Text
Editionsbericht
Literatur
§ 1. Das IX. Gedichte / sind die Hymni oder Lobgesänge / darin zwar vornemlich
Gott / iedoch zuweilen auch andere Sachen / als die Engel / die Sternen / Gerechtigkeit /
Ehestand / das Gold / der Wein / / das Bier / die Druckerey / u. d. gl. gelobet werden:
Exempel sind bey allen Poeten / und weil sie gemeiniglich in grosser Weitläufftigkeit
angeführt werden / achten wir unnöthig zusein / dieselben auszuschreiben und hieher
zusetzen.
§ 2. Das X. sind die Sylven oder Wälder / welches dan sonderliche
Bücher seynd / darinnen allerley von der Hand geschriebene Gedichte / gleich wie in einem
Walde mancher ahrt
[283] Bäume gefunden werden / wie beym Opitz / Flemming und anderen zusehen.
§ 3. Das XI. sind die Lyrischen Gedichte / so man Oden oder Lieder nennet /
und sonderlich zur Music gebraucht werden. Und beschreiben dieselbe / bald Buhlereyen /
bald Täntze / bald Banckete / bald schöne Menschen. Ingleichen die Nichtigkeit des Todes
u. d. g. Sachen / so in ein kurtz Gedicht können gebracht werden. Wollen mit allerhand
schönen Sprüchen und Lehren häuffig geziehret seyn / worauf Herr Tscherning
ein sonderlicher Meister ist. Ihre Vollführung bestehet in gewissen Strophen / Sätzen oder
Reimschlüssen / unter welchen der Erste / was die Zahl / Ahrt / und Schrenckung der
Verse anbelangt / frey und ungebunden; Die andern aber alle sich nach der ersten
richten müssen / ohne in den Pindarischen Oden / mit welchen es eine andere
Beschaffenheit hat.
§ 4. Eine anmuthige Hirten Ode ist diese / welche der vortreffliche
Lieffländische Poet / Herr Johann Wolcken / des Hochlöbl. Elbianischen
Schwanen-Ordens vornehmes Mitglied / auf Unser Hochzeitfest gedichtet / und aus
Hamburg nach Wittenberg geschicket hat:
Meine Pflicht treibt mich zu singen
Ein erfreuten Hirten-Lied /
Weil Bestand und Treu mich zwingen /
Kocht mein Hertz / Seel und Geblüht /
[284] Ich bin froh
und wil so
Den Kurandor loben /
weil er sich
Gar prächtiglich
Hat hoch erhoben.
Des Kurandors Himmels-Gaben
Werden überall geliebt:
Er muß itzt den Vorzug haben /
Das auch Phebus selber giebt /
Ihm den Preiß /
weil Er weiß
Nach der Kunst zusetzen.
Drum ist kund /
Kein Läster-Mund
Darf ihn verletzen.
Sehet unser Freund Kurander
Ist von seiner Kranckheit schwach!
Drum so wil er nun selbander
Seiner Heerde folgen nach:
Ey wie schön
Muß es stehn
wan er in den Gründen
Sich allein
In süsser Pein
Gepaart läst finden.
Dorothee / das Bild der Schönen /
Reicht Kurandorn Hertz und Mund /
Und wil diesen so bekröhnen /
Daß Er bleibe stets gesund
Dieses Bild
Ist erfüllt
Dergestalt mit Tugend /
Daß es frey
Zunennen sey
Ein Preiß der Jugend
[285] Gar zu prächtig muß es stehen
wan Kurandor / als ein Held /
Mit der edlen Dorotheen
Sol spatzieren in das Feld:
Ey! da wird
Dieser Hirt
Artig sich erfrischen /
Und alsdan
Recht als ein Mann
Die Pfeiff erwischen
Durch Kurandors süsses Pfeiffen
Muß erschallen Berg und Thal:
Die Dorinde wird ergreiffen
Ihren Schatz / und ohne zahl
Kuß um Kuß
Ohn Verdruß
Ihrem Schäfer geben.
Der also sol
In Freuden schweben.
Lebe / liebes Paar / in Freuden /
Leb in selbstgewünschter Lust
wan du solst die Heerde weiden /
Sey dir nichts / als Lust bewust:
Glück und Heil
Sol dein Theil
Immer fort verbleiben:
Angst und Weh /
Muß wie der Schnee
Sich selbst zerreiben.
Gerne wolt ich weiter singen:
Aber unser Hirten-Chor
wil ein bessers Liedchen bringen!
Drum so muß Nepheltdor
Brechen ab /
und den Stab
[286] Nach der Heerde setzen /
Da die Zeit
Ihn anderweit
Auch wird ergetzen.
Solt ich in die Wüsten wandern /
Da nichts ist / als Holtz und Stein /
Dennoch müst ich dem Kurandern
Immerfort gewogen sein:
Dessen Zier
Sol bey mir
Immer sein gepriesen /
Biß ein Hirt
Ersteigen wird
Die bunten Wiesen.
§ 5. Noch viel andere Ahrten der Lieder oder Versen mehr hat
Herr Schottelius / in seiner Reimkunst / zum überflus
angeführet / daß wir also für unnöthig zu sein erachten / hiervon
etwas weiters zuschreiben.
Erstdruck und Druckvorlage
Der Deutsche Poët/
Darinnen gantz deutlich und ausführlich gelehret wird / welcher gestalt ein zierliches Gedicht /
auf allerley Begebenheit [...] So wohl hohen als niederen Standes-Personen / in gar kurtzer Zeit /
kan wol erfunden und ausgeputzet werden / Mit sattsahmen [...] Gedichten beleuchtet / und [...] Fürgestellet /
Durch ein Mitglied des hochlöbl. Schwanen-Ordens.
Wittenberg: Fincelius 1664.
Unser Auszug: S. 282-286 (= Buch 3, Kap. 4).
PURL: http://mdz-nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:12-bsb10116394-9
URL: https://catalog.hathitrust.org/Record/001777146
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Edition
Lyriktheorie » R. Brandmeyer