Theobald Höck

 

Text
Editionsbericht
Literatur: Höck
Literatur: Poetologische Lyrik

 

                                  Cap. XIX.

                 Von Art der Deutschen Poeterey.

 

5   [31] Die Deutschen haben ein bsonder art und weise,
Daß sie der fremmden Völcker sprach mit fleisse,
Lernen vnnd wöllen erfahrn,
Kein müh nicht sparn,
In jhren Jahren.
10    
   Wie solches den ist an ihm selbs hoch zloben,
Drauß man jhr geschickligkeit gar wol kan proben,
Wenn sie nur auch ihr eygene Sprachen,
Nit vnwerth machen,
Durch solche Sachen.  
15    
   Den ander Nationen nit also bscheide,
Ihr Sprach vor andern loben vnd preisen weidte,
Manch Reimen drin dichten,
So künstlich schlichten,
Vnd zsammen richten.  
20    
   Wir wundern vns daß die Poeten gschriben,
So künstlich Vers vnnd Meisterstück getrieben,
Daß doch nit ist solch wunder,
Weil sie gschrieben bsunder,
Ihr Sprach jezunder.  
25    
   Den sein Ouidius vnd Maro Glerte,
Nit gwesen Reimer also hoch geehrte,
Die sie in der Mutter Zungen,
Lateinisch gsungen,
Daß ihnen glungen.
30    
   Warumb sollen wir den vnser Teutsche sprachen,
In gwisse Form vnd Gsatz nit auch mögen machen,
Vnd Deutsches Carmen schreiben,
Die Kunst zutreiben,
Bey Mann vnd Weiben.
35    
   [32] So doch die Deutsche Sprach viel schwerer eben,
Alß ander all, auch vil mehr müh thut geben,
Drin man muß obseruiren,
Die Silben recht führen,
Den Reim zu zieren.
40    
   Man muß die Pedes gleich so wol scandiren,
Den Dactilum vnd auch Spondeum rieren,
Sonst wo das nit wird gehalten,
Da sein dReim gespalten,
Krumb vnd voll falten.
45    
   Vnd das noch schwerer ist so sollen die Reime,
Zu lezt grad zsammen gehn vnd gleine,
Das in Lateiner Zungen,
Nit würdt erzwungen,
Nicht dicht noch giungen.
50    
   Drumb ist es vil ein schwerer Kunst recht dichten,
Die Deutsche Reim alls eben Lateinisch schlichten,
Wir mögen new Reym erdencken,
Vnd auch dran hencken,
Die Reim zu lencken.
55    
   Niembt sich auch billich ein Poeten nennet,
Wer dGriechisch vnd Lateinisch Sprach nit kennet,
Noch dSingkunst recht thut richen,
Vil Wort von Griechen,
Ins Deutsch her kriechen.
60    
   Noch dürffen sich vil Teutsche Poeten rühmen,
Sich also schreiben die besser zügen am Riemen, Schmiden ein so hinckets Carmen,
Ohn Füß vnnd Armen,
Das zuerbarmen.
65    
   Wenn sie nur reimen zsammen die letzte Silben,
Gott geb wie die Wörter sich vberstilben,
Das jrret nicht ihre zotten,
Ein Handt voll Notten,
Jst baldt versotten.
70    
   [33] O wenn sie sollen darfür an dHacken greiffen,
Vnd hacken Holz, wenn es nit khride zu Pfeiffen,
Khridts doch zu Polzen selber,
Sie trügen doch gelber
Für Lorber Felber.

 

 

 

 

Druckvorlage

Theobald Hock: Schoenes Blumenfeld.
Abdruck der Ausgabe von 1601.
Herausgegeben von Max Koch.
Halle a.S.: Niemeyer 1899 (= Neudrucke deutscher Litteraturwerke des 16. u. 17. Jahrhunderts, 157/159), S. 31-33.

URL: https://archive.org/details/schoenesblumenfe00hock
URL: https://haab-digital.klassik-stiftung.de/viewer/!toc/1233012495/149/LOG_0012/
PURL: https://hdl.handle.net/2027/uc1.$b605901

 

 

Kommentierte und kritische Ausgabe

 

Werkverzeichnis Höck

 

 

 

Literatur: Höck

Bogner, Ralf Georg / Singh, Sikander (Hrsg.): Theobald Hocks Schönes Blumenfeldt (1601). Texte und Kontexte. Tübingen 2019.

Czucka, Eckehard: Poetologische Metaphern und poetischer Diskurs. Zu Theobald Hoecks "Von Art der deutschen Poeterey" (aus 'Schönes Blumenfeld') (1601). In: Neophilologus 71 (1987), S. 1-23.

Renno, Frédérique: Die deutschsprachige weltliche Liedkultur um 1600. Berlin u. Boston 2022.

Robert, Jörg: Poetologie. In: Handbuch Literarische Rhetorik. Hrsg. von Rüdiger Zymner. Berlin u.a. 2015 (= Handbücher Rhetorik, 5), S. 303-332.

Till, Dietmar u.a.: Art. Poetik. In: Historisches Wörterbuch der Rhetorik. Bd. 6. Tübingen 2003, Sp.  1304-1393.

Zymner, Rüdiger (Hrsg.): Handbuch Gattungstheorie. Stuttgart u.a. 2010.

 

 

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