß der Gedanke, daß das wohlgewählte Beiwort, daß der gesuchte und dennoch wahre Ausdruk, daß die Rührung den Vers macht, und nicht gezählte Silben, oder gleichlautende Buchstaben. Die Höhe und Stärke seiner männlichen Dichtkunst ist gleich entfernt von der schwachen Spitze des Epigramms, und dem Gelalle der gewöhnlichen Schlaflieder, die man uns so lange mit guter Würkung vorgesungen. Hr. L. hat nicht nur den Reim verbannt, sondern auch das Silbenmaaß nach dem Römischen eingerichtet, welches die sonst gleichfalls den Reimen verachtenden Engelländer und Italiäner nicht gewagt haben. Dieses neue Silbenmaaß wird anfangs vielen etwas ungewohnlich vorkommen: aber die Stärke der Gedanken und mehrere Beispiele werden auch die verwöhnten Ohren bald zu den neuen Schönheiten eines veränderten, nicht monotonischen, und dennoch durch seine Gesetze eingeschränkten Maasses, eben so empfindlich machen, als es bei den Römern und Griechen gewesen. Der liebenswurdigen Gattin des Hrn. L. angenehme und natürliche Gedichte, und des nunmehro würdigen Prof. zu Halle, Hrn. Meyers, gründliche Vorrede wider den Nutzen der Reime, sind würdige Zugaben dieser vortreflichen Gedichte.

 

 

 

 

Erstdruck und Druckvorlage

Göttingische Zeitungen von Gelehrten Sachen.
1747, 5. Stück, 16. Januar, S. 40.

Die Textwiedergabe erfolgt nach dem ersten Druck (Editionsrichtlinien).


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Zeitschriften-Repertorium

 

Das besprochene Werk

 

 

Literatur: Haller

Axer, Eva u.a. (Hrsg.): Schreibarten im Umbruch. Stildiskurse im 18. Jahrhundert. Berlin 2024.

Brandmeyer, Rudolf: Poetiken der Lyrik: Von der Normpoetik zur Autorenpoetik. In: Handbuch Lyrik. Theorie, Analyse, Geschichte. Hrsg. von Dieter Lamping. 2. Aufl. Stuttgart 2016, S. 2-15.

Bunia, Remigius: Metrik und Kulturpolitik. Verstheorie bei Opitz, Klopstock und Bürger in der europäischen Tradition. Berlin 2014.

Elsner, Norbert (Hrsg.): Albrecht von Haller im Göttingen der Aufklärung. Göttingen 2009.

Gantet, Claire: Der Großrezensent Albrecht von Haller. Hallers Exzerpte und Rezensionen in den Jahren 1745 bis 1747. In: Wissen in Bewegung. Gelehrte Journale, Debatten und der Buchhandel der Aufklärung. Hrsg. von Katrin Löffler. Stuttgart 2020, S. 45-60.

Guthke, Karl S.: Haller und die Literatur. Göttingen 1962.

Guthke, Karl S. (Hrsg.): Hallers Literaturkritik. Tübingen 1970.

Profos, Claudia: Literaturkritik. In: Albrecht von Haller. Leben - Werk - Epoche. Hrsg. von Hubert Steinke u.a. Göttingen 2008, S. 182-198.

Profos Frick, Claudia: Gelehrte Kritik. Albrecht von Hallers literarisch-wissenschaftliche Rezensionen in den Göttingischen Gelehrten-Anzeigen Basel 2009.

Steinke, Hubert / Profos, Claudia (Hrsg.): Bibliographia Halleriana. Verzeichnis der Schriften von und über Albrecht von Haller. Basel 2004.

 

 

Literatur: Göttingische gelehrte Anzeigen

Fambach, Oscar (Hrsg.): Die Mitarbeiter der Göttingischen Gelehrten Anzeigen 1769–1836. Nach dem mit den Beischriften des Jeremias David Reuss versehenen Exemplar der Universitätsbibliothek Tübingen. Göttingen 2003.

Habel, Thomas: Gelehrte Journale und Zeitungen der Aufklärung. Zur Entstehung, Entwicklung und Erschließung deutschsprachiger Rezensionszeitschriften des 18. Jahrhunderts. Bremen 2007 (= Presse und Geschichte - Neue Beiträge, 17).

Immer, Nikolas: Hallers Diderot. Das Bild des 'Encyclopedisten' in den Göttingischen Gelehrten Anzeigen. In: Germanisch-romanische Monatsschrift 60 (2010), S. 269-291.

Löffler, Katrin (Hrsg.): Wissen in Bewegung. Gelehrte Journale, Debatten und der Buchhandel der Aufklärung. Stuttgart 2020.

Profos Frick, Claudia: Gelehrte Kritik. Albrecht von Hallers literarisch-wissenschaftliche Rezensionen in den Göttingischen Gelehrten-Anzeigen. Basel 2009.

Ringleben, Joachim: Über die Anfänge der Göttingischen Gelehrten Anzeigen. In: Die Wissenschaften in der Akademie. Vorträge beim Jubiläumskolloquium der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen im Juni 2000. Hrsg. von Rudolf Smend u. Hans-Heinrich Voigt. Göttingen 2002, S. 345–355.

Schürmann, Inga: Die Kunst des Richtens und die Richter der Kunst. Die Rolle des Literaturkritikers in der Aufklärung. Göttingen 2022.

 

 

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